laut.de-Biographie
Primal Scream
In Jim Beatties Schlafzimmer gründen der Zimmerbesitzer sowie Bobby Gillespie 1982 nach einer gemeinsamen Jamsession die Band Primal Scream. Nach The Jesus & Mary Chain sind die Schotten die zweite Combo auf Alan McGees Label, dem dank Oasis ruhmreichen Creation Records, das im Jahr 1999 aufgelöst wurde. Gillespie kennt McGee bereits seit Schulzeiten: Gemeinsam besuchen sie Ende der 70er Jahre ein Thin Lizzy-Konzert.
Bobby freundet sich mit den Labelkollegen Jesus & Mary Chain an und steigt kurzzeitig als Drummer auf einer Tour beider Bands ein. Das Angebot seiner Kumpels, künftig bei ihnen die Felle zu dreschen, lehnt er ab, da Jim und William Reid ihm gleichzeitig vorschreiben, Primal Scream aufzulösen. Gillespie will sich aber selbst als Songwriter verwirklichen. 1986 wird die Band erstmals über ein Feature auf dem NME-Sampler "C86" einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Im folgenden Jahr erscheint das Debüt "Sonic Flower Groove", eine von Indierock-Geschrammel dominierte Scheibe, die keinen großen Anklang findet. Aus Frust darüber verlässt Jim Beattie die Band. Die selbstbetitelte Platte von 1989 stellt dann eine rauere Gangart vor, angelehnt an die Rolling Stones, The Stooges und MC5, trifft allerdings auf ebenso wenig Gegenliebe wie der Vorgänger.
Zu dieser Zeit nimmt die Acid-House-Bewegung allmählich Fahrt auf und mit den Happy Mondays und den Stone Roses verchmelzen im britischen Underground Rock und Dancemusik. Davon völlig fasziniert gibt die Band dem befreundeten DJ Andrew Weatherall (einem der Two Lone Swordsmen) den Auftrag, den Track "I'm Losing More Than I'll Ever Have" vom zweiten Album zu remixen. Das Ergebnis ist ein völlig umgekrempeltes Stück, das unter dem neuen Titel "Loaded" von der jungen Szene begeistert aufgenommen wird.
Primal Scream, von der Indie-Szene seit langem massiv gelangweilt, legen ihren alten Sound ad acta, um Neuland zu betreten. Das dritte Studioalbum "Screamadelica", u.a. von Weatherall und The Orb produziert, bringt den Schotten den Durchbruch im Vereinigten Königreich. Zur Band gehören neben Gillespie die Gitarristen Andrew Innes und Robert Young sowie Keyboarder Martin Duffy, Bassist Henry Olsen und Drummer Phillip Tomanov. Der Psychedelic-Dancerock kommt bei Kritik und Hörerschaft gleichermaßen gut an und 1992 staubt die Band sogar den Mercury Music Prize der Industrie ab. Mit dem Erfolg kommen auch die Möglichkeiten, sich noch mehr Drogen leisten zu können als zuvor - wovon die Band ausgiebig Gebrauch macht.
Der Nachfolger "Give Out But Don't Give Up" stellt die Gitarren wieder in den Vordergrund und verkauft sich ebenfalls prächtig. 1996 läuft "Trainspotting" in den Kinos an und Primal Scream liefern den Titeltrack ab. "Vanishing Point" beinhaltet 1997 einen gesunden Mix aus dunklem Dub, Dance und Rock. Ex-Stone Roses-Bassist Gary "Mani" Mounfield gefällt die Zusammenarbeit beim Track "Kowalski" so gut, dass er sich entschließt, der Band beizutreten. Gillespie provoziert derweil mit Aussagen, die den Sohn eines sozialistischen Gewerkschaftsfunktionärs zu erkennen geben. Kurz nach Lady Dianas Tod bricht er die Schockstarre Großbritanniens mit dem Satz, seine Band habe keinerlei Respekt für Diana Spencer oder ein anderes Mitglied der königlichen Familie, da man die Monarchie verachte.
"XTRMNTR" setzt den musikalischen Weg im Jahr 2000 konsequent fort, und die Schotten gewinnen Kevin Shields von My Bloody Valentine als neues Bandmitglied. Vor der Veröffentlichung von "Evil Heat" legen die Alternativ-Rocker eine saubere Kehrtwende hin: Sie nehmen das umstrittene "Bomb The Pentagon" komplett neu auf, der Song bekommt teilweise neue Lyrics und den neuen Namen "Rise". In seiner Originalfassung war der kurz vor dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 fertig gestellte Song eine wütende Attacke auf die US-Außenpolitik. Doch nun will sich die Band angeblich von der Politik abwenden. Während Bandleader Bobby Gillespie jeden Kommentar verweigert, lässt sich Bassist Mani vom britischen NME zitieren: "Auch wenn das billig klingt, wir wollen mit unserer neuen Platte einfach nur zeigen, wie schön das Leben ist", verteidigt er den plötzlichen Sinneswandel der Band, die eigentlich für ihre teilweise extremen politischen Ansichten bekannt ist.
2006 erscheint nach längerer Album-Pause das Werk "Riot City Blues". Der Titel deutet es bereits an: Die Scream-Gang hat die Elektronik Elektronik sein lassen und sich auf die eigenen Gitarrenwurzeln besinnt. Nach Kate Moss und Robert Plant auf "Evil Heat" laden die Schotten diesmal Kate Mosshart von The Kills, Warren Ellis und Echo & The Bunnymen-Gitarrist Will Sergeant ins Studio. Gitarrist Robert Young steigt nach den Aufnahmen freundschaftlich und "aus persönlichen Gründen" aus, wie es heißt. Nachdem er zehn Jahre heroinfrei war, lässt Gillespie 2009 endgültig von allen Drogen die Finger.
Primal Scream bleiben ihrem Stil auch in den Folgejahren treu und halten die Spannung mit Gästen aufrecht. Das nach eigenen Angaben "liebliche" Album "Beautiful Future" im Jahr 2008 featuret Lovefoxxx (von Cansei de Ser Sexy) und Josh Homme (QOTSA). Nach der Veröffentlichung der DVD "Screamadelica Live" verlässt auch Mani 2011 Primal Scream und kehrt zu seiner Ex-Band zurück: den reformierten The Stone Roses. An seine Stelle tritt Debbie Googe, der zuvor bei My Bloody Valentine den Bass zupfte und auch an den Aufnahmen zu "More Light" (2013) beteiligt war. 2014 stirbt Ex-Gitarrist Robert "Throb" Young mit nur 49 Jahren.
Bei Primal Scream werden die Pausen zwischen den Alben dem gehobenen Alter entsprechend nun länger. Nach dem gelungenen "Chaosmosis" 2016, das den Hörer gleichzeitig vor den Kopf stößt, ihn zärtlich in den Arm nimmt, nur um ihm dann im Stile eines Mike Tyson ins Ohr zu beißen, hört man mehrere Jahre nichts mehr. 2021 kehrt zumindest Gillespie zurück: Mit Savages-Sängerin Jehnny Beth frönt er der gemeinsamen Liebe zum 60s-Klassiker "Nancy & Lee" auf dem Album "Utopian Ashes". Ende 2021 geht das Duo auch gemeinsam auf UK-Tournee.
2022 veröffentlicht Sänger Gillespie mit "Tenement Kid" seine Autobiographie, die er bis zur Veröffentlichung des Hit-Albums "Screamadelica" detailreich und humorvoll gestaltet. Das Jahr endet für Primal Scream jedoch tragisch: Keyboarder Martin Duffy stirbt kurz vor Weihnachten im Alter von nur 55 Jahren. Als Todesursache nennt die Band eine Kopfverletzung, die er sich bei einem häuslichen Sturz zuführte. Duffy war von Beginn an Teil der schottischen Indie-Rock-Band und spielte bereits auf den ersten beiden Alben "Sonic Flower Groove" (1987) und "Primal Scream" (1989) mit. Zur Kernbesetzung stieß er auf dem Hit-Album "Screamadelica" von 1991 und zählt somit neben Sänger Bobby Gillespie, Andrew Innes und Robert Young zum Klassiker-Line-Up der Band.
2024 endet die achtjährige Albumpause mit dem Studiowerk "Come Ahead", gleichzeitig das erste ohne Duffy. Es thematisiert einen weiteren Schicksalsschlag, den Gillespie verarbeiten musste: Den Tod seines Vaters, der auch das Cover ziert. "Come Ahead" lautet ein kämpferischer Leitspruch aus dem Glasgower Dialekt. Die Platte fällt sehr funky aus und entstand gemeinsam mit dem irischen DJ David Holmes, der 24 Jahre zuvor schon "XTRMNTR" produzierte.
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