laut.de-Kritik
Die Nordlichter strotzen nur so vor musikalischer Kraft.
Review von Ulf KubankePanik gehören altersmäßig zur selben Generation junger deutscher Teenie-Bands à la Tokio Hotel oder Cinema Bizarre. Unter dem vorherigen Bandnamen Nevada Tan haben die sechs Jungs aus Neumünster dennoch bereits ein beachtliches Auf und Ab im Showbiz erlebt.
Raabs Bundesvision Songcontest, Charterfolge und Echonominierung einerseits; aber auch rechtliche Streitigkeiten mit dem ehemaligen Management (deshalb der Namenswechsel), Häme, Spott und der Stempel zur BRAVO-Kapelle waren ihre Wegbegleiter. In gewisser Hinsicht darf man das aktuelle Album "Panik" deshalb durchaus als legitimes Debüt bezeichnen; ein Tonträger, auf dem die Nordlichter erstmals zu 100% sie selbst sind.
Stilistisch kann man das Sextett schnell als deutsch singende Numetal-Combo mit kräftigem Linkin Park-Einschlag einordnen. Klingt als Schublade langweilig? Weit gefehlt! Panik strotzen nur so vor musikalischer Kraft. Wie befreit komplettieren und befruchten sie das eigentlich ausgelutschte Genre mit ganz frischen Songideen.
Handwerklich sind die Schleswig-Holsteiner vollkommen unangreifbar und damit eine Ausnahme zu den meisten Trendbands obig genannter Sorte. Frank Ziegler ist ein guter Frontman, der lebhaft shoutet und kraftvoll singt.
Die Raps von Timo Sonnenschein - dem Hauptverantwortlichen für die Lyrics - fügen sich harmonisch und perfekt aufeinander abgestimmt ein. Keyboarder David Lauden Bonk ist ein geschulter Klassikpianist, der dem Gebräu ein paar gehörige Tupfer entsprechender Elemente zusetzt, die stets songdienlich dramatisch und nie abgeschmackt trendy aus den Boxen tropfen. Variable Gitarren und schicke Elektro-Schnipsel machen das Puzzle komplett.
Das Gros der Songs lässt sich grob gesagt in zwei Kategorien unterteilen. Da gibt es die zornerfüllten, rotzig aggressiven Bestandsaufnahmen des Zustands unserer Gesellschaft wie z.B. das mitreißende "Perfekt" oder das majestätische "Kinder, Ist Es Nicht Krank?" und die präzise formulierten emotionalen Dramen, wie "Morgencafé". Man merkt den jungen Musikern ihre Wut über die Zeiten, in denen wir leben, deutlich an.
Oberflächlich, egozentrisches Popstartum ist ihnen völlig fremd. "Perfekte Welt unter einer Kuppel aus Licht. Perfekt heißt bequem. Mehr wollen wir nicht!", kotzt Ziegler dem Publikum sarkastisch in "Wir Geben's Zu" vor die Füße. Zeilen wie "Ich schmeiß Steine auf dein Fenster und Du Felsen auf mein Haus. Das ist Krieg, doch das ist unser Krieg. Und Du bist das, was ich brauch!" zeigen ebenso authentisch Beziehungsnöte. Da wissen die Jungs wohl aus eigener Erfahrung, wovon sie schreien. Solch selbstreflektive Ehrlichkeit ist ganze Sonnensysteme entfernt von kalkuliertem Herz-Schmerz-Gestammel aus der Mottenkiste seelenloser Pop-Produkte.
"Keiner Merkt Es" ist ein Lehrstück tiefschwarzen, fast gothischen Rocks. Hypnotisch saugt die Melodie den Hörer in den besungenen Untergangsstrudel, ohne jedes Sprachverbrechen oder die weit verbreitete selbstmitleidige Weinerlichkeit vieler Kollegen. Mit dem letzten Track "San Diego" zeigen Panik ihr humorvolles Naturell. Dermaßen lässig stompigen Rock würden auch Bela B oder Jack Blacks Tenacious D nicht von der songwriterischen Bettkante werfen.
Es macht sehr viel Spaß zu verfolgen, wie eine junge Band sich von der dunklen Seite der Medienlandschaft befreit und in leidenschaftlichem Seelenstriptease eigene Gefühle raushaut, die sich nicht in banalen Haargel- und Fashionfragen erschöpfen. Wenn sie zusammen bleiben und auf diesem Weg weiter gehen, wird das Talent irgendwann zwangsläufig jede Genregrenze sprengen; sich selbst genug sein. Einstweilen darf man bereits heute fragen: Wer braucht noch den beschaulichen Linkin Park, wenn man schon längst in Panik ist?
58 Kommentare
bei mir wird keine wertung angezeigt
@Schnuppu09 (« bei mir wird keine wertung angezeigt »):
4/5
selbstreflexiv?
Ich finds peinlich
Ich finde du bist ein ARSCHLOCH
bisschen spät, oder