laut.de-Kritik
Warum schiebt man Chloe in den Hintergrund?
Review von Alexander CordasWarum auch nicht? Die Tour zu "Eupnea" wurde aus Gründen abgesagt. Statt doof rumzusitzen, macht man eben das, was man so tut, wenn man die Musik zur Profession erhoben hat: Man fummelt an neuen Tracks herum und nimmt sie auf. Wie bei zahlreichen anderen Acts kam die frohe Nachricht eines neuen Albums überraschend.
Die Palette der Ausdrucksmöglichkeiten im Pure Reason Revolution-Sound hat das Duo auf dem Vorgänger ja um liebreizenden Pop erweitert und so "Eupnea" in zwei Hälften geteilt. Auf der einen Seite das ausufernde Element und auf der anderen das Pointierte und Eingängige.
Bei den Spielzeiten der einzelnen Songs könnte man meinen, die Briten verfolgen diesen Ansatz weiter, aber nix da. Gleich der Opener knüppelt einem die Riffs nur so um die Ohren. Nach einem perkussivem Intro lässt Jon Courtney ordentlich die Saiten qualmen und behält dieses Energie-Level bis zum finalen Crescendo nach guten dreieinhalb Minuten bei. In den Zwischenteilen legt Chloe ihren famosen Gesang unter die Melodie-Linien.
Wobei wir schon beim größten Manko des Albums wären. So abwechslungsreich Jons Gesang auch sein mag und wie schön sich Chloes stimmliche Begleitungen in den melodieseligen Parts darum schlängelt, wäre es wünschenswert gewesen, ihr mehr Platz einzuräumen. Das hat doch auf dem Debüt hervorragend funktioniert. Und da die Tracks sich vom Aufbau her genau dort anlehnen, wäre das nur konsequent gewesen.
"New Kind Of Evil" bestätigt das. Hier gelingt einmal mehr der Spagat zwischen atmosphärischen Floyd-Momenten und aggressiverem Riffing. Nur Chloe tritt zu sehr in den Hintergrund. Klar, die Nummer funktioniert auch so sehr gut, aber dem weibliche Part wünscht man definitiv eine dominantere Stellung innerhalb der Komposition.
Einen hübschen Kontrast zum Prog verschafft "Phantoms". Ein treibender Four To The Floor-Beat untermalt das Synthie-Gerüst, über das schöne Harmoniegesänge erklingen. Im Refrain bratzt Courtney etwas deftiger und genehmigt sich zum Ende eine ausufernde Klang-Eskapade. So hätte man sich die Vermählung von Elektronik und Rock auch auf "Amor Vincit Omnia" gewünscht. Am Ende schweift die Nummer sogar in Shoegazing-Gefilde ab, wenn die Instrumentalfraktion den Gesang in den Hintergrund drängt.
Das nahtlos folgende "Cruel Deliverance" macht zunächst den Eindruck, als würden uns PRR eine Pause von Riff-Attacken gönnen. Im zweiten Teil mutiert das ruhige Geplätscher dann wieder zu einer ... äh ... Powerballade? Allüberall scheint immer etwas Platz für deftigere Momente zu sein. So auch im zentralen Stück der Platte. Schon aufgrund seiner Länge nimmt "Scream Sideways" einen prominenten Platz ein. Auf über zehn Minuten breiten PRR ihre liebgewonnenen Trademarks aus: Episches Songwriting, Vorliebe für träumerische Melodien und, holla, die Waldfee! Da schaut doch zwischenzeitlich sogar noch ein Abgesandter aus Funkytown um die Ecke. Wenn das Piano nach siebeneinhalb Minuten übernimmt, mutet der lärmende Schluss fast vorhersehbar an. Trotzdem: bockstarke Nummer.
Das Schönste bewahren sich Alper und Courtney (fast) bis zum Ende auf. "Dead Butterfly" hält perfekt die Balance zwischen Melodie, elektronischem Distort und Gitarren-Attacke, ehe sie mit "Lucid" schon fast postrockiges Terrain erkunden.
Album Nummer fünf kann man als absolut gelungen durchwinken. Wie oben schon erwähnt, wünschte man Chloe gesanglich eine wesentlich prominentere Stellung. Auf die nette Begleitstimme sollte man sie nicht reduzieren.
3 Kommentare mit 2 Antworten
„Eupnea“ war ein gutes Comeback, aber diese Platte zündet nicht so. Die A-Seite hat einige gute Momente, von der proggigeren B-Seite ist bei mir trotz zahlreicher Durchgänge nicht viel hängen geblieben. Und ja, mehr Lead-Vocals von Chloe hätten dem Album gut getan.
Bin wieder begeistert. Ja, es bleibt nicht so viel hängen, wie auf den älteren Platten. Aber trotzdem hat die Scheibe viele schöne Momente. Ich hätte auch Chloe etwas mehr Raum gegönnt, aber es ist sicherlich auch den Umständen geschuldet, dass sie hier nicht so viel Solo zu hören ist.
Wenn ich etwas auszusetzen habe, dann wohl, dass die härteren Passagen relativ ähnlich sind. Also die gebretterten Parts zwar cool sind, aber es fehl ihnen an Profil. Daher auch weniger, was hängen bleibt.
Ansonsten muss ich aber obigem Review widersprechen, was AVO angeht. Immer noch mein Lieblingsalbum, weil es den elektronischen Part von PRR in den Vordergrund rückt (was viele Puristen nicht mögen). Aber über die Jahre ist es immer wieder das Album gewesen, was ich mir reingezogen habe. AVO hat so viele grandiose Momente.
Eupnea und Above Cirrus kann man vom Sound her schon fast als Doppelalbum sehen, sie sind sich schon Nahe und wenn man sich mal die ganze Diskografie im Shuffle anhört ist das Schaffen der Band damit abgerundet. Freu mich auf die Tour. Damals 2005/6 als Vorband von Porcupine Tree gesehen. Würde sich ja wieder anbieten
Bis auf das schlimme "Disconnect" fand ich die Platte auch immer großartig, von allen PRR Platten sicher meine meistgehörte.
Sehe ich auch so. Disconnect überspringe ich immer wieder. Ansonsten ist die Platte superb.
Schön, dass sie wieder da sind und sich nichts verändert hat. Warum auch? Eine gelungene Überraschung.