laut.de-Kritik

Authentisch bis zum Geht-nicht-mehr.

Review von

Wer ein Mother Tongue-Konzert besucht, blickt in den Abgrund des Rock'n'Roll - und erlebt seine Höhepunkte. Frontmann Dave Gould und seine Freunde besitzen die Fähigkeit, ihr Publikum emotional zu fesseln. Selbst dann, wenn man auf den kraftvollen, dunkel angehauchten Mix aus Rock, Blues, Soul und Funk ihres dritten Albums weniger abfährt.

MT-Songs sind Jam-Produkte, und man hört "Ghost Note" an, dass die Kalifornier seit dem überraschenden Comeback 2002 viel zusammen gespielt haben. Atmosphäre und Flow der Platte (respektive der Band) nehmen den Hörer gefangen. Denn MT transferieren ihr reales Dasein in Töne. Musik ist hier mehr Verarbeitung und Ausdruck von Gefühlen als bedingungsloses Streben nach Neuem. Gould und die beiden Gitarristen Christian Leibfried und Bryan Tulao kommunizieren zudem blind und verstehen es auf perfekte Art, Spannung zu erzeugen. Sie spüren genau, was der jeweilige Song an Input oder Steigerung benötigt.

Bassist und Hauptsänger Gould kann deshalb seine Inspirationsquellen (u.a. Led Zeppelin, Jimi Hendrix, The Doors, Black Flag oder Jane's Addiction) benennen, ohne in der Plagiats-Schublade zu landen. Zu ehrlich, zu selbstbewusst und zu eigenständig bleibt der Sound. Kam der Vorgänger "Streetlight" (die Nummer "Tides" gehört zu den Highlights eines jeden MT-Gigs) ungestüm und unkontrolliert daher, legt "Ghost Note" an Transparenz und Wucht zu, ohne dabei an Intensität zu verlieren.

Von schwerem 70er-Rock infiziert, groovt die Radio-Single "Dark Side Baby" und rollt der Uptempo-Kracher "Coming Home" gleich zu Beginn der Platte auf den Punkt - pure Spielfreude. "Alien" und "The Voice" hangeln sich dann zu mächtigen Balladen hoch, während "The Storm" in einen psychedelischen Jam ausartet. Das melancholische "Missing" präsentiert die Band ungewohnt eingängig, während "Helicopter Moon" atmosphärisch kompakt und schnell an frühe Desert Rock-Zeiten erinnert. Anschließend lassen die Basic-Riffs von "Sad Song" erneut die fette Live-Performance der Band erahnen.

Ob harte oder ruhigere Stücke - "Ghost Note" wirkt wie aus einem Guss. Das endlich gelöste Drummer-Problem - Sascha Popovic trommelte die Platte komplett ein und bleibt wohl festes Band-Mitglied - mag mit ein Grund dafür sein. Um sein Publikum mitzureißen, gehört mehr dazu als technische Versiertheit, Image, gutes Aussehen oder Kritikerlob. MT lieben ihr Publikum, performen ihr Leben und besiegen ihre Dämonen - keine leichte Kost, aber authentisch bis zum Geht-nicht-mehr. "Thank you for listening", schreiben sie im Booklet. The pleasure is ours.

Trackliste

  1. 1. Dark Side Baby
  2. 2. Coming Home
  3. 3. Alien
  4. 4. The Void
  5. 5. That Man
  6. 6. The Storm
  7. 7. Missing
  8. 8. Helicopter Moon
  9. 9. Sad Song
  10. 10. In The Night Time

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