laut.de-Kritik
Schrammeln nach Zahlen. Jesses!
Review von Gil BielerFür Mushroomhead stehen die Zeichen so gut wie lange nicht mehr, ein Volltreffer-Album zu landen: Erstmals seit dem 2003er-Album "XIII" ist Jason 'J. Mann' Popson wieder mit an Bord, womit neuerdings gleich drei Vokalisten um das Mikro rangeln. Summa summarum ergibt das neun Köpfe, aus denen die Band Kreativität abzapfen kann. Um so stärker erschreckt, wie oft den Songs eine zündende Idee fehlt.
"The Righteous & The Butterfly" klingt über weite Strecken nach altbekanntem Nu Metal, eingespielt nach Checkliste statt mit Feuer. Als wäre ein Anwaltkollektiv am Werk gewesen statt eine Combo aus evil Maskenträgern. Vielleicht folgt das ja zwangsläufig daraus, dass sich neun Musiker einigen müssen – wobei die an Gitarre, Bass und Perkussionskit neu mit dabei sind. Der kleinste gemeinsame Nenner, eben.
Um fair zu bleiben: Es liegt nicht alles im Argen. "Our Apologies" etwa ist ein Opener nach Mass, in dem sich gebrüllter und klarer Gesang stimmig ergänzen. Schlagzeuger Skinny schiebt den Song mit Doublebass-Attacken zügig voran, und auch Gitarrist Tommy 'Church' Church legt sich mit Geschredder ins Zeug. Selbst die Elektro-Spielereien sitzen. Knackig, druckvoll, gut – geht doch!
Auf die Habenseite gehört sicherlich auch "How Many Times". Nicht zuletzt dank sphärischer Passagen vermittelt der Song eine schön beklemmende Stimmung. Das funky angehauchte "We Are The Truth" gefällt ebenfalls, sticht mit weiblichem Gastgesang und amtlichem Groove positiv heraus.
Ansonsten praktizieren Mushroomhead aber gerade in den heavy Nummern Schrammeln nach Zahlen. Beginnend bei "Devils Be Damned": Kläffende Vocals? Dumpfe Stakkato-Gitarren? Sample-Einsprengsel hier und da? Im Refrain dann mehr Melodie und Klargesang? Alles dabei. Nicht verkehrt, aber halt gänzlich absehbar.
Auch das ähnlich gestrickte "This Cold Reign" macht mit flottem Riffing und Drums in den Strophen und melodiöserem, langsamerem Refrain nichts falsch. Jedoch verpasst es jeder der Neun, einen originellen Dreh in die Nummer einzubringen. Hängen bleibt von solchen Songs nix.
Ist man erst einmal bei "Worlds Collide" angelangt, mag man gerne in die (natürlich gesungenen) Refrainzeilen einstimmen: "Like ancient history we spend our time in misery for you." Altbekanntes wird hier reichlich aufgetischt. Das reicht nicht, um die anno 2014 taumelnden Dauerkonkurrenten aus Iowa umzuhauen.
Immerhin haben Mushroomhead noch ein paar Songs anderer Klangfarbe eingestreut: Zum Beispiel "Qwerty", benannt nach der Buchstabenanordnung auf einer amerikanischen Tastatur. Das Ding ist Rap-Metal übelster Sorte. Synthiegedudel soll eine unheimliche Zirkusatmosphäre vorgaukeln, beliebige Power Chords treffen auf betont fiese Aggro-Raps à la "I'm here to say fuck you, I had a bad day." Das hat die Insane Clown Posse schon Dutzende Male besser vorgemacht, sogar mit mehr Irrwitz, Drive und, ja, sogar gelungeneren Riffs. Und die sind ein Hip-Hop-Duo.
"Portraits Of The Poor" ist eine Powerballade – und hört sich genau so an: Synthie-Streicher, Piano-Geklimper, langgezogene Riffs, die dem Refrain mehr Bombast verleihen. Textlich muss es natürlich etwas Tiefgründiges sein, in diesem Fall das Thema Armut. Die Zeilen "Finger painted pictures of this bad existence" und "You can never call me poor" bleiben hängen. Nicht zu vergessen der Sample von eisig heulendem Wind, der den Schlusspunkt bildet. Wird wohl fürs US-Radio gedacht sein, aber trotzdem: Jesses!
Die treuen Fans werden der Band all diese Mittelprächtigkeiten verzeihen, und all den anderen wollen es Mushroomhead mit Album Nummer acht wohl gar nicht recht machen. Sonst hätten sie nicht für all die Steilvorlagen gesorgt: Das Adele-Cover zum Schluss der Platte erkundet mit nervtötenden Flopstep-Einschüben schlimme Gefilde, in die sich nicht einmal Korn zu ihren dunkelsten Zeiten vorgewagt haben. Auf dem Piano-dominierten "For Your Pleasure" musiziert der Neuner astrein aneinander vorbei. Immerhin: Wie Keyboarder Schmotz im Refrain trotzig gegen die Doublebass anklimpert, hat etwas unfreiwillig Komisches. Spaß macht das Zuhören dennoch nicht.
1 Kommentar
Hab mir das Album geholt, hört sich für meinen Geschmack zu lasch an, es fehlt das gewisse Etwas und außer "Qwerty" ist da kein Song drauf der mir wirklich gut gefällt.
Ich schätze mal das können die besser und härter ;D