laut.de-Kritik
Songs von Cave, Bowie oder Calvi tragen die Dramaturgie des Serien-Hits.
Review von Toni HennigDas seit 2013 produzierte historische Familien-Epos "Peaky Blinders", das sich um eine von 'Tommy' Shelby angeführte Bande in Birmingham kurz nach dem ersten Weltkrieg dreht, die mit Schwarzmarkthandel, Pferderennen und illegalen Wetten ihren Familien Macht verschaffen wollen, avancierte in den letzten Jahren zum Serien-Hit. Nicht ganz unschuldig daran waren die grandiosen Songs, die man in den einzelnen Folgen hörte. Nun erscheint der erste offizielle Soundtrack zur Serie auf zwei CDs und drei LPs sowie als Download.
Dabei bildet Nick Caves "Red Right Hand" von seinem 1994er-Juwel "Let Love In" das Titelstück. Mit seiner westernartigen Ausrichtung steht es stellvertretend für die Stimmung des Familien-Epos'. Ein etwas sparsameres, aber nicht weniger eindringliches Piano-Cover vernimmt man dann später von seiner Ex-Partnerin, der Alternative-Rock-Tausendsasserin PJ Harvey. Das teilte sie erst vor Kurzem mit der Öffentlichkeit.
Beide sind mit mehreren Tracks auf dem Soundtrack vertreten, der die musikalischen Highlights der ersten fünf Staffeln größtenteils chronologisch bündelt, so dass sich die Dramaturgie der einzelnen Folgen, die sich oftmals in heftigen Kampfszenen in der Tradition Quentin Tarantinos entlädt, musikalisch sehr gut nachverfolgen lässt. Vor allem die intime Live-Version von "The Mercy Seat", die Cave am Klavier mit klagender und schmerzhafter Stimme darbietet, und das knorrige Titelstück von PJ Harveys "To Bring You My Love" könnten zeitloser und intensiver kaum sein.
Zwischendrin sorgen kurze Dialogpassagen und minimalistisch mit viel Klavier und ein wenig Gitarre und Streichern getragene Instrumentaltracks unterschiedlicher Komponisten dafür, dass der Soundtrack wie aus einem Guss klingt. Der bietet insgesamt einen sehr guten Überblick über den Post-Punk, Alternative- und Blues-Rock der mittleren Neunziger bis heute, hier und da konstrastriert von filigranen Folk- und atmosphärische Wave- und Art Pop-Momenten.
Die erste Staffel bekam durch erdige Bluesrock-Songs von The White Stripes oder Dan Auerbach ihren besonderen Stempel verliehen. Leider kam mit Jack Whites Version von U2s "Love Is Blindness" eine richtige Grätsche zum Einsatz, hat sich der US-Amerikaner doch zu sehr an bonoesken Manierismen orientiert, so dass es beim Hören schon beinahe etwas peinlich und aufgesetzt wirkt. Dabei hatte einst Cassandra Wilson auf ihrem Meilenstein "New Moon Daughter" mit ihrer warmen, gefassten Stimme bewiesen, dass man diesem Stück auch etwas völlig Eigenes abringen konnte. Hätte sich White mal am besten diese Neuinterpretation zum Vorbild genommen, statt sich krampfhaft ans Original zu klammern.
Das markiert jedoch letzten Endes Meckern auf hohem Niveau, handelte es sich bei vielen Songs, die in der Serie Verwendung fanden, zu Recht um Klassiker. Ein paar wenige Nummern wie "Do I Wanna Know?" von den Arctic Monkeys oder "Burn The Witch" von den Queens Of The Stone Age haben über die Jahre etwas Staub angesetzt, was aber auch daran lag, dass man ihnen in der Vergangenheit zu oft auf diversen Indie-Stationen begegnete.
Weiterhin lohnen die ruhigen folkigen Nummern auf jeden Fall, die ab der zweiten Staffel allmählich Einzug ins Familien-Epos hielten. Wenn die Stimme Laura Marlings in "What He Wrote" nebst sanften Akustikgitarrentönen und Geisterchören erklingt, schmilzt man nur so dahin. Laura entfaltet jedenfalls mit nur wenigen Mitteln eine umso größere Emotionalität und Tiefe. Wer also bis jetzt noch nie etwas von dieser Frau gehört hat: Unbedingt in ihre Platten reinhören.
Zu den rockigen Stücken gesellte sich dann ab der dritten Staffel etwas Art-Pop dazu. Die fünfte Folge hätte musikalisch wohl kaum grandioser beginnen können als mit "Lazarus" von David Bowie, der selbst ein großer Fan der Serie war.
Das hatte kurz vor seinem Tode vor fast vier Jahren mit der Zeile "Look up here, I'm in heaven" schon etwas ziemlich Endgültiges. Die wird von rauen Gitarren-Klängen Ben Monders, federndem Bass Tim Lefebvres und bedächtigen Drum-Schlägen Mark Guilianas getragen, alles Musiker aus dem Jazz. Danach schreitet die Nummer langsamen Schrittes einem dramatischen gesanglichen Klimax entgegen: "Oh, I'll be free / Just like that bluebird." Dem schließt sich ein expressives Saxofonsolo Donny McCaslins an, bis sie sachte abklingt. Wer da keine Gänsehaut bekommt, dürfte schon längst klinisch tot sein.
Ab der vierten Staffel kamen schließlich nach und nach postpunkigere Töne dazu. Immer wieder ein Hörgenuss: Das von einer schwer greifbaren, beklemmenden Spannung lebende, auf- und ab ebbende "Adore" von Savages. Deren Sängerin Jenny Beth wartet später noch mit "I'm The Man" mit einem exklusiven Track auf, der allerdings mit seiner elektronischeren Ausrichtung und dem zu spröde geratenen Refrain bei Weitem nicht so fesselt.
Dazwischen darf es mit Frank Carter & The Rattlesnakes' "Devil Inside Me" auch mal lauter Rüpel-Rock und mit Black Sabbaths "The Wizard" dreckiger Blues mit übermäßigem Mundharmonika-Einsatz sein. Aber der Grundton fällt zunehmend düsterer aus, wie "Pyramid Song" von Radiohead und "Atmosphere" von Joy Division eindrucksvoll untermauern, die in ihrer nebligen Benommenheit bis heute nichts an Magie verloren haben.
Als wahrer Glücksgriff erweist sich zudem Anna Calvi, die für die fünfte Staffel den kompletten Score komponierte. Von dem stammt "You're Not God", das mit der tiefen Gitarre und dem nervenaufreibenden Hecheln der Britin wie eine elegante Mischung aus der Sprödigkeit PJ Harveys in den mittleren Neunzigern und den Western-Momenten Nick Caves klingt. Gegen Ende bittet "Never Fight A Man With A Perm" von den Postpunk-Senkrechtstartern Idles noch einmal zum wütenden Raufgelage, bevor die bislang noch nie auf einem offiziellen Tonträger veröffentlichte Coverversion Richard Hawleys von Bob Dylans "Ballad Of A Thin Man" den Hörer mit staubigen, markanten Blues- und Singer/Songwriter-Klängen entlässt.
Letzten Endes begeistert "Peaky Blinders" nicht nur als musikalischer Querschnitt durch mehrere Musikjahrzehnte, der Altes und Neues schlüssig zusammenführt, sondern dient auch als guter Anlass, sich die Serie einmal zu Gemüte zu führen, wenn man es noch nicht getan hat und falls doch, sich noch mehr in ihre Stimmung und Dramaturgie zu vertiefen.
3 Kommentare mit einer Antwort
Grandiose Serie, grandioser Soundtrack. Der erste, den ich mir ernsthaft überlege auf CD zuzulegen.
der twin peaks soundtrack ist ganz nice. und der queen of the damned OST eigentlich auch. wobei ich beide jetzt nid vergleichen würde...
ay die tracklist liest sich wie ein gourmet-menü, wird angehört!!
Das nenn ich Perfektion!!!!