laut.de-Kritik
Pop, den man gerne mehr im Radio hören würde.
Review von Andrea TopinkaWie erholt man sich von einem mittelgroßen Flop? Diese Frage mag Mika in den vergangenen knapp drei Jahren hin und wieder beschäftigt haben. Nach den Chart- und Kritkererfolgen "Life In Cartoon Motion" und "The Boy Who Knew Too Much" vergriff der libanesische Wahl-Brite sich mit "The Origin Of Love" im Ton: Mit verzerrten Vocals und platter Elektronik konnte er gerade noch den ersten Platz in Frankreich erobern. Ansonsten scheiterte die Platte nahezu überall an den Top 20.
Neben Einsätzen in italienischen und französischen Castingsjurys, Beiträgen für Filmsoundtracks und einigen Konzerten mit dem Montreal Symphony Orchestra arbeitete Michael Holbrook Penniman in den letzten Jahren nun an seinem vierten Album "No Place In Heaven". Wie er nach den Grautönen des Vorgängers zu bunt verspielter Covergestaltung zurückkehrt, so besinnt er sich auch musikalisch eher auf seine Anfänge.
Dass radiotaugliche Ohrwürmer Ziel sind, zeigt die Auswahl des Produzenten. Greg Wells' Lebenslauf liest sich wie der eines Hitgaranten: Katy Perry, Pharrell Williams, Adele, One Republic. Und die Rechnung geht im Opener "Talk About You" direkt auf. Euphorisch trällert Mika auch jedem, der es nicht hören will, sein Glück entgegen: "I'm stopping strangers and telling them your name / Convincing haters, one day the'll feel the same". Dazu klimpert das Piano zur Gitarre, als wäre man in einem Pop-Song der 70er gelandet, lass es z.B. ABBA oder die Bee Gees sein. Bekanntlich verehrt und zitiert Mika die Künstler dieser Zeit mit großer Leidenschaft.
Von den Gerüchten um eine letzte ausufernden Party, die sein größtes Idol Freddie Mercury nach der AIDS-Diagnose ausgerichtet haben soll, handelt "Last Party", eine andächtige Klavierballade, bis sie mit Streichern und Chor ("If it's the end of the world let's party") im letzten Drittel einen haften Sentimentalitätsausbruch à la Coldplay erleidet.
Mit den beiden Tracks sind die Hauptzüge von "No Place in Heaven" umrissen: Auf der einen Seite stehen Upbeat-Nummern wie "All She Wants" oder "Staring At The Sun", die wie früher zünden, obwohl Mika weniger schrill und oktavenreich unterwegs ist. Mit 31 sei er in einem Alter angekommen, in dem er offener und ehrlicher über sich sprechen könne, sagt er in einem Interview mit Access Hollywood zur verhalteneren Grundstimmung des vierten Albums.
Deswegen gäbe es auf der anderen Seite auch eine Handvoll Pianoballaden wie "Hurts" oder "Ordinary Man", die auf der Zerbrechlichkeit des Singer/Songwritertums aufbauen. Die Melodien bleiben in diesen Fällen zwar eingängig, trotzdem glänzt Mika in den temporeicheren, aufgedrehteren Songs mehr, wirkt dort weniger wie der x-te Abklatsch von Elton John.
Bei aller Catchiness fehlt es gelegentlich an Abwechslung: Ob gerade "Talk About You" oder "All She Wants" läuft, eigentlich egal. Auch bei den langsamen Stücken besteht Verwechslungsgefahr. "Good Guys", in dessen Textzeilen Mika unter anderem eine Oscar Wilde-Referenz einflechtet, sticht hingegen heraus. Man denkt im ersten Moment vielleicht an eine Abwandlung von Paula Coles Frage "Where Have All The Cowboys Gone": "Don't be offended this might seem a little wrong: / Where have all the gay guys gone?". Wie sich im Laufe der Lyrics herausstellt, geht es Mika darum, sich vor Idolen und deren Mut, zu sich zu stehen, sich zu verbeugen: "Thank you Rufus, thank you Auden and James Dean / Thank you Emerson and Bowie for my dreams". Und die Frage, warum er selbst es nicht wagt, sich so zu präsenstieren wie besagte Protagonisten.
Etwas befremdlich gerät "Oh Girl You're The Devil", das mit seinen bluesigen, tiefen Background-Gesängen, "She's a a bad, bad girl", und Vokabular ("Catholic school", "son of a preacher" "one-way ticket on a Greyhound") in US-Traditionen wildert. "Rio" beginnt wie ein "Faith"-Rip-Off, entwickelt sich im Laufe aber zum lässigen, gut gelaunten Gitarrensong. Damit kann es in den nächsten Strandurlaub zum Rum-Cocktail-Schlürfen losgehen.
Die Songs, die Mika auf "No Place In Heaven" abliefert, funktionieren mal mehr, mal weniger. Die ganz großen Momente sind rar zwar gesät, aber er schafft es, auch mit einem akustischeren, weniger überschwänglichen Sound ansteckende Melodien in die Welt zu setzen. Nach der letzten Veröffentlichung macht Mika mit seiner vierten Platte den richtigen Schritt zurück in Richtung ausgeklügelten, lupenreinen Pop, von dem man gerne mehr im Radio hören würde.
4 Kommentare mit 2 Antworten
Sein erstes Album hab ich wirklich gerne gehört und gefeiert(das natürlich heimlich xD) es war für mich das absolute Catchy Pop Album und teilte sich die Top 3 in diesem Genre mit dem Album Aquarium von Aqua. Also gute Laune Musik die man aber lieber alleine hört weil es sonst peinlich wird. die andrene beiden Werke standen leider wirklich im Schatten. Bin gespannt ob er es bei diesem Album geschaft hat zu seinen Kreativen wurzeln zurück zu kehren. Ich wünsche es mir^^
Im Gegensatz zu dem was der Autor der Kritik schreibt klingt für mich keiner der Song wie der andere. Z.B. in Girl You Are The Devil hat Mika seine kompletten 3,5 Oktaven rein gepackt und ich bin gespannt wie viele kleine Überraschungen ich in den einzelnen Liedern noch finden werde. Die Texte sind sehr tiefgründig, wenn man sich die Mühe macht mal darauf zu achten, oder wer sonst ausser Mika koennte Familienprobleme so geschickt in einem Song aufarbeiten? Für mich ist es eindeutig das Album des Jahres!!!
"Für mich ist es eindeutig das Album des Jahres!!!"
Weil du "bine44" heißt?
Muss man diese Antwort zum Kommentar verstehen? Was hat denn ihre Meinung mit dem usernamen zu tun?
Nur so als Hinweis: Mika und Greg Wells arbeiten seit dem ersten Album Mikas eng zusammen, also schon lange bevor der Kollaboration von Greg Wells mit den genannten Künstlern.
Das Album ist Spitze, vielleicht sogar Mikas bestes bisher! ♥ Auf jeden Fall selbst für Nicht-Mikafans der richtige Sommer-Sonne-Gute-Laune Sound. Jetzt müssten das nur noch die Radiosender mitbekommen...