laut.de-Kritik
Werkschau mit mehr Mörtel als Marmor.
Review von Ulf KubankeObwohl die Puhdys sich vor einigen Jahren zur Ruhe setzten, verlangt der 50. Geburtstag nach einem zünftigen Release. Zur Feier des halben Jahrhunderts eignet sich nichts besser als eine Werkschau. "In Rock" streift mit 29 Songs durch die Dekaden und illustriert ihr Schaffen recht anschaulich. Dabei zeigt sich unfreiwillig deutlich, dass die ostberliner Rocklegende qualitativ stets mehr Mörtel als Marmor im Gepäck hatte.
Die Ambivalenz zieht sich als roter Faden durch ihre gesamte Karriere. So können diese Lieder nicht losgelöst von ihrer Geschichte betrachtet und bewertet werden. Den einen galten sie anno DDR stets als systemstützende Opportunisten, die sich willig als Aushängeschild und Feigenblatt für ein totalitäres System hergaben. Eine Band, die in über 20 Ländern fröhlich den Rockstar spielte, während ihre Landsleute zu Hause eingesperrt hinter Stacheldraht und Schießbefehl saßen. Eine Kapelle deren Erfolg sich zumindest mittelbar auf der Zerstörung Renfts gründete, deren kritischer Freiheitsdrang die Zensurbehörde als konterrevolutionäre Gefahr einstufte.
Andererseits könnte man auch die Frage stellen: Müssen Künstler Helden sein? Immerhin kann niemand, der einfach nur Musik machen möchte, etwas dafür, im falschen Land geboren zu sein. Auch könnte man unter anderem auf Texte wie das hier eröffnende "Ikarus" verweisen. "Einem war sein Heim, war sein Haus zu eng, sehnte sich in die Welt. Sah den Himmel an, sah wie dort ein Schwan hinzog./ Baute Flügel sich, sprang vom Boden ab und flog ... und flog." Geht es noch subversiver als die Diktatur mit solchen Zeilen zu überlisten?
Es scheint somit, als gäben die Puhdys keine eindeutige Antwort auf berechtigte Fragen. Konzentriert man sich folglich rein auf die musikalischen Aspekte, bleibt das Bild ebenso zerfahren. Einerseits gehören sie fraglos zu jenen geschichtsträchtigen Acts, die als erste Rockmusik mit deutschen Texten verknüpften. Gleichwohl mangelt es Band und Tracks seit jeher gehörig an den Alleinstellungsmerkmalen zeitgenössischer Kollegen der Siebziger. Sie waren nie so ein Unikum wie Lindenberg, nie so innovativ wie Achim Reichel und erst recht nie so abgründig wie der Libertin Kiev Stingl. Übrig bleibt wie in "Ikarus" vielfach nur Epigonentum. Der Song ist eine Art "Child In Time" für die dritte Garnitur und gewinnt in seiner hausbackenen Art auch durch die augenzwinkernde Deep Purple-Hommage in Albumtitel und Artwork keinen lila Blumentopf.
Trotzdem überzeugen ihre Siebziger-Nummern letzen Endes am meisten. "Geh Dem Wind Nicht Aus Dem Weg" bleibt auf dem Pfad Deep Purples, besticht trotz vergleichsweise biederer Vocals und limitierter Gitarre dennoch mit krautig psychedelischen Hardrock-Zutaten. Der "Sturmvogel" amüsiert als Kuriosität, die alles vorwegnimmt, was Heavy Metal kurz darauf als Eierkneifer-Gesang etablieren wird. Schade jedoch, dass sie ausgerechnet das 1974er Original von "Türen Öffnen Sich Zur Stadt" unterschlagen und hier stattdessen, die vollkommen belanglose NDH-Version von 1999 anbieten.
Letzteres offenbart den nächsten Schwachpunkt auf ihrem Weg als Rock-Imitat. Waren es ehedem britische Helden, lehnen sie sich ab der Jahrtausendwende bar jeder Inspiration an Rammstein an. Überzeugend wirkt das schon deshalb nicht, weil der farblose Gesang von Dieter "Maschine" Birr und Dieter "Quaster" Hertrampf für den aggressiven Sound nicht kraftvoll genug klingt. Auch songwriterisch haben die Stücke jener Phase nichts Interessantes zu bieten. Negativer Höhepunkt gen Mitläufermusik für Wutbürger ist "Sei Still" vom Spätwerk "Es War Schön". Ob gewollt oder nicht, hier geben die Puhdys jedes Klischee nicht nur ostdeutscher Verschwörungstheorien und AFD-Groupies wieder und bieten die vierlagige Opferrolle.
"Ich will dich zensieren, will dich kontrollieren. Du sollst nichts mehr sagen und auch nichts mehr fragen./ Du darfst deine Meinung nicht mehr verbreiten. Drum überleg dir beizeiten, dass das was du sagst deinen Kopf kosten kann./ Drum fang sofort zu schweigen an.
Dass ausgerechnet jene, die als Nutznießer eines waschechten Regimes Privilegien genossen, nunmehr die pluralistische Gesellschaft unverhohlen als Meinungsdiktatur geißeln, hat mehr als ein übles Geschmäckle. Es bestätigt leider jene Stimmen, die ihnen stets skeptisch gegenüber standen. Denn die Puhdys spülen unnötig Wasser auf die Mühlen jener, die jeden Widerstand gegen menschenverachtende Hetze allen Ernstes als Anschlag auf ihre Meinungsfreiheit betrachten.
Im Lichte all dieser Erwägungen bleibt von 50 Jahren Rockerleben kaum mehr als ein Schatten übrig. Musikalisch im Vergleich zu den eigenen Vorbildern nur mäßig talentiert und jenseits des damaligen Exotenbonus kaum mit eigener Identität überzeugend, gibt es außer (n)ostalgischer Verklärung kaum etwas Herausragendes zu feiern. Für alle, die sich hierüber ihre eigene Ansicht bilden wollen, bietet die Zusammenstellung einen tauglichen Überblick.
4 Kommentare mit 4 Antworten
"Sei still" kannte ich noch nicht. Da es schon 8 Jahre alt ist, finde ich den AFD-Groupie etwas weit hergeholt. Meinst du nicht auch, dass sich der Text auf die damals gerade von liberalen Anhängern viel kritisierte Vorratsdatenspeicherung beziehen dürfte?
Dieser Kommentar wurde vor 5 Jahren durch den Autor entfernt.
finde ich nicht weit hergeholt. denn entscheidend ist ja nicht die parteigründung - die war zugegeben 2013. entscheidend ist zumindest aus meiner sicht eine grundhaltung, die weit älter ist und sich seit ca 10 jahren mehr oder weniger ungehemmt bahn bricht.
der text ist doch genau so allgemein aber deutlich formuliert, dass er sich exakt an die (auch im westen aber) im osten besonders verbreitete haltung wendet und jenen ein sprachrohr gibt, die die gesamte politische grundordnung samt medienlandschaft als eine art meinungsdiktatur diffarmieren, welche dem angeblich so kritischen geist eine maßanzug-getreue opferrolle strickt, die jedem verschwörungslager haargenau passt.
dass ausgerechnet jene, die ein spitzelsystem stützten und selbst über wolfgasng tilgner im-kram an den hacken hatten, hier die daten-sensibelchen spielen, halte ich gelinde gesagt für mindestens unglaubwürdig. für mich sieht es eher danach aus, als wenn einfach mal alle unzufriedenen und besonders die ehemals privilegierten wendeverlierer abgreifen möchte, ohne groß angriffsfläche zu bieten.
Ich finde den Text auch nicht besonders gut, vor allem nicht aus dem Munde der Puhdys. Ich glaube, die Puhdys spielen ihren Stärken viel besser aus, wenn sie Veränderungen in Umwelt, Umgebung und Gesellschaft beschreiben, ohne vordergründig die Rolle des Klagenden einzunehmen. Mir fällt da gerade "Alles hat seine Zeit" vom 2005er Album ein.
Hallo Herr Kubanke
Ich bin mit den Puhdys aufgewachsen und kann den von Ihnen verfassten Schwachsinn so nicht stehen lassen. Wenn Sie die Musik der Puhdys nicht mögen, ist das natürlich Ihr gutes Recht. Musik ist nun mal Geschmackssache. Aber wenn ihre Wahrnehmung zu einem derart üblen Verriss führt, dann muß man sich schon fragen, ob sie Ihre Tätigkeit als Rezensent nicht dazu mißbrauchen, persönliche Abneigung auf so billige Art zu befriedigen. Sie sollten sich eine Beschäftigung suchen, die der Allgemeinheit mehr dient, als Ihr kindischer Egotrip. In Ihrer „Rezension“ ging es um nicht mehr oder weniger als eine der am längsten auf der Bühne stehenden deutschen Bands, die sich trotz vieler Hindernisse auch international einen Namen gemacht hat, deren Vita, Reverenzen, Plattenverkäufe und über Jahrzehnte ausverkaufte Konzerte in krassem Widerspruch zu Ihren wirren Geistesergüssen steht. Ich kann aus Ihren kranken Erkenntnissen nur eines herauslesen: Frust und der billige Versuch einer Abrechnung! Den Erfolg der Puhdys mit der zweifellos beschämenden Auflösung von Renft in Verbindung zu bringen ist eine unglaublich primitive Unverschämtheit. Was können die Puhdys für die damalige Willkür der Zensurbehörde??? Sie haben sich nie gegen Renft geäußert, im Gegenteil: Von keiner Band haben die Puhdys so viele Titel gecovert wie von Renft. Und was bezwecken Sie mit dem Unsinn, daß die Puhdys im Ausland „fröhlich den Rockstar spielten“, während die Landleute zu Hause eingesperrt waren??? Diesen Vorwurf müssten Sie dann auch Karat, Silly und eigentlich allen DDR-Künstlern machen. Die Puhdys haben die Chance wahrgenommen DDR-Rockmusik über die Grenzen zu tragen und sie haben es mehr als gut und auch erfolgreich gemacht. Das damalige Medienecho westlich der Elbe war einstimmig und bescheinigte der Band genau das, was Sie Herr Kubanke den Puhdys absprechen. Rückblickend können sich -was Konstanz, Innovation und Ehrlichkeit angeht- Achim Reichel, Libertin Kiev Stingl (wer sind die eigentlich???) und selbst Udo Lindenberg von den Puhdys mehrere dicke Scheiben abschneiden und das sage ich als bekennender Udo-Fan! Die Puhdys waren (und da bin ich über jeden Zweifel erhaben) die erste Band, die Rockmusik und deutsche Texte erfolgreich zusammengeführt hat, da konnte auch Onkel Udo mit seinen doch arg anspruchslosen Botschaften über Elli Pirelli, Gerhard Gösebrecht oder Johnny Controlletti nicht wirklich mithalten, oder? Und was sie hier so hochmütig als „biedere Vocals“ abkanzeln, sind die Stimmen von Maschine und Quaster die man unter tausenden anderen heraushören würde. Außerdem hätten die Puhdys es nicht mal im Traum nötig, sich an Rammstein anzulehnen, eher umgekehrt. Wollen wir doch mal schauen, ob die Herren um Till Lindemann auch so viele Studio-Alben und Jahrzehnte auf der Bühne schaffen. Zumindest haben Rammstein noch im Sandkasten gesessen, als die Puhdys schon vor tausenden Zuschauern die Fetzen haben fliegen lassen. Sie wurden nach der Wende vor allem als ostdeutsches Phänomen bezeichnet und sie wären weit mehr als ein gesamtdeutsches Phänomen, wenn die Herren an den Hebeln der Macht von Plattenfirmen und Medien das auch gewollt hätten (so wie z.B. bei Rammstein oder eben Udo Lindenberg).
Und was Sie angeht, Herr Kubanke: Der Schatten, der von den Puhdys angeblich nur übrigbleibt könnte helfen, Ihr überhitztes Gehirn abzukühlen, denn wer diese Band jetzt sogar mit „ostdeutschen Verschwörungstheorien“ oder „AfD-Groupies“ in Verbindung bringt, sollte eigentlich beim Psychiater auf dem Sofa liegen. Ihr Dasein bringt die gesamte Gilde der ehrlichen und objektiven Rezensenten in Verruf. Ich wünsche Ihnen gute Besserung!
Liebe Margoon,
So Dir mein kleiner Text den Eindruck verschafft, dass Band und ich sich musikphilosophisch womöglich an den entgegengesetzten Enden des Meinungsspektrums befinden, dann mag ich Dir diesbzgl. nicht widersprechen.
Ich bedanke mich für Dein leidenschaftliches Feedback und die engagierte Gegenrede.
ergebendste Grüße
Ulf Kubanke
PS: Es passt doch für alle. Die Fans können sich aufregen, "was der Kubanke für ein seiernder pseudointellektueller Klappspaten" ist
und
die Leute, die näher bei meiner Sichtweise liegen, stimmen dem Text zu.
Verlierer gibt es nicht, only Entertainment, eh?
Respekt, Du hast geantwortet und nicht gelöscht