laut.de-Kritik
Musik für harmoniesüchtige Teilzeitromantiker.
Review von Manuel BergerDas kam doch einigermaßen unerwartet: Zum Ende seiner "Young As The Morning, Old As The Sea"-Tour verkündete Mike Rosenberg aka Passenger auf unbestimmte Zeit seinen Rückzug aus der musikalischen Öffentlichkeit. Ob sich das nur auf Liveshows bezieht oder auch seine Studioaktivitäten betrifft, weiß niemand. So könnte dieses neunte Album als Trostpflaster für eine längere Durststrecke im sonst so regelmäßigen Release-Kalender fungieren.
Der Fan bekommt, was er erwartet. Für große Experimente war Rosenberg noch nie bekannt, dafür aber für seinen zugleich unscheinbaren, bei genauem Hinhören trotzdem unverkennbaren Gitarrenstil. Darauf konzentriert er sich nun wieder, nachdem er auf "Young As The Morning, Old As The Sea" und auch "Whispers" bisweilen auf größere Arrangements setzte. Zwar trägt der Opener "Simple Song" noch relativ viele Gimmicks in sich, die leise Geige, ein ruhiger Schlagzeug-Beat, Banjo und sogar eine Orgel fungieren jedoch nur als Borte für das im Zentrum stehende Zupf-Pattern und Rosenbergs Stimme. Erinnert zwar an den Song "Heart's On Fire", zum Wohlfühlen aber genau das Richtige.
Wohlfühlen ist ohnehin die Devise für "The Boy Who Cried Wolf". Publikumsorientierte Songs wie "Scare Away The Dark" und "Anywhere" sucht man vergeblich. Wozu auch? Künftig wird man Passenger eben nicht mehr auf Konzerten erleben, sondern vor allem auf der Wohnzimmercouch oder beim entspannten Park-Spaziergang. Und da passen die reduzierten, vollkommen ohne große Gesten auskommenden Songs bestens hin. Teilzeitromantiker können den Text zu "And I Love Her" auswendig lernen und ihrer Liebsten vorzupfen ("I think that maybe she's the one that's gonna save me").
Textlich geht es allzu oft in seichte Gefilde, "Sweet Louise" hebt sich mit seinem Blues-Setting zwar instrumental etwas von den anderen Songs ab, erzählt dafür lyrisch mehr oder weniger die gleiche Story wie "And I Love Her". Passengers Storyteller-Fähigkeiten blitzen nur im Titelsong und "Setting Suns" richtig auf und in Ansätzen auch in "Walls", wo er emotionale Abschottung, gebrochenes Herz und Liebe recht clever miteinander in Verbindung setzt. Trotzdem schadet wohl eine kleine Pause nicht, um ein paar neue Geschichten zu sammeln.
So bringt Passenger "The Boy Who Cried Wolf" unspektakulär über die Laufzeit, fällt aber nie hinter gewisse Qualitätsstandards zurück. Und wenn zum Schluss das sehnsüchtige, teils im Duett vorgetragene Schlussdoppel "Thunder And Lightning"/"Lanterns" spielt und diese künstlertypische Balance zwischen Melancholie und Wärme perfekt einfängt, kann man sich innerer Harmonie nur noch schwer erwehren.
3 Kommentare
Tolle Review. Da ich Passenger zwar persönlich sehr gerne höre, würde ich subjektiv 4-5 Sterne geben, den Kritikpunkten stimme ich aber allen zu, und finde 3/5 aus Kritikersicht gerechtfertigt
ne Band von der mich irgendwie noch nie was packen konnte..
...und deren Sänger mich immer unangenehm an Menderes erinnert