laut.de-Kritik
Eleganter Hakenschlag zwischen den Genres.
Review von Dani FrommAnalog zum "Sommerhit", bei dem einem allein schon das Wort mit breitem Ballermanngrinsen das Gruseln lehrt, beschwört die Bezeichnung "Sommerplatte" in aller Regel wenig schmeichelhafte Ahnungen. Zu oft schlägt der heißen Jahreszeit angemessene Leichtigkeit in die totale Gehaltlosigkeit um.
Warum nun Refractorys Drittschlag allerorten penetrant als "Sommerplatte" angepriesen wird: Mir vollkommen schleierhaft. Ähnlich wie "Hot Potatoes", die schließlich auch zu jeder Jahreszeit munden, verdienten die 15 cleveren, fest im Hip Hop verwurzelten Downbeat-Tracks selbst im eisigsten Winter noch das Prädikat "prachtvoll".
Das musikalische Rad neu zu erfinden, ist dafür gar nicht notwendig. In den Revieren zwischen den Genres wilderten vor Refractory bereits andere. Selten jedoch gelingt der Hakenschlag vom satten Funk-Song in einen astreinen Rap-Track so geschmeidig wie in "Melt Her Ice".
Selten geht die Korrespondenz zwischen Rap und Gesang flüssiger von der Feder als in "City Science". Noch seltener bläht ein Jazz-Saxophon die Segel eines deutlich Reggae-beeinflussten Grooves so effektiv wie in "Keep Sailing".
Eine überwältigende Fülle von Sounds, darunter Stimmsamples, Scratches, Spieluhrklänge, karibische Percussion und Bassläufe, verweben Jean François Blanco und Louis Beaudoin zu stimmigen Klangteppichen. Teilweise schier verbotener Funkyness zum Trotz bleibt die Atmosphäre durch und durch entspannt.
Wah-Wah-Gitarre rockt, es darf aber auch mal eine Akustische sein - und warum nicht Rhodes statt des ewig strapazierten Klaviers? Wenn das "Smooth As Paul" ist, dieser Paul muss ein ganz schön smoother Hund sein.
Dass Refractory problemlos ohne Gesang, ohne Text auskommen, beweisen "Straight Chill" oder "Wander At Night": Wahlweise führen gedämpfte Bläser oder schwere Streicher in wabernde Chill-Out-Gefilde hinüber. "Eddy's Break" brandet mit leichtem Latin-Touch wellenartig ans Trommelfell.
Dennoch: Zu gekonnt, zu bestechend agieren die Kollegen am Mikrofon, als dass man sie auf Albumlänge missen möchte. Ob eindringliche Spoken-Word-Performance ("Over Me", "I Know You A Long Time"), flüssiger Rap oder Soul-geschwängerter Gesang: MC Jester und Sena Dagadu, Sängerin aus Ghana, können beides (vermutlich zudem Country und Western), laden ins "Bistro" oder zu einem Spaziergang durch "Bruce's Brain" und glänzen in elektronisch angehauchter wie organisch-naturbelassener Umgebung gleichermaßen.
"The mic is mine!" Wer möchte derlei in "Last" letztlich zur Schau getragener Entschlossenheit widersprechen? Ich nicht. Ich widerspreche lediglich der unsinnigen Behauptung, man bekäme es in "Hot Potatoes" mit einer "Sommerplatte" zu tun. Oder haben wir ihn schon, "The Endless Summer"?
1 Kommentar
geile scheibe! was Chilliges und gleichzeitig musikalisch Anspruchsvolles für BBQ oder Strand.
Gute Mischung aus HipHop,Reggae und Funk...lohnt sich