laut.de-Kritik
Die Erinnerung an eine wilde Zeit.
Review von Sven KabelitzIrgendwann erwischt es uns alle. Wenn wir nur lange genug durchhalten, werden wir alle erwachsen. Nun ereilt dieses Schicksal leider auch Petra Pan.
Passend zu ihrem 30. Geburtstag tritt Miley Cyrus in ihre Adult-Phase ein. Der Sound von "Endless Summer Vacation" ist vor allem eines: bieder. Wenngleich mit verträumter Melancholie ausgestattet, verfällt sie erstmals der Langweile. Sie landet auf der schlipstragenden Version von "Plastic Heart" nach wilden Jahren bei einer MOR-Pop-Ausgabe ihrer selbst.
Zwar rettete Cyrus in der Vergangenheit ihr Potential nie über Albumlänge hinweg, aber Songs wie "Mother's Daugther" ("She Is Coming"), "Midnight Sky" ("Plastic Heart") oder "We Can't Stop" ("Bangerz") überstrahlten so manche Schwäche. Die Verspieltheit von "Miley Cyrus And Her Dead Petz" blieb bis heute leider eine Ausnahme.
Inzwischen reißen nur noch ihre kernige Stimme und manch kraftvoller Text über Unabhängigkeit und Selbstliebe einzelne Stücke aus dem leblosen Midtempo-Brei heraus. "I can buy myself flowers / Write my name in the sand / Talk to myself for hours / Say things you don't understand / I can take myself dancing / And I can hold my own hand / Yeah, I can love me better than you can", singt sie in "Flowers".
Wobei bereits dieser zurückgelehnte Song, ihr erster US-Nummer-eins-Erfolg seit "Wrecking Ball", als Highlight dienen muss. Er setzt die Stimmung, an der sich das gesamte Album konstant entlanghangelt. Vieles danach wirkt nur wie weitere "Flowers"-Variationen.
Die Hauptintention von "Endless Summer Vacation": ein Liebesbrief an L.A. Cyrus unterteilt ihn in a.m. und p.m., wobei sich der Abend vom Morgen nur in manch einem dunkleren und mit mehr Synthesizern ausgestatteten Arrangement unterscheidet. Das elektronische Experiment "Handstand" dient als Brücke zwischen den beiden Teilen.
Nur das gemeinsam mit Sia aufgenommene "Muddy Feet" und "River" versprühen in der zweiten Hälfte etwas mehr Tempo und Energie. Wobei hier schon der Refrain "You're just like a river / You're just like a river / You go on forever / You're just like a river" arg einfallslos gerät. Vor allem der kurze New Order-Moment fällt positiv auf.
"Muddy Feet" ragt indes deutlich aus dem engen Konzept heraus. Roh, streng und bissig fügt es dem Sound eine ordentliche Portion garstig stampfenden Blues hinzu. Während sie der/dem Expartner:in deutlich die Tür zeigt, kehrt Cyrus zum rockigen Gesang von "Plastic Heart" zurück. In diesem viel zu braven Umfeld - und eben nur hier - ein Highlight.
Das mit Brandi Carlile entstandene "Thousand Miles" verfügt über eine deutliche Country-Färbung.
Gegen Ende verlässt "Endless Summer Vacation" dann doch noch sein Schema, jedoch leider nicht zum Besseren. "Island" stellt quasi Miley Cyrus' "La Isla Bonita" dar, nur eben in langsamer. "Wonder Woman", die einzige wirklich Ballade, gibts zum Abschluss. In diesem Klischee einer übertriebenen Piano-Nummer singt sie ein Hohelied auf Frauen, die durch alle Tiefen gingen, jedoch niemals aufgaben. Im Text steckt eine Mischung aus Verwundbarkeit und Stärke, in der sich viele Menschen wiederfinden dürften.
Ohne weiteres hat "Wonder Woman" das Zeug dazu, ein karriereprägender Punkt für Cyrus zu werden. Es vereint das Schlimmste aus den Balladen von Adele, Pink und Christina Aguilera. Den eigentlich verletzlichen Ansatz schreit die sonst so sicher zwischen den Ebenen wechselnde Sängerin übertrieben, nach dem Motto "Nur wenn es laut ist, sind es echte Gefühle", in Grund und Boden. Ein Lied, wie geboren für unzählige Coverversionen in den Casting-Shows dieser Welt. Möge dieser Kelch an uns vorübergehen.
"Endless Summer Vacation" führt uns in die Phase der reifen Miley Cyrus, in der ein großer Teil der Smileys von einst eben einer vernünftigen Arbeit nachgehen, heimisch werden und sich fortpflanzen, oder zumindest darüber nachdenken. Da sollte man sich bloß nicht aufregen. Der Alltag ist stressig genug. Dafür bietet dieser nostalgisch gefärbte Pop die perfekte Untermalung. Er wirkt wie ein langsames Verblassen der Leidenschaft, ein Abgesang auf die Jugend, von der schon bald nur noch in einen ewigen Sonnenuntergang getauchte Flashbacks bleiben. In diesem Setting schwingen beim Longplayer große Schwere und Trauer mit. Die Party ist vorbei, der Sommer vorüber. Es bleibt die Erinnerung an eine wilde Zeit.
4 Kommentare mit 5 Antworten
Ist okay. Bieder trifft leider ganz gut, klingt alles teils etwas eingeschlafen. Hoffentlich erfindet sie sich fürs nächste Projekt wieder neu und bleibt nicht bei dieser Richtung... Keine Ahnung wer da Crack geraucht hat und 'Handstand' aufs Album gepackt hat, einer der wohl bizarrsten und ungeilsten songs ihrer Karriere. 'Muddy Feet' aber ist super!
Interessant, ich sehs mit Handstand und Muddy Feet genau umgekehrt
''Das elektronische Experiment "Handsome" dient als Brücke zwischen den beiden Teilen'' der Song heißt Handstand! =)
Album 4/5, ohne Ironie. Find klingt wie die Fortsetzung der EP ''She is coming''(welche ich sehr geil fand) und um Weiten besser als der Vorgänger ''Plastic Hearts'' der auf mich irgendwie so wirkte als wolle Frau Cyrus nicht altern.
Stimme zu. "...And Her Dead Petz" bleibt ihr Karrierehöhepunkt. Tragisch, daß die Platte 5 Jahre zu früh herauskam, ihr garagiger, wilder Cloud-Ansatz damals also nicht verstanden und nicht gekauft wurde.
Seit sie auf Nummer Sicher mit Vocalgeprotze macht, ist sie langweilig.
Naja, "nicht gekauft" ist bei nem kostenlosen Soundcloud-Mixtape auch irgendwie folgerichtig
Bin ich der Einzige, den Flowers an In the shadows von the Rasmus erinnert?
Nur mal so nebenbei...
Ne, aber an "in the Ragismus". *Tusch* (ich war am schnellsten)
Was isn mit eurem Gehör los? Nix da Rasmus oder Ragismus. Flowers ist natürlich eine 1A Kopie von Ace of Base - Beautiful Life (oh oh) und nicht mal gut gemacht, weil es fehlen die oh oh's
Joah, das war relativ erwartbar. Keine Experimente, Thema des Urlaubs mMn recht gut getroffen. Entspannt mit der Neigung zur Langeweile. Mehr: https://youtu.be/Hc_rp88skCI