laut.de-Kritik

Nullerjahre-Nostalgie mit Gute-Laune-Garantie.

Review von

Seit Razorlights letztem Album "Slipway Fires" vor neun Jahren hat der britische Indierock seine Vormachtstellung in der Alternative-Landschaft verloren. Sänger Johnny Borrell probierte sich erfolglos als Solokünstler und sowohl Björn Ågren als auch Carl Dalemo verließen die einstmals so gefeierte Band ("Up All Night", 2004). Dafür sind jetzt Harry Deacon und David Ellis dabei. Letzterer soll dem ehemaligen Egomanen Borrell sogar als Songwritingpartner gedient haben.

Das Ergebnis dieser Zusammenarbeit fällt überraschend ordentlich aus. "Olympus Sleeping" ist ein würdiger Anschluss an die großen Indie-Momente der letzten Dekade und fügt der Razorlight-Diskographie eine Prise Lockerheit hinzu. Die beginnt schon im Prolog. Adam Green darf als Aladdin einen Wunsch vortragen. "Genie? This is Aladdin / Print me a Razorlight album that doesn't totally suck!" Lässige Selbstironie. Dazu passt auch das Ausbleiben großspuriger Töne im Vorfeld der Veröffentlichung. Durch die Erfolglosigkeit seiner Soloabenteuer scheint Borrell (angeblich nur 594 verkaufte Album-Einheiten in der ersten Woche) deutlich gereift zu sein.

Seine Hatz nach den großen Stadionhymnen scheint auch passé, auf "Olympus Sleeping" geht es gerne eine Nummer kleiner, dafür variantenreicher. Der Opener "Got To Let The Good Times Back Into Your Life" rumpelt schön los. Für die Strophe braucht es nur einen simplen Bass und ein trockenes Schlagzeug, bis im Refrain geschrammelte Powerchords und der herrlich einprägsame Songtitel zum Mitsingen einladen. Diese Rocksimplizität gipfelt im Anderthalb-Minuten-Brett "Good Night". Die BPM sind konstant über menschlichem Normalpuls, Gitarre und Bass wechseln sich in der Leadstimme ab und der Gesang ist wunderbar angekratzt.

Für den Kontrast hierzu sorgen süßlich-treibende Gitarrenpop-Nummern wie die Vorabsingle "Carry Yourself" oder der Closer "City Of Women". Man fühlt sich wie in einer dieser besonderen, weil unkitschigen Romcoms wie "Can A Song Save Your Life" oder "Crazy Stupid Love". Noch dazu ist "Carry Yourself" der Song, den Two Door Cinema Club gerne geschrieben hätten.

Generell können die jüngeren Epigonen der großen Britwelle hier so einiges lernen. "Midsummer Girl" zeigt, wie leichtfüßig eine Gitarre klingen kann. "Brighton Pier" liefert eine kleine Lehrstunde in Sachen akzentuiertem Bläsereinsatz. Der Titeltrack fungiert als Blaupause für all das, was die 00er musikalisch so großartig gemacht hat. Der Song schlägt Haken, wartet mit so simplen wie effektiven Gitarrensoli auf und liefert mit "Human sandwich on the way back from the states" die beste Zeile des Albums.

Jetzt bleibt nur zu hoffen, dass bis zum nächsten Razorlight-Output nicht wieder zehn Jahre ins Land ziehen. Denn die scheinen für die Band selbst auch nicht so erquicklich gewesen zu sein, wie "Iceman" zeigt: "Yeah I sing for weddings / I play Bar Mitzvahs too". Warum wir Razorlight 2018 noch brauchen? Nun, Franz Ferdinand und Maximo Park haben sich in die belanglose Bedeutungslosigkeit verabschiedet, Bloc Party sind ein Schatten ihrer selbst und die Arctic Monkeys machen inzwischen alles, nur keinen Indie-Rock mehr. Da tut so ein nostalgischer Gute-Laune-Trip mit Johnny Borrell einfach doppelt gut.

Trackliste

  1. 1. Adam Green Skit
  2. 2. Got To Let The Good Times Back Into Your Life
  3. 3. Razorchild
  4. 4. Brighton Pier
  5. 5. Good Night
  6. 6. Carry Yourself
  7. 7. Japanrock
  8. 8. Midsummer Girl
  9. 9. Iceman
  10. 10. Sorry?
  11. 11. Olympus Sleeping
  12. 12. No Answers
  13. 13. City Of Women

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1 Kommentar

  • Vor 6 Jahren

    Bin früher großer Fan der ersten beiden Alben gewesen und habe dementsprechend heut gleich mal einen ersten Durchlauf gestartet. Klingt wirklich ganz gut bis jetzt!

    Und der Rezensent hat völlig recht: wie sehr habe ich solche Musik in den letzten 10 Jahren vermisst!