laut.de-Kritik
Ein wunderbar gelungenes Experiment.
Review von Jan EhrhardtWas auf den ersten Blick abwegig klingt, ist auf den zweiten Blick doch naheliegend: Kingston und Havanna trennen nur etwa 800 Kilometer, die geografischen Zentren von Jamaika und Kuba sind gerade einmal 400 Kilometer von einander entfernt. Schwömme man von Strand zu Strand, es wären derer nur 150. Die Kulturen könnten aber unterschiedlicher kaum sein. Das karibisch-hispanische 'Baila Habana' einerseits und andererseits die in Mother Africa (Äthiopien) gründende Lebensphilosophie, Religion und Identität einer Insel, die sogar Namensgeberin von politischen Systemen im fernen Mitteleuropa sein kann.
Den jeweiligen kulturellen Fingerabdruck dieser beiden Welten miteinander zu kombinieren, zu kreuzen und zu einer neuen Form von musikalischer Persönlichkeit heranreifen zu lassen, klingt zunächst ungewöhnlich. Vielleicht sogar unmöglich. Verrückt ist es auf alle Fälle. Bis man feststellt, dass sich Offbeat, Rumba und Jazz gar nicht so fremd sind.
Pianos, Percussion, Blasinstrumente, Gitarren. All das findet findet sich zu ganz maßgeblichen Teilen im Sound der beiden Länder wieder. Trotzdem hat bislang niemand Reggae-Riddims und Elemente von kubanische Rhythmen auf eine solche Art zusammengebracht, niemand Patois mit spanisch sprachigem Gesang verwebt.
Mister Savona, bürgerlich Jake Savona, ist genau dieses Experiment eingegangen. Und es ist so wunderbar gelungen, dass man sich eigentlich jetzt schon eine Fortsetzung wünscht. Tatsächlich ist ein zweiter Teil samt Dokumentarfilm geplant, eine große Tour mit Band schwebt dem Mann hinter "Havana Meets Kingston" ebenfalls vor. Aber erst einmal gilt seine Konzentration ganz dem wegweisenden und möglicherweise sogar bahnbrechenden ersten Teil des Projekts, für das der Australier eine Vielzahl an jamaikanischen Musikern aller Couleur auf die Nachbarinsel fliegen hat lassen. Gemeinsam mit ihren kubanischen Kollegen entstand so das Album, das nicht nur den geografischen, sondern auch den kulturellen Spagat zwischen Havanna und Kingston meistert. Ja, ihn geradezu perfektioniert.
The 'Lyrical Faya' Cali P, Turbulence, Exile Di Brave, Lutan Fyah und Jugglerz-Haus-und-Hof-Sänger Randy Valentine sind nur einige der Namen, die die grandiosen Titel wie "Carnival", "100 Pounds Of Collie" oder "El Cuarto De Tula" prägen. Wenn zugleich Produzenten und Instrumentalisten wie Bo-Pee Brown, Sly & Robbie sowie Bongo Hermann auf den 'Buena Vista Social Club' und die 'Afro-Cuban All Stars' treffen, kann das Ergebnis nur ein Genuss sein. In manchen Momenten spielten 27 Musiker auf einen Schlag im Studio in Kubas Hauptstadt, erzählte Savona jüngst in einem Interview mit dem Szene-Magazin Riddim.
Dabei ist eine LP entstanden, die von treibendem Offbeat, über Dub, Dancehall, Hip Hop, Rumba, Jazz und Lounge alles bietet, was man von einem solchen bemerkenswerten Versuch erwartet: Gleichermaßen Hits wie "Chan Chan", "Heart Of A Lion" oder "In The Ghetto" und sich beinahe in der Unendlichkeit verlierende Instrumentals wie "Carnival Horns" oder "410 San Miguel". Es ist eine Hommage an die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zweier Nationen, die sich so fern - und doch ganz nah sind.
2 Kommentare
Geil, geil und nochmal geil.
Und das hat bisher niemand versucht? Oder nur nicht so geil? Super Album!