laut.de-Kritik

Das Duett von Freddie und Michael Jackson ist eine kaum fassbare Frechheit.

Review von

Es müssen ausgezeichnete Argumente gewesen sein, mit denen Queen-Nachlassverwalter Brian May 2011 beim Michael Jackson-Clan vorgesprochen hat. Denn nach Hause kam der Gitarrist mit der Erlaubnis, Demos von Jackson und Freddie Mercury aus den frühen 80er Jahren umarrangieren und veröffentlichen zu dürfen und das alles auch noch auf einem Queen-Album.

So entstand bereits vor drei Jahren das Konzept von "Forever", das eine abermalige Hitsammlung der berühmten Rockband darstellt und drei unveröffentlichte Songs enthält. Letztlich hat es jedoch nur ein Duett von Mercury und Jackson auf das Album geschafft, ursprünglich war von drei Songs die Rede, an denen die beiden gearbeitet haben sollen.

Gesicherte Fakten um dieses Treffen der Megastars sind selbstverständlich rar gesät. Man weiß eigentlich nur: Mercury traf Jackson ein einziges Mal in dessen Studio im kalifornischen Encino im Jahr 1983. Dort arbeitete das Duo an drei Songs. Die Ergebnisse befand hernach weder der eine noch der andere für veröffentlichungswürdig. Der Jackson-Clan erklärte dies einmal mit Terminschwierigkeiten und der damals hohen Belastung beider Musiker.

Von Queen-Manager Jim Beach hörte man dagegen, dass Mercury mit Jacksons Eigenarten überhaupt nicht klargekommen sei. So habe sich bei besagter Session auch ein Lama im Studiokomplex aufgehalten. Mythen der Musikgeschichte, mit denen der Weltverbesserungssong "There Must Be More To Life Than This", den Mercury schon 1981 während der "Hot Space"-Sessions schrieb, nun konfrontiert wird.

Und machen wir es kurz: Das Duett ist eine kaum fassbare Frechheit und eine Verhöhnung der in Frieden ruhenden Toten. Zunächst beginnt alles noch ganz stimmig: Der bereits von Mercurys Soloalbum aus dem Jahr 1985 bekannte Song führt Akustikgitarren und Streicher zusammen, bevor Mercurys volles Organ den Song an sich reißt. Er singt zwei Strophen und die "Why is this world so full of hate"-Bridge und bis dahin ist es natürlich nichts anderes als ein ganz normaler, pathetischer Queen-Song.

Dann Auftritt Jackson: Der King Of Pop, ganz im Balladenmodus, säuselt mit gefühlt halber Lautstärke die dritte Strophe und bestätigt binnen Sekunden die düstere Vorahnung, dass nicht alle Weltstimmen zwingend für ein Duett geeignet sind. Naja, wird zum Refrain hin sicher noch lauter, der gute Jacko, denkt man noch, da ist plötzlich schon alles vorbei. Eine Strophe, fertig. Jackos Auftritt in dem als Weltsensation verkauften Duett dauert 21 Sekunden.

Nach einem überkandidelten May-Solo kommt dann zwar noch ein zweistimmiger, wieder sehr kurzer Part, in dem man Mercurys Stimme aber so leise gedreht hat, damit von Jacko überhaupt was zu hören ist - was trotzdem kaum gelingt. William Orbit, der seinen Namen für diesen Soundpfusch hergibt, schafft es schließlich noch, ein völlig unpassendes Break ans Ende zu setzen, auf das Brian May selbstverständlich wieder schichtenweise Quietscheriffs stapelt, um den Song mit Ach und Krach über die Drei-Minuten-Marke zu wuchten.

Man darf getrost behaupten, dass weder Mercury noch Jackson solch einer Version jemals ihren Segen gegeben hätten, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen. Mercury hätte sich wohl an der fehlenden Magie gestört und selbst Jackson hätte eine solch dünne Tonspur maximal seinem Affen zum Lunch vorgespielt.

Queen-Fans kommen dafür bei "Let Me In Your Heart Again" auf ihre Kosten. Der Song stammt aus den "The Works"-Sessions 1984, wurde von May geschrieben, damals aber nicht fertiggestellt. Interessanterweise klingt der dramatische Midtempo-Song weniger nach dem "The Works"-Album, als nach "Made In Heaven", das May, Roger Taylor und John Deacon 1995 als posthumes Queen-Album veröffentlichten.

"Love Kills", das Mercury mit Giorgio Moroder komponierte und 1985 als Dance-Song in die Charts schickte, ist hier als Ballade konzipiert und macht auch eine gute Figur. Gerade in den sehr reduziert gehaltenen Strophen kommt Mercurys Stimmvermögen voll zur Geltung.

Je nachdem, welche CD-Version man sich kauft, erhält man zu diesen drei Tracks noch 15 oder auf der Doppel-CD 33 weitere, bekannte Queen-Tracks. Und hier muss man vor May und Taylor den Hut ziehen: Anstatt ein weiteres Mal die bekanntesten Radio-Hits abzuspulen, pflückten die alten Herren Songs aus ihren etlichen Tracklists, die man auf derlei Compilations nie erwartet hätte. Mercurys frühes Balladen-Highlight "Nevermore", sein sublimster Moment "You Take My Breath Away" oder der göttliche Schmachtfetzen "Jealousy": Mercurys Kunst zeigte sich eben gerade nicht nur auf den "Greatest Hits"-Alben.

John Deacons Pop-Zertifikat "You're My Best Friend" folgte 1975 als Single auf die "Bohemian Rhapsody"-Oper: Wohl nie klangen in der Musikhistorie zwei aufeinanderfolgende Singles so unterschiedlich. "Forever" listet Songs aus allen Schaffensphasen der Band, selbst von "Made In Heaven" schaffen es "Mother Love", "A Winter's Tale" und der Titeltrack auf die Doppel-CD. Dass mit "Somebody To Love", "Crazy Little Thing Called Love" oder "Play The Game" auch bekanntes Hitmaterial dabei ist, geschenkt. Unbekannte Perlen wie Mays Akustikstück "'39" oder die sträflich unterschätzte Single "Spread Your Wings" von 1977 machen dies alles wieder wett. Übrigens auch Ausfälle wie Roger Taylors Hardrock-Gegniedel "Drowse", das schon auf "A Day At The Races" überflüssig war.

Das bekannte Material auf "Forever" stellt also das traurige Jackson-/Mercury-Duett in den Schatten. Dass das Produkt genau mit diesem Song beworben wird, stört in diesem Fall allerdings überhaupt nicht. Der Käufer bekommt hier genug gute Musik für sein Geld geboten.

Trackliste

CD 1

  1. 1. Let Me In Your Heart Again
  2. 2. Love Kills (The Ballad)
  3. 3. There Must Be More To Life Than This
  4. 4. Play The Game
  5. 5. Dear Friends
  6. 6. You're My Best Friend
  7. 7. Love Of My Life
  8. 8. Drowse
  9. 9. You Take My Breath Away
  10. 10. Spread Your Wings
  11. 11. Long Away
  12. 12. Lily Of The Valley
  13. 13. Don't Try So Hard
  14. 14. Bijou
  15. 15. These Are The Days Of Our Lives
  16. 16. Nevermore
  17. 17. Las Palabras De Amor
  18. 18. Who Wants To Live Forever

CD 2

  1. 1. I Was Born To Love You
  2. 2. Somebody To Love
  3. 3. Crazy Little Thing Called Love
  4. 4. Friends Will Be Friends
  5. 5. Jealousy
  6. 6. One Year of Love
  7. 7. A Winters Tale
  8. 8. '39
  9. 9. Mother Love
  10. 10. It's A Hard Life
  11. 11. Save Me
  12. 12. Made in Heaven
  13. 13. Too Much Love Will Kill You
  14. 14. Sail Away Sweet Sister
  15. 15. The Miracle
  16. 16. Is This The World We Created
  17. 17. In The Lap Of The Gods … Revisited
  18. 18. Forever

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12 Kommentare mit 6 Antworten

  • Vor 10 Jahren

    Für den musikhistorisch bewanderten Kenner ist die Kompilation wohl überflüssig, aber: vielen Dank für die Quiet Sheriffs! Ich musste das Wort mehrmals lesen und meinen Englischmodus ausschalten - dann erst hat habe ich verstanden... :-)

  • Vor 10 Jahren

    Für mich als Best Of Besitzer durchaus interessant. Das Jackson Duett ist sicherlich auch ganz interessant

  • Vor 10 Jahren

    "Unbekannte Perlen wie Mays Akustikstück "'39" oder die sträflich unterschätzte Single "Spread Your Wings" von 1977 machen dies alles wieder wett."

    "39" als Unbekannt zu bezeichnen halte ich für gewagt. Ebenfalls haben die vielen Millionen Queen Fans "Spread Your Wings" geliebt o. tun es immer noch. Unterschätzt wurde es allenfalls von Kritikern, da es auf dem Folgealbum "News of the World" erschien. Und alle Kritiker völlig geflasht/überfordert waren von "A Night Of The Opera" u. "A Day At The Races". Was sollte nach den beiden Alben auch groß noch kommen? Unterschätzt wurde Queen übrigens sehr lange. Ansonsten wird ein Schuh raus, Herr Schuh. ;)

    Wegen einem, dazu noch schlechtem Song, brauch keiner das Album. Bezeichnend finde ich das Spotify den Song auch noch sperrt, für Freeuser. Wenn einer völlig neu bei Queen einsteigen will empfehle ich dann doch eher das hier: http://www.laut.de/Queen/Alben/Live-At-The…
    Ebenfalls von MS besprochen.

    Die Remaster - Arbeit, die May und Tayler in den letzten 3 Jahren (?) gemacht haben mit sämtlichen Alben von Queen, verdient um bedingt auch mal etwas Wertschätzung. Bisher ist eigentlich oft von der "Kuh die gemolken" wird die Rede. Was angesichts der Ergebnisse, ich nicht so unterschreiben würde. Im Gegenteil, 40 Jahre alte Aufnahmen wie "At The Rainbow" hören sich an, als wenn man dabei ist. Das dazu viel Sound Rekonstruktionstechnik verwendet wird, würde ich nicht kritisieren. Präzise und Detail verliebt waren und sind Queen. Denke eher bzw. höre bei der Restauration neue Möglichkeiten, was auch in die Zukunft gerichtet ist. Für das Archivieren und den Erhalt von guter Musik ist es ein Geschenk, was mal wieder Queen uns macht. Hätte jemand anderes sich dem "Pieps - Stimmchen" von MJ angenommen, wäre sicher nichts zu hören bzw. noch schlechter als das jetzige Ergebnis . Bin jedenfalls stolz darauf, das ich als Fan mir ausgerechnet Queen zum Favoriten auserkoren habe.

    Gruß Speedi

    • Vor 10 Jahren

      "39" und "Spread Your Wing" sind natürlich nicht unbekannt für jemanden, der alle Queen-Alben im Schrank hat. Aber frag mal die Abermillionen, die nur "Greatest Hits" und "Greatest Hits II" besitzen. Hier lag wohl ein Verständnisproblem vor. Wüsste auch nicht, wo und von wem Queen ab 1975 noch unterschätzt worden wären. Man nahm ihnen allenfalls den von Album zu Album wandelnden Stil übel, aber so sind Hardliner eben.

  • Vor 10 Jahren

    Alleine der erste "neue" Song ist schon fast Kaufanreiz genug. Love kills geht ok, das Duett kann man skippen. Der Rest des Albums ist ein mehr als nettes Wiederhören, wenn man Queen lange nicht mehr wahrgenommen hat. Meine erste "echte" Lieblingsband :).

  • Vor 10 Jahren

    Das Duett ist tatsächlich grauenhaft. Vor allem frage ich mich, was Orbit während des Mischens auf den Ohren hatte. Selten so ein regelrecht schmerzerzeugend abgemischtes Chaos gehört. Mays Solo schneidet durch den Song, die Stimmen von Mercury und Jackson verschwimmen in den letzten Refrains dank grandioser Phasing-Effekte. (Absicht? Schlamperei?) Dazu ein komplett breiiger Bandsound, einzig das Intro lässt so etwas wie Transparenz erahnen. Fürchterlich.

    Der Rest der Compilation geht in Ordnung, auch wenn die Zusammenstellung an sich natürlich niemand braucht.

  • Vor 10 Jahren

    Immer wird man Haare in der Suppe finden können oder gar finden wollen.Besonders dann wenn Größen wie Queen wieder einmal schon fast regelmäßig zyklisch eine weitere Songsammlung vor Weihnachten in die derzeit musikalisch dünne Atmosphäre platzieren....
    Nichts ,aber auch gar nichts ,ist auf diesem Sampler für den ausgewiesenen Queenfan unbekannt oder gar wirklich unveröffentlicht.Dazu brauch man nur einschlägige Websites durchforsten und findet alles ,zwar nicht so brillant arrangiert und gepimpt,was das Herz begehrt von Demos und Rohversionen.
    Worin liegt nun der Reiz sich dieses Album als Queenfan dennoch in den Schrank zu stellen ?
    Als Fan der Fetisch alles haben zu wollen was als rundes Vinyl oder CD von dieser Band gibt,oder eben selbst die schon erschienen "Remastered" Album-Versionen nochmals remastered zu hören....
    Könnte so sein....
    Entscheidender ist der nicht abebbende Fankult um diese Band die es wie keine andere es Heute noch schafft jede Trackliste von Radiosendern zu umschmeicheln.
    Vieles auf diesem Album wurde weder noch als Single oder bei Liveauftritten gespielt.Schon gar nicht in den Airplaylisten.
    Dieses Album ist schon eine Art der Vollendung des Schaffens von Mercury,May,Taylor und Deacon.
    Denn wer bisher nur die Gassenhauer aus den Charts kannte und sonst kein Album,oder sich nur auf die Greatest Hits Sammlungen beschränkte,wird mit wohligen Schauern überrascht sein von dem weiteren Repertoire an Easy-Listening Songs dieser Band.
    Freddie Mercury hatte gerade bei Stücken wie "Nevermore
    Jealousy,Dear Friends,Long away" mit seine stärksten gesanglichen Momente.
    Musik für den Kamin die unverkennbar Queen ist ,aber wiederum für den gelegentlichen Queenfan evtl. wieder Appetit macht seinen Queenhorizont um den Ein oder Anderen Zukauf der älteren Alben zu befriedigen.
    Denn wir alle wissen das Queen in ihrer Karriere nur mit ihrem ganzen Schaffenswerk alles bedienen konnte was eine gute Alte Jukebox hergeben konnte.Von der Opernlastigen Bombasthymne über Disco,Fetenkracher,Kirmesmusik bis eben hin zu geglätteten Balladen und Meilensteinen des Rocks....Sogar Metall konnte bedient werden (Brigthon Rock)
    Nein ,ich muss sie nicht haben...Diese Auswahl ist eben die etwas andere "Best of".Kaum jemand wie Queen könnte es wagen aus allen Alben das herauszupicken was man wirklich getrost als "Must Hear" nennen darf.
    Viele andere ihrer Generation hieften Lückenfüller zwischen die Singleauskoppelungen ihrer Alben....Queen dagegen schufen dagegen akribische flüssige Alben in ihrer Zeit.Da hätten es viele Songs sein können den Platz auf einer Single zu finden.

    Nichts für den ausgewiesen Queenfan,aber wie gesagt,dieses Album hat das Zeug wieder ein Bestseller zu werden.