laut.de-Kritik

Ein raffiniertes, eklektisches Meisterwerk.

Review von

"Think of life without music, silence the whole day long." Wenn unerträgliche Stille nur das Einzige wäre, Miss Russell. Abgesehen vom egoistischen Motiv, dass wir beide unsere Jobs verlören, gäbe es keine Musik, wäre die Welt ohne Musik wohl um einige Farbspritzer ärmer und grauer.

"Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum", schrieb Friedrich Nietzsche einst, um danach immer hämischere und kritischere Schriften über Richard Wagner zu veröffentlichen. Auf die heutige Zeit übertragen wäre es ein unverzeihlicher Irrtum, sich lediglich auf ein einziges Musik-Genre zu konzentrieren, ohne die volle Bandbreite an Tönen, Rhythmen und Stilen zu genießen.

Deswegen beschert Mr. Scruff der Welt ein eklektisches Meistwerk, das in den nächsten Wochen und Monaten eigentlich die Plattenspieler und CD-Player der Republik dominieren sollte. Dass es wahrscheinlich wieder nicht zum Verkaufsschlager schlechthin avanciert, liegt am gerade angesprochenen Irrtum des Gros' der Hörerschaft.

Nach Daedelus' diesjähriger Platte und Natural Selfs "Art Of Vibration" scheint es fast so, als würde Scruff beide Werke subsummieren und perfektionieren. In seinen Ideen weitergehender als Natural Self und strenger damit haushaltend als Daedelus, fügt er mit seinen raffinierten Verbindungen aus Jazz, Blues, Drum & Bass, Deep House, Breakbeat und Hip Hop der nicht enden wollenden Flut an qualitativ hochwertigen Veröffentlichungen von der Insel im Bereich Electronica ein weiteres Puzzlestück hinzu.

Mit Alice Russell und Andreya Triana, deren Debütalbum ich nach "Hold On" noch sehnlicher erwarte als zuvor, sorgen eine bereits etablierte sowie eine aufstrebende Diva für den nötigen Schuss Soul. Der Ausdruck und die Attitüde, mit der Triana wirklich jedes Instrumental erotisiert, lässt mich auch dieses Mal sprachlos zurück. Ihre Stimme vor einem einfachen Trompetensample und einem dunkel gehaltenen Beat, dahin gekleckerte, fast gestotterte Verse, um im Refrain den Weg zurück zum klaren Gesang zu finden – und wie ich verfallen bin.

"Music Takes Me Up" wird seinem Namen mehr als nur gerecht. Dichter als "Hold On" und mit einem Pianoloop ausgestattet, wirft die großartige Miss Russell einmal mehr die Frage auf, warum ihr Name im Zusammenhang mit modernem Soul nicht ebenso häufig fällt wie die der Kolleginnen Amy Winehouse oder Lauryn Hill. Wahrscheinlich gibt es zu wenige Nachrichten über Zickenkrieg und Drogenmissbrauch um ihre Person.

"Nice Up The Function" mit Roots Manuva schlägt die Brücke zwischen "Run Come Save Me" und "Slime & Reason" – es würde perfekt auf beide Platten passen. Lauwarme Erinnerungen an "Witness (One Hope)" werden wach, während "Kick Up Ya Foot" noch fest im Hinterkopf verankert ist. Gewohnt souverän und unverkennbar fließen die Zeilen Manuvas über den holprigen, stolpernden Beat.

Geschlagene zweieinhalb Minuten braucht "Whiplash", um sich von der wilden, doch nie übertriebenen und ausufernden Aneinanderreihung von Breaks zu lösen und in ruhigeres Fahrwasser abzudriften. Vergebens, bereits eine Minute später geht der Sturm von vorne los. Breakbeat in Reinkultur.

"Get On Down" hingegen verfolgt andere Ziele: "Gonna make it funky funky funky", verspricht ein Vocalsample. Gesagt, getan, verbunden mit housigen Synthies, die den Weg zu den Titeln der ersten Singleauskopplung ebnen. Bei "Give Up To Get" wabert der Bass noch Broken Beat-mäßig vor sich hin, während "Kalimba" zunächst karibischen Flair versprüht, um später in Violinen zu münden.

Es sind die kleinen Spielereien und Wendungen, die beinahe jeder Titel nimmt und die das Album völlig unberechenbar machen. 13 Stücke und 67 Minuten ohne auch nur den Hauch eines Fülltitels oder gar Ausfalles. Alles andere als die Höchstwertung für dieses Meisterwerk wäre ein fataler Irrtum.

Trackliste

  1. 1. Test The Sound
  2. 2. Music Takes Me Up (mit Alice Russell)
  3. 3. Donkey Ride With Quantic
  4. 4. Hairy Bumpercress
  5. 5. Whiplash
  6. 6. Nice Up The Function (mit Roots Manuva)
  7. 7. Bang The Floor (mit Danny Breaks)
  8. 8. Get On Down
  9. 9. Hold On (mit Andreya Triana)
  10. 10. Give Up To Get
  11. 11. Kalimba
  12. 12. This Way (mit Pete Simpson)
  13. 13. Stockport Carnival

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1 Kommentar

  • Vor 16 Jahren

    haste rescht..is subbaaaaaa!!!! aber fatal, hab heut im h&m den ersten titel des albums gehört, vielleicht wirds ja doch n verkaufsschlager, radioeins wird dafür sorgen, die haben s letztens auch vorgestellt, mit höchtwertung!!

    aber bisher sind ja fast nur tolle sachen von ninja tunes erschienen, da reiht sich mr. scruff perfekt in die riege meiner lieblinge ein!!