laut.de-Kritik
Jehnny und Bobby auf den Spuren von Nancy und Lee.
Review von Simon ConradsMit Savages macht Jehnny Beth düsteren Post-Punk, die Musik auf ihrem 2020 erschienen Solo-Album "To Love Is To Live" kann man in Genre-Grenzen kaum noch fassen. Bobby Gillespie landete mit Primal Scream dagegen meistens in Pop-Nähe, auch wenn er von Indie-Rock zur House-Musik zog oder zuletzt auf "Chaosmosis" auch weiter Synth-Pop erprobte. Unter einer Zusammenarbeit der beiden Musiker*innen kann man sich dementsprechend erstmal wenig vorstellen, darf aber auf jeden Fall gespannt sein.
Gillespie und Beth lernten sich 2015 kennen, als sie Suicide bei einem Auftritt unterstützten. 2016 lud Gillespie dann Beth ein, bei einem Primal Scream-Auftritt das Duett "Some Velvet Morning" zu performen, im Original von Nancy Sinatra und Lee Hazlewood gesungen. Wiederum ein Jahr später begannen dann in Paris die ersten Sessions für das gemeinsame Album "Utopian Ashes". Unterstützung gibt es von den Primal Scream-Mitgliedern Andrew Innes, Martin Duffy und Darrin Mooney, sowie Beths muskalischem Partner Johnny Hostile.
Es ist primär ein Country-Album mit Soul-Anleihen geworden, das lyrisch und musikalisch in der Tradition legendärer Trennungsalben wie "Grievous Angel" von Gram Parsons und Emmylou Harris oder "Golden Ring" von George Jones und Tammy Wynette steht. Dabei seien die Texte auf "Utopian Ashes" nicht autobiographischer Natur, bauten aber dennoch auf dem Erfahrungsschatz der beiden Kollobareteur*innen auf. Die Tanzbarkeit, die man von Gillespie sonst gewohnt ist, bleibt bei dem Thema dann folgerichtig größtenteils auf der Strecke, lediglich "Chase It Down" und "Living A Lie" tendieren in Richtung Tanzfläche. Die beiden Tracks zählen zu den Highlights des Albums.
"Chase It Down" begeistert mit treibendem Rhythmus und schweren Streichern, immer wieder darf eine Wahwah-Gitarre aufblitzen. Die Hook erinnert leicht an "Children Of The Revolution" von T.Rex, präsentiert sich allerdings nicht im Glam Rock-, sondern Southern Soul-Kleid. In "Living A Lie" haucht Beth zwar Sätze wie: "You wonder why I don't have sex with you anymore? / Well, without trust, how can there be love?", dennoch kippt der Song immer wieder in einen erstaunlich festlichen Refrain, der am ehesten an frühere Alben von Primal Scream denken lässt.
Daneben gibt es vor allem schlurfende Balladen, wie die Lead-Single "Remember We Were Lovers". Gillespie und Beth geben darin das leidende Paar, das selbst nicht versteht, wo ihre Liebe hin ist: "We're stupid and ungrateful / We’ll never ever learn / We abuse this gift we’re given / Again and again and again and again". Obwohl die beiden Musiker*innen dem Thema keine neuen Perspektiven abringen und das Stück recht schnulzig gerät, funktioniert der Song wunderbar. Das liegt vor allem an den beiden Stimmen die sich fantastisch ergänzen und der liebevollen Instrumentierung mit Streichern und Bläsern. Ähnlich gelungen ist auch "Your Heart Will Always Break", ein nettes Softrock-Stück, das mit seinen sechs Minuten Laufzeit lediglich etwas lang geraten ist. "You Don't Know What Love Is" gerät später dann etwas zu minimalistisch und schleppend.
"Stones Of Silence" baut auf einem bluesigen E-Piano-Motiv auf und erinnert dann mit der präsenten Western-Gitarre und den Percussion-Elementen an "A Horse With No Name" von America. Der Refrain fällt hier gegen die Strophen leider deutlich ab. Der Closer "Sunk In Reverie" bringt das Album ohne Drums ganz unaufgeregt zu einem wirklich schönen Schluss und demonstriert in seiner Lässigkeit erneut, wie gut die Beteiligten ihr Handwerk beherrschen.
Zu Beginn der Zusammenarbeit habe Gillespie wohl noch mit elektronischen Sounds experimentiert, bevor die Musiker*innen sich auf den Country- und Soul-Sound festlegten, lässt der Pressetext wissen. Auch wenn das Album durchaus gelungen ist, kann man ihm vorwerfen, zu nahe an seinen Vorbildern zu bleiben und ein etwas gewagterer, experimentellerer Sound wäre sicher spannender geraten, besonders mit Blick auf die Œuvres von Gillespie und Beth.
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