laut.de-Kritik
Groovender Zungenschlag, blubbernder Bass.
Review von Philipp KauseLebensläufe wie den von Mirna Haje lesen wir immer häufiger, nicht nur bei Musiker*innen. Geboren im Libanon, aufgewachsen als kleines Kind in Liberia und dann als Flüchtling in der Elfenbeinküste, arbeitet sie heute in Frankreich und ist für eine Kollabo nach Südafrika gereist. Heraus kommt mit "Redemption" trotzdem kein 'Weltmusik'-Album, sondern eine geschmackvolle Singer/Songwriter-Platte. Sie funktioniert unplugged in "Easy" und mehrmals mit Electro-Beats und Keyboards.
Mit einer Tiefe, die dem Tauchgang des Artworks ähnelt. Mit einer Stimme, deren Natürlichkeit schnell Sympathie weckt. Mit einem groovendem Zungenschlag, der beim Hören hypnotisiert, zum Beispiel in der "Smooth Talker"-Hookline über einen Blender und Lügner: "Black black black is your heart (...) shut shut shut shut your mouth". Und als einende Konstante aller Tracks fährt Mirna mal mehr, mal weniger ausgeprägte One Drop-Reggae-Rhythmik auf. In "Once Upon A Time" mehr, in "Take Me To Zion" weniger.
Die 38-Jährige macht beiläufig karibische Musik. Aber vor allem ist sie eine Edel-Kehle, mit betörenden Sprüngen zwischen dunklen, rauen Stimmfarben und -konturen, andererseits hellem Optimismus in ihren freundlichen Vocals. Bleibt man im Reggae-Umfeld, gab es seit Judy Mowatt wenige Frauen, die so schön, gleitend und in ihrem natural flow singen.
Vor allem, wenn man berücksichtigt, dass Ikonen wie The Selecters Pauline Brown, die noch rebellischere Nattali Rize, die shoutende Lady Saw, die schroff-brüchige Diana King, die triumphierende Ce'Cile, die kehlige Etana oder die vielseitige, aber stets raspy voice Tanya Stephens in erster Linie auffällige, interessante Tonverläufe haben. Dass sie Härte, Nachdruck, eine Spur Maskulinität und Abgebrühtsein ausdrücken. Oder sie sind vorrangig MCs wie Koffee. Auf der anderen Seite rangieren verträumte Lovers-Stimmen wie Hollie Cook oder Zoe. Mirna positioniert sich also zwischen den Extremen, was der dringend nötigen Feminisierung des Genres für mehr Ausgewogenheit und Diversität einen wichtigen Dienst erweist und eine Marktlücke schließt.
Rootsig gewandt zeigt sich Mirna im Bob Marley-angenäherten "Once Upon A Time" und zu trillernden Flöten- und schneidigen Posaunentönen auf "Jah Guide". Jazziger spielt sie jenseits eines witzig eingesetzten Vocoders in "Music Is My Soul" auf, was an ihre Zusammenarbeit mit dem Jazz-Reggae-Projekt Jahzz erinnert.
Eindrucksvollster Track ist "Mousso" mit Systemkritik an immer noch vorhandenen Schulgebühren in Westafrika. "Farafina" (das Wort für Afrika in den Mandinke-Sprachen) trällert sie in lang gestreckten Tönen im Refrain. Soziales Engagement war auch dem Vorbild allen Reggaes aus der Elfenbeinküste, Mirnas Idol Alpha Blondy, sehr wichtig.
Wie auch ihrem Entdecker, Tiken Jah Fakoly. Der hat doppelt so viele YouTube-Follower wie etwa ein Peter Fox und ist in unserem Nachbarland Frankreich ein Star. Vor über zehn Jahren traf sie ihn erstmals, er koproduzierte 2015 ihr Debüt. Davon profitiert sie bis heute. Die Gniedelbässe, hüpfenden Keyboard-Figuren und eine Ragga-Spit-Feature-Strophe von Derajah im Titelsong "Redemption" zeugen von einer gelungenen Vermählung der jamaikanischen, afrikanischen und französischen Reggae-Styles. Mirna ist daher ein klarer Gewinn für die Szene.
1 Kommentar mit 2 Antworten
Was ich angeskippt hab, klingt wie Nneka in langweilig. Öder instrumentiert, ödere Stimme, ödere Texte.
Schon Nneka ist Nneka in langweilig.
Nö. Soul is heavy war ne coole Platte.