laut.de-Kritik
Scheinwerfer an: Musik für die Arenatour.
Review von Manuel BergerDas 2020 veröffentlichte Live-Best Of-Album "Viva The Underdogs" manifestierte (trotz des Außenseiter-Titels), was spätestens seit der vorangehenden Tour klar war: Parkway Drive sind inzwischen eine massentaugliche Arenaband. Daraus machen sie auf "Darker Still" keinen Hehl mehr. Entsprechende Zitate legen sogar nahe, dass die Australier ihr 'Black Album' vorlegen wollen. Spoiler: Das gelingt nicht. Parkway Drive erfinden weder sich, geschweige denn die Heavy Music-Scene neu, noch werden sie mit diesem Werk irgendwelche Maßstäbe setzen.
Was dagegen ganz hervorragend gelingt, sind Songs für die große Bühne. Nach dem kurzen, introvertierten Glockenspielintro werden bei "Ground Zero" Scheinwerfer den Publikumsraum fluten, Hände tausendfach nach oben schnellen und Fans aus voller Kehle "Explode!" brüllen, sich dann kurz glücklich angrinsen und losspringen. Versprochen.
Der Albumopener ist kein außergewöhnliches Stück Musik, aber es erfüllt zu hundert Prozent den Zweck, für den es offensichtlich geschrieben wurde. Klar strukturiert, dynamisch und ohne Sperenzchen arrangiert lädt der Song ein zum Mitmachen, Mitmoshen, Mitsingen. Es gibt einen überdimensionalen Refrain, kurze Verschnaufpausen in den Strophen, "Oh-Oh"-Chöre und einen C-Teil zum Freidrehen. Diese MMM-Formel zieht sich durch nahezu das gesamte Album. In den effektiv angelegten Kompositionen gehen die Gitarrenleads sofort ins Ohr und die Vocal-Hooks mutieren zu kraftvollen Chören. Keine Frage, "Darker Still" ist gut gemacht.
Die im Bewusstsein ihrer Entertainer-Qualitäten selbstsicher geschwellte Brust der Band hat aber auch ihre Kehrseite. Immer wieder übernehmen sich Parkway Drive in der großen Geste. Wenn Winston McCall seine Verse in "From The Heart Of The Darkness" dramatisch überbetont und bei "Glitch" und anderen Nummern in Nu-Metal-artigen Sprechgesang verfällt (was live sicher ebenfalls hervorragend zündet), schämt man sich beim Hören eher fremd als ehrfürchtig zu erstarren. Oft wirken diese Parts zu gewollt bis sogar cringey. Mit cleaner Stimme fehlt dem gerade 40 Jahre alt gewordenen Ausnahmefronter weiterhin das commanding Element, das ihn als Shouter auszeichnet. Die intendierte, zumeist Spannung aufbauende Wirkung regelmäßig verpufft – zumindest auf Platte.
Schwierig gestalten sich außerdem einige gut gemeinte, aber eher zum Abklatsch verkommende Zitate. Rammstein nachzuahmen zum Beispiel geht selten gut, folgerichtig fallen auch Parkway Drive mit ihren "Ich Will"-Referenzen in "Land Of The Lost" auf die Schnauze. Beim Titeltrack "Darker Still" orientieren sie sich in Aufbau, Songwriting und Gesang offensichtlich an Metallicas "One", übernehmen fürs Solo ein Stück aus "Nothing Else Matters" und stehen am Ende mit einer halbgaren, uneigenständigen Powerballade da (inklusive Streicher, klar), die nicht mal ansatzweise an die Vorbilder heranreicht.
Umgekehrt gilt aber auch: Sobald Parkway Drive zum Breakdown ansetzen, und McCall das gesamte Volumen seiner Stimme entlädt, ziehen sie einen wieder auf ihre Seite. Wenige Acts schaffen das mit ähnlicher Macht – auch weil Parkway Drive ihre Songhöhepunkte eben jetzt in Stadiondimension explodieren lassen. Selbst nach dem völlig misslungenen, weil zu unterkomplex gedachten und entsprechend lahm arrangierten Chorpart in "The Greatest Fear" versöhnen sie zumindest ein bisschen damit, dass McCall im Anschluss alles in Grund in Boden brüllt.
Wesentlichen Anteil am Gelingen solcher Kraftakte hat auch Ben Gordons druckvoller Schlagzeugsound – einen besseren habe ich lange nicht mehr gehört. Für die Produktion zeichneten wie schon bei den vorhergehenden Alben George und Dean Hadji-Christou verantwortlich. Aufgrund der Covid-Pandemie kamen die beiden diesmal allerdings monatelang nach Australien, statt wie sonst zuhause in Kanada aufzunehmen.
Seinen stärksten Moment hat "Darker Still" im mittig platzierten Doppel "If A God Can Bleed"/"Soul Bleach". Ausgerechnet die beiden gegensätzlichsten Tracks der Platte konfrontieren Parkway Drive direkt miteinander und verbinden sie sogar textlich. "If A God Can Bleed" ist ein aufwendig produziertes Studiostück, behäbig stampfender Industrial zwischen Rob Zombie, Nick Cave und Nine Inch Nails, mit Talkbox-Gitarre, programmierten Drums und gepannten Vocals. Die letzte Liedzeile lässt McCall unvollendet im Raum hängen ... um sie dann mit brutaler Wucht in "Soul Bleach" abzuschließen. Näher an alte Parkway Drive als mit diesem voll auf die Zwölf gedroschenen Metalcore-Brecher kommt man anno 2022 wohl nicht mehr. Den "Kill! Kill! Kill!"-Refrain hätten sie zwar etwas weniger plakativ bauen können, aber hey.
Ob "Darker Still" überzeugt, hängt letztlich am Hörer. Lässt man sich auf die Arena-Vibes ein oder schaut auf die Produktionswerte, kann man mit dem Album viel Spaß haben, zumal die Hooks mit zunehmender Drehzahl eher noch mehr als weniger knallen. Erwartet man ein für die Band bahnbrechendes, musikalisch wertvolles Werk, lässt man besser die Finger davon. Denn "Darker Still" schafft es nichtm al innerhalb der Parkway-Diskografie auf einen besonders hohen Rang.
6 Kommentare mit 2 Antworten
Ich finde das Album echt cool: Liegt wahrscheinlich daran dass ich erst seit IRE wirklich Fan bin und Reverence für mich einfach nur genial ist. Klar ist das jetzt weder innovativ oder irgendwie anspruchsvoll. Aber die Songs machen einfach riesigen Spaß und unterhalten extrem gut. Ich für meinen Teil freue mich auf das Konzert in Wien - Wacken 2019 war einfach nur der Hammer!
Die Jungs sind supernett und live auch wirklich sehenswert, aber ich bin da seit Reverence raus. Mir fehlt der Groove, die Härte und der Speed, irgendwie all das Spezielle, das Parkway Drive mal ausgemacht hat. IRE ging ja noch, aber die beiden neuen Scheiben sind nicht mehr mein Stil und gehen komplett an mir vorbei. Aber, wenn es wem gefällt, bitte. Ich wünsche den Jungs auf jeden Fall viel Erfolg und nur das Beste. Die alten Scheiben gibt's ja noch und außerdem haben Stick to your Guns und Bullet for my Valentine mit ihrer letzten Scheibe gut abgeliefert und füllen so die Lücke.
Man merkt deutlich, dass sie halt am Reißbrett Songs für die Wacken Main Stage schreiben und irgendwie keinen Bock mehr auf das ganze Metalcoreding haben. Sollen sie sich doch einfach auflösen, anstatt an an ihrem eigenen Vermächtnis zu kratzen.
Dieser Kommentar wurde vor 8 Monaten durch den Autor entfernt.
Verstehe schon was du sagen willst, aber innerhalb des Genres waren sie schon zeitweise eine der größten Bands.
"If A God Can Bleed" ist das Peinlichste, was die Band je produziert hat. Die Lyrics und die überzogen-aufgesetzte Performance von Winston sind absolut zum Fremdschämen. little piggeh!
Solide nichtssagende Musik. Die haben auch schon mehr abgeliefert
Insgesamt ein sehr schwaches Album für mich. Glitch und Soul Bleach ballern. Ansonsten viele Reißbrett-Songs. Die Songs sind hervorragend produziert, lösen in mir aber rein gar nichts aus. Der Titeltrack ist hingegen musikalisch ziemlich peinlich: vorhersehbar und langweilig, als wäre der Track schon 30 Jahre alt. Ein bisschen als würde Marty Fischer ein Video mit dem Titel „Wie gehen eigentlich Scorpions?“ machen