laut.de-Kritik
Rappe so, als würde keiner dir zuhören!
Review von Yannik GölzEs hat auf dieser Seite mehr oder weniger Tradition, dass ich ein oder zwei Mal im Jahr mit irgendeiner absurden Kacke von Soundcloud ankomme. Die Stamm-Lauties schreiben dann einmal freudig "ungehört 1/5" drunter, aber die Geschichte gibt mir meistens recht. Nicht immer, aber ich würde schon sagen, oft. Irgendwie empfinde ich eine Chronistenpflicht und will abbilden, was an den Außenringen der Trichterstadt des Amirap-Mainstreams so passiert.
Trotz alledem glaube ich, dass ich euch Nettspend hätte ersparen können. Also, grundlegend: Da gibt es diesen weißen Teenager, der das hübsche Gesicht für die Schnittstelle verschiedener Late-Soundcloud-Trends hergibt. Nein, nicht Ian, ich rede von Nettspend. Es ist schon gar nicht so einfach, den zu verorten: Einmal wäre der nächste Anschlusspunkt offensichtlich Playboi Cartis Rage-Subgenre; er gehört nicht zu Opium, sondern eher vage in den Dunstkreis von Rappern wie OsamaSon (mit dem er sich anscheinend gerade streitet), KanKan oder Summrs. Gleichzeitig finden sich definitiv Anleihen zu aktuellen Rap-Subgenres wie Jerk (siehe Xaviersobased), PluggnB oder gar Digicore. Auf anderer Seite kommt Surfgang-Mastermind Evilgiane für einen Beat vorbei. Er selbst beanstandet, der Future der Gen Z zu sein.
Wenn der letzte halbe Abschnitt für euch jetzt nur komplettes Gibberish war, grämt euch nicht. Im Grunde haben wir es nur mit einer Sortierung von verschiedenen Labels für dekonstruierte Trap-Musik der 2020er zu tun, von denen jedes einzelne Genre mehr oder weniger klingt, als wäre die 808 in einen Mixer gefallen, während ein Zwölfjähriger mit ADHS aus einer Palette an abstürzenden Gameboy-Geräuschen ein großes Pollock-Gemälde des generationsbefallenden Brainrots zeichnet. Oder einfacher: Trap ist nicht mehr fürs Abstürzen auf Downer da, sondern für Upper und Moshpits, und alle modernen Beats gehen Bip-Bip-Ba-Bip-Ba-Bup wie Sau.
Das alles sagt jetzt natürlich nicht viel über Nettspend selbst und seine Fähigkeit als Performer und Rapper. Das ist schnell umrissen, denn er kann's nicht. Also wirklich überhaupt nicht. Gegen ihn wirkt Ken Carson wie Black Thought, aber das ist natürlich auch überhaupt nicht Sinn der Übung. Der Kerl ist da, um wohlstandsverwahrloste Teenage-Rebellions-Plattitüden und Aufwachs-Weltschmerz so abzuliefern, wie jemand es tun würde, der weiß, dass es eh hinter den zehn Schichten Autotune untergeht. Vergiss "tanze, als würde keiner zusehen", hier ist "rappe, als würde keiner zuhören".
Wenn das Phänomen Nettspend also für etwas da ist, dann weniger, um auf ihn aufmerksam zu machen, als auf seinen Producer, für den "Bad Ass F*cking Kid" definitiv ein Star-machender Moment ist. Sein Name ist Ok, also, wirklich, einfach nur Ok, nicht zu verwechseln mit Rok, der ebenfalls an diesem Album arbeitet. Aber es ist Ok, der die tatsächlich immer wieder extrem interessante Brücke zwischen modernem Rap-Untergrund als extremer Nische und als Popmusik austariert. Das Ding ist ja: AyooLi, Xaviersobased oder die Fax Gang werden alsbald nicht einmal in den Dunstkreis des Rap-Mainstreams wandern.
Aber die Sounds auf diesem Album sind wirklich teils inspiriert, gerade der Mittelteil: "A$AP" hat den typischen Rage-Bass, den er dann aber gegen "Icedancer"-Ära Bladee-Echos und eine extrem krass texturierte Piano-Line spielt. Das Ergebnis lässt sich extrem gut hören. Das steht dann gegen so manchen komplett kaputten Moment: "Skipping Class" samplet "Genesis" von Grimes und lässt deren ikonisch-taumeligen Vocals in einem Sumpf an Nexus-Synth-Presets untergehen. Und dann sind da noch Monstrositäten wie "Shut Up" oder das besonders diabolische "Laughin". Keine Ahnung, welche Drogen Räusche produzieren, die so klingen, aber ich würde sie meiden. Fette Trigger Warning an alle, die zu leichter Migräne neigen.
Jetzt, wo das alles gesagt ist: Irgendwie mag ich das Album. Nettspend ist ein absolut unessentieller Charakter, man würde meinen, er wäre jetzt so etwas wie Post Malone für melodischen Trap: Ein unbedrohlicher Weißer, der die Früchte schwarzer Kreativität in den Mainstream reiten darf. Ich würde es auch nicht ausschließen, dass der irgendwann demnächst den einen oder anderen Hit landet. Aber Stand jetzt beeindruckt mich an "Bad Ass F*cking Kid" vor allem, dass es als Tape kein bisschen glatt klingt und sich kein bisschen anbiedert.
Vielleicht liegt das daran, dass Nettspend sich einfach handwerklich nicht anbiedern kann, selbst wenn er wollte - aber von vorne bis hinten haben wir hier ein Tape, dass den eigenen Untergrund-Strömungen vehement treu bleibt und von ein paar klaren, sehr hörbaren Momenten wie "A$AP, "Tyla" oder "Beach Leak" in komplett verrückte, destruktive und unangenehm klingende Untiefen vorragt. Das Ding ist aggressiv geschmacklos (guckt euch nur dieses ulkige Cover an) und stolz drauf. Das immerhin würde ich Soundcloud-Rap noch immer als Stärke anrechnen.
1 Kommentar
Sieht nicht so aus als ob es genuin slappt, ungehört 1/5