laut.de-Kritik
Ein raptechnischer Staffellauf.
Review von Florian PekingSeit es den Menschen gibt, gibt es die Kultur. Beinahe genauso lange zerbrechen sich Dichter und Denker schon über das Thema den Kopf. Wer gibt nach Rousseau, Hegel und Nietzsche nun seinen Senf dazu ab? Die Migos, natürlich.
Okay, philosophische Anregungen darf man von dem Trio aus Atlanta freilich nicht erwarten. Dass sie ihr neues Album zum Kulturgut stilisieren, ist aber dennoch nicht ganz aus der Luft gegriffen. Immerhin ging es mit der neuen Platte direkt an die Spitze der Charts.
Irgendetwas haben die Migos an sich. Einiger eher durchwachsene Mixtapes kratzen nicht an ihrer Beliebtheit. Im Gegenteil, unter Fans hält sich schon lange der Running Gag, die Migos seien besser als die Beatles.
Eine gehörige Prise Selbstüberschätzung gehört eben zum Programm. Waffen, Luxus, Drogen, Frauen: An der Erweiterung von Rap-Gemeinplätzen arbeiten Quavo, Offset und Takeoff kaum. Der Baukasten für einen Migos-Track wirkt denkbar schlicht bestückt: einfältige Texte, vorgetragen im charakteristischen Stotterflow, garniert mit absurden Adlibs. Um so überraschender, dass dieses konsequent durchgezogene Schema auf "Culture" so abgerundet klingt wie nie.
Das liegt zum einen an der einnehmenden Dynamik zwischen den Rappern. Kurz bevor man von der Herangehensweise eines Migos genug hat, löst ein anderer ihn ab und präsentiert seinen eigenen Ansatz an den Beat: ein raptechnischer Staffellauf. Auch wenn sich die drei ähnlicher Mittel bedienen, bieten sie so stets eine gelungene Abwechslung innerhalb der Songs. Mit ihren teils verspielten, aber immer nach vorne preschenden Flows ergänzen sie sich perfekt.
Einen weiteren Glücksgriff landet das Trio bei der Beatauswahl. Ausgehend vom Fundament "Trap" interpretieren Produzenten wie Zaytoven oder Metro Boomin den Sound in verschiedenste Richtungen. Auf "T-Shirt" etwa gibt ein schwerfälliger Bass den Klang vor, während auf "What The Price" und "Brown Paper Bag" Klaviergeklimper reichlich Raum für Autotune-Eskapaden von Quavo und Co. bietet.
Chamäleonartig passen sich die Rapper an die jeweiligen instrumentalen Gegebenheiten an. So klingen die Migos mal sphärisch und verspielt wie auf "Kelly Price" mit Travis Scott, dann wieder straight und fast hymnisch auf "Deadz" mit 2 Chainz.
Die drei versprühen dabei eine Energie, die ansteckt. In der Hook von "Call Casting" beispielsweise begleiten die rasanten Raps von Takeoff ratternde Hi-Hats und melodische Hintergrundstimmen. Das entwickelt einen ganz eigenen Sog in die extravagante Protzwelt der Migos. Lyrischer Tiefsinn gerät hier zur absoluten Nebensache. Doch das Gesamtkonstrukt aus Beat, Stimme und Effekten ist detailreich durchdacht. Der Sound klingt somit herrlich unverkrampft, aber dennoch ausgefeilt.
Die Jungs aus dem Norden Atlantas geben ihren insgesamt 13 Bangern jeweils eine eigene Färbung. Um dieses Spektrum weiter auszudifferenzieren, greifen die Migos paradoxerweise zu Lyrics voller repetitiven Übertreibungen. Die zunächst simpel wirkenden Wiederholungsmuster in ihren Texten dienen aber einem wirkungsvollen Zweck: Die Songs auf "Culture" geraten dadurch ungemein eingängig und setzen sich hartnäckig als Ohrwurm fest. Nicht ohne Grund ist die Hook des Smashhits "Bad And Boujee" mittlerweile zum Meme avanciert.
Irgendwie greift auf "Culture" alles geschmeidig ineinander. Die minimalistische Themenpalette, die absurden Texte und Adlibs und die auf den Punkt geflowten Stotterparts verbinden sich zu einer unverwechselbaren Identität: Trap in seiner reinsten Form, ohne Filler oder größere Ausfälle. "Culture" könnte somit so etwas wie den Stellvertreter seines eigenen Sub-Genres abgeben. Ein repräsentatives Werk dafür, wie ausgereifter Trapsound im Jahr 2017 zu klingen hat.
6 Kommentare mit 10 Antworten
So. Und wieder die übliche Frage: Wie komm ich an den Silberling dran? Amazon.co.uk; amazon.de; amazon.fr - nix.
Saturn, Mediamarkt, HHV - nix.
Lokaler Plattenladen - nix.
Migos Onlineshop, Quality Control Music Onlineshop: Nur Klamotten.
Das ist ja noch schlimmer als bei DS2.
DS2 gab es immerhin auf Vinyl, wenn auch nicht sofort.
DS2 lag zum Releasetag via amazon.de im Briefkasten - zumindest in Berlin. Keine Ahnung, welche Probleme ihr da hattet. Bei Olivander lag es eventuell an der Genrefremdheit.
Was das hier angeht: warten. YRN kam damals auch erst eine Weile spaeter in nondigitalen Formaten, genauso wie auch das letzte Travis Scott-Album.
Times is hard.
http://migosculture.merchnow.com/products/…
Bei DS2 war's zum Release nicht mehr verfügar. Bei HHV konnte man es dann vorbestellen und bei Saturn und co hatte es auch ungefähr zwei Wochen gedauert.
Naja. Ich warte dann. Ich hab keine Lust zwei mal dafür zu zahlen.
@41st - danke für den Link. Auch komisch, dass Vinyl direkt releast wird und die CD noch gar nicht. Nutzen DJs heutzutage überhaupt noch Platten?
Kann jemand mit Ahnung sagen, ob das Albung als Einstieg in die Migos taugt?
DS2 (und generell Future) oder zum Beispiel auch die letzten Alben von Gucci fand ich nice und wollte meinen Trap-Kosmos etwas erweitern.
Culture ist defenitiv eins ihrer besten Tapes
Weitere gute sind: YRN, YRN 2 und No Label2
Wenn du deinen Trap-Kosmos noch etwas erweitern willst gib dir mal Travis Scott, Juicy J, Kevin Gates, Young Thug, Rick Ross oder Chief Keef
Danke für deine Auskunft, werde mir Culture bei Gelegenheit mal geben.
Von Travis Scott habe ich bereits "Birds in the Trap" und feier es auch sehr, von Young Thug kenne ich Jeffery und finde es zwar ganz nett, unterhält mich jetzt aber weniger. Lohnt sich Rodeo von Travis?
Days before Rodeo ist definitiv besser als Rodeo. Rodeo hat aber auch seine Stärken.
Culture ist ein guter Einstieg in den Migoskosmos.
Höre das Album mittlerweile in heavy rotation. Neben den Single gefallen mir besonders Get Right Witcha, Slippery und What The Price. Nices Teil!
Werde meiner Oma zum Geburtstag eine Konzertkarte für die Migos schenken, da sie den Bühnenabschied der Amigos nicht so gut verkraftet.
Ich begleite sie gerne ♥
Der Verse von Lil Uzi Vert auf “Bad And Boujee“ gehört genreübergreifend sicherlich zum Schlechtesten, was je irgendwo aufgenommen wurde, unbeschreiblich!
Da würde ich lieber Menderez rappen hören.
lahmer trapentwurf.
Ist eigentlich jemandem die tatsaechliche Genialitaet dieses Beitrags bewusst?
lahmer trapentwurf.