laut.de-Kritik
Direkt mit dem nackten Arsch ins Gesicht.
Review von Michael EdeleSollte mir irgendwann noch einmal irgendein Trottel erzählen wollen, dass Motörhead Heavy Metal spielen würden, spring ich dem Kerl direkt mit dem nackten Arsch ins Gesicht. Dass dies an dem musikalischen Verständnis des Angesprungen noch irgendwas ändert, ist zwar zu bezweifeln, aber die Geste zählt, oder?
Wer immer noch nicht gerafft hat, dass Lemmy, Phil und Mikkey einfach die lauteste, dreckigste und härteste Rock'n'Roll-Band dieses Planeten sind, hält Metallica vermutlich auch noch für ne Thrash-Band. Ok, der wieder mit einem großartigen Text versehene Opener "Sucker" legt von Anfang an recht kräftig vor, aber mit den selben Licks könnte auch John Lee Hooker arbeiten. Vielleicht etwas langsamer, leiser und weniger rotzig, aber sonst ...
Spätestens "One Night Stand" ist so was von Rock'n'Roll und groovt extrem lässig vor sich hin. Das geht schon schwer in Richtung Blues-Rock. Lemmy erzählt ein bisschen aus dem Nähkästchen, auch wenn sich das seit seiner Beziehung zur Meldrum-Fronterin Moa Holmsten vielleicht ein wenig geändert hat. In die selbe Kerbe schlägt auch "Christine", welcher Frau auch immer dieser Song gewidmet ist. "Kiss Of Death" mag vielleicht nicht so abzischen wie "Inferno", ist dafür wieder ein typisches Motörhead-Album geworden, mit sehr unterschiedlichen Songs.
So darf mal schneller ("Devil I Know"), mal langsamer und mit einem gehörigen Blues-Einschlag ("Under The Gun") gerockt werden. "Trigger" erinnert fast schon an Maiden-Melodien, und wenn Lemmy bei der Halbballade "God Was Never On Your Side" in gerechtem Zorn die Stimme erhebt und anklagt: 'Why is He silent? Is He blind?', dann möchte man nicht in seiner Haut stecken. Die große Überraschung in diesem Song ist Poison-Klampfer C.C. Deville, der das Solo beisteuert. So übel ist der Junge also gar nicht.
"Living In The Past" klingt nach fett groovendem Motörhead-Material, bevor "Sword Of Glory" das Tempo wieder anzieht. "Be My Baby" hat schon beinahe etwas Modernes, Lemmy singt mal wieder gerne mit sich selbst im Chor. So düster, rauh und vertrackt wie in "Kingdom Of The Worm" sind mir die Motorköpfe bisher aber noch selten untergekommen. Dafür rockt das abschließende "Going Down" recht befreit in den Feierabend.
Ob "Kiss Of Death" seinen Vorgänger "Inferno" in den Schatten stellt, ist sicherlich Geschmackssache. Ne geile Scheibe ist das Teil auf jeden Fall wieder geworden - in der Form will ich Lemmy auch mit 80 noch auf der Bühne sehen und hören.
1 Kommentar
Ich hoffe, dass lemmy 100 wird (wenn man nach dem Äußeren geht, fehlen ja nur noch 2 Jahre), um noch zwei Dutzend dieser geilen Scheiben unters Volk zu bringen.
Motörhead sind ein absolutes Phänomen. Egal ob in Frankreich, Deutschland, USA oder Japan, fast jeder zwischen 14 und 50 kennt sie. Bei jedem Stadtbummel läuft dir mindestens ein Typ im Motörhead-Shirt über'n Weg und trotzdem sind sie mehr oder weniger finanziell platt. Ich unterstütze sie und kaufe auch "Kiss of Death"- ideal zum Punktesammeln auf der Autobahn.