laut.de-Kritik
Das Sommeralbum 2025 kommt im Winter.
Review von Ben SchiwekWer auch immer befahl, "Unclouded" im Dezember zu veröffentlichen, trifft zwar rätselhafte Entscheidungen, aber beschweren werde ich mich nicht. Denn selbst zu den aktuellen, unwirtlichen Temperaturen lässt das Album ein herrliches Sommergefühl aufleben. Das ist bei Melody's Echo Chamber natürlich nichts Neues. Ihre Musik hat schon immer 60s-Spirit und psychedelische Verträumtheit geatmet, die sich in zärtlicher Wärme äußert.
Auf "Unclouded" geht Melody Prochet das alles noch etwas simpler und direkter an, wie schon der Titel verrät: etwas "mit ungetrübten Augen" zu sehen entstammt einem Zitat des Ghibli-Regisseurs Hayao Miyazaki. Zwar ging es ihm damals um die vernebelnde Wirkung des Hasses und darum, wie man Gut und Böse definiert, aber Melody nutzt diese Formulierung, um generell über klarere Sicht aufs Leben zu sprechen. Weniger träumen, weniger in der Nostalgie hängen, sondern den gegenwärtigen Moment und die Vergänglichkeit zelebrieren.
An dieses Prinzip hält "Unclouded" sich – zumindest musikalisch – nur zum Teil. Verträumt klingt es nämlich immer noch, Erinnerungen an vergangene Dekaden kommen oft hoch. Aber ungetrübter ist es in seiner Einfachheit: prägnante, kurze Songs aus oft nur zwei Strophen und Refrains, eingängigen Melodien und sich wiederholenden Textzeilen. Die fünf- bis siebenminütigen Reisen, die manche Tracks auf vergangenen Alben veranstalteten, gibt es hier nicht. Poppiger ist das also, trotzdem wunderbar psychedelisch.
Es gibt nur eine Handvoll Momente, bei denen Melody es mit der Simplizität etwas übertreibt. "Flowers Turn Into Gold" fängt nett an, ist nach 90 Sekunden dann aber schon wieder vorbei, was sich unfertig anfühlt. Ähnliches gilt für den instrumentalen Titeltrack, der in seinen gerade mal zwei Minuten wenig zum Album hinzufügt. Und "Into Shadows" ist zwar sehr schön, aber in den Strophen lediglich "la-la-la" zu singen, wirkt etwas faul.
Ansonsten sind die 30 Minuten vollgepackt mit tollen Momenten, die nie länger als nötig verweilen und verschiedene Einflüsse balancieren. "Burning Man" klingt, als würde Radioheads King-of-Limbs-Ära auf einen verwunschenen Garten treffen: ein leicht verschachtelter Groove aus Drums und Gitarre kontrastiert märchenhafte Xylophone und Flöten. "Eyes Closed" ist ein etwas dreckigerer Psych-Rock-Song mit Sitar und grummeliger Bassline.
Insbesondere die Produktion und die Arrangements des Albums schmecken sehr gut: Den Psychedelic Pop unterfüttert Melody's Echo Chamber mit saulässigen Hip-Hop-Drumbeats; darüber tobt sich der Bass verspielt und groovy zugleich aus, während Gitarren sprießend aufploppen und Streicher dem Ganzen mehr Vintage-Flair geben. Dabei ist der Mix sauber aufgeräumt: Manche Instrumente bekommen im EQ ein so schmales und klar umgrenztes Frequenzspektrum, dass alles genau seinen Platz hat und klar hörbar ist. So klingt beispielsweise die Wahwah-Gitarre eher wie eine Orgel, und die Drums sind bewusst dünn gehalten, damit der Bass das Low-End kuschlig ausfüllen kann.
So simpel die Melodien und kurzen Songs hier auch wirken, so steckt doch einiges Ausgeklügeltes drin. "Childhood Dream" pendelt sanft umher, dabei handelt es sich um einen 5/8-Takt, was sich normalerweise eher unregelmäßig und ungewohnt anfühlt. Als der Song dann in der letzten Minute in die gängige 4/4-Taktart wechselt, wirkt das besonders erlösend und befreiend. Wiederum bleibt "The House That Doesn't Exist" mit einer simplen, Tame-Impala-esken Gesangsmelodie im Kopf, aber die eigentlichen Stars sind die Streicher: Die eine Streicherstimme ist langsam und getragen, während die andere kurz und abgehackt ist – ein Kontrast, der sich schön übereinanderlegt.
Erinnerungen an die frühen Tame Impala kommen auf "Unclouded" immer wieder auf – nicht verwunderlich, schließlich produzierte Kevin Parker damals noch Melodys Debütalbum. Während Herr Parker sich aber mittlerweile durch halbgaren Dance-Pop schleift, schafft Melody's Echo Chamber ein kompaktes Album, das in seiner bunten, blumigen Stimmung verzaubert.


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