laut.de-Kritik

Starke Folksongs über das Mensch sein.

Review von

Als Sängerin der Old-Time Band Carolina Chocolate Drops gewann die umtriebige Rhiannon Giddens 2011 und 2013 den Grammy für das beste (traditionelle) Folk Album. Überhaupt ist die innige Liebe zur traditionellen Musik mit einem Fokus auf Folk, Bluegrass und Old-Time stilprägend für das Werk der stimmgewaltigen, klassisch ausgebildeten Sängerin.

2015 und 2017 veröffentlicht sie ihre hochgelobten Soloalben "Tomorrow Is My Turn" und "Freedom Highway". Darauf folgt 2018 in Zusammenarbeit mit ihren afroamerikanischen Kolleginnen Amythyst Kiah, Leyla McCalla und Allison Russel der Release "Songs of Our Native Daughters", einer feministisch motivierten Verneigung vor der Stärke diskriminierter 'schwarzer' Frauen und deren Lebensgefühl. Selbstredend erscheint die Platte über Smithsonian Folkways Recordings, dem gemeinnützigen Label der Smithsonian Institution.

Nun liegt ihre dritte Scheibe als Solokünstlerin vor. Das Album ist das Ergebnis einer intensiven fünftägigen Kollaboration in Dublin mit dem italienischen Jazzimprovisateur, Alte Musik-Anhänger und Multiinstrumentalisten Francesco Turrisi. Der Titel "There Is No Other" ist dabei nicht nur musikalisch- programmatisch, sondern durchaus als postkoloniale, politische und dadurch auch als zutiefst aktuelle Aussage zu verstehen. Rhiannon bezieht Stellung gegen die kulturhegemoniell wirkende soziale Praktik des 'Othering', durch die das Bild des eigenen 'Selbst' über das des negativ konnotierten 'Fremden' und 'Anderen' gestellt wird.

Die klare Positionierung zugunsten humanistischer Werte des Verbundenseins sowie des gemeinsamen kollektiven Erlebens und das Anstrengen eines musikalischen, interkulturellen Dialoges zwischen den drei Amerikas, dem mediterranen Europa und der arabisch geprägten Welt stehen klar im Vordergrund. "Zehntausend Wahlmöglichkeiten, zehntausend stark, zehntausend Stimmen, erinnert euch unseres Liedes", mahnt sie in "Ten Thousand Voices". Das verdeutlicht auch ein Blick auf das Backcover des CD-Booklets, das Giddens und Turrisi sitzend in einem Kreis aus verschiedenen auf dem Album zu hörenden Instrumenten zeigt.

Um die verborgenen und heute oftmals in Vergessenheit geratenen historischen Verbindungen traditioneller arabischer und italienischer Musik, Oper, Gospel und appalachischer Bluegrass tonal herauszuarbeiten sind die verwendeten Instrumente so gewählt, dass sie die verschiedenen Musiken kulturübergreifend logisch verbinden. Giddens singt und spielt Minstrel Banjo, Viola und Baritonvioline, Turrisi das Piano, Akkordeon, Rahmentrommel, Bendir, Daf, Tombak, Laute, Cello-Banjo, Tamburello und die Colascione. Auf vier Stücken werden die beiden zusätzlich von der Irin Kate Ellis am Cello begleitet.

"There Is No Other" setzt sich dabei im Wesentlichen aus zwei untereinander verwobenen Einheiten zusammen. Vier der Songs, "Ten Thousand Voices", das nur aus Banjo und Rahmentrommel bestehende instrumental "There Is No Other", "I’m On My Way" und "He Will See You Through" sind Eigenkompositionen. Der Rest des Albums besteht aus einem facettenreich zusammengestellten Set aus Interpretationen von denen besonders das grandios emotionale "Trees On The Mountains" aus der Feder des amerikanischen Komponisten Carlisle Floyd, das auf den apulischen Tarantismus des 14. und 15. Jahrhunderts zurückgehende Traditional "Pizzica Di San Vito" und die Arie "Black Swan" des italienischen Komponisten Gian-Carlo Menotti hervorstechen. Das aus dem 19. Jahrhundert stammende und eindringlich gespielte Folk-Traditional "Wayfaring Stranger" knüpft am ehesten an ihre Old-Time Wurzeln an. Ebenfalls ein klares Highlight auf dem Album.

Einziger Schwachpunkt ist das gospelhaft anmutende "He Will See You Through", da es sich irgendwie dann doch nicht so recht in das klangliche Gesamtbild des Albums einfügen mag. Aber das ist wahrlich jammern auf ganz ganz hohem Niveau.

Insgesamt sind die Strukturen der Songs eher einfach gehalten. Das betont aber umso mehr das subtile semiotische Spiel mit der Instrumentation und gibt der dunklen Klangfarbe von Giddens mächtiger Stimme den nötigen Platz zum Atmen. Dass die Aufnahmen des Albums mit nur wenigen Bearbeitungen auskamen, steht dabei paradigmatisch für das hohe Niveau auf dem die beiden Musikschaffenden hier agieren.

In einem Interview mit der Irish Times sagte Giddens im Vorfeld der Veröffentlichung: "Für uns beide drehte sich alles um Bewegung ... Bewegung von Menschen und wie wir einander beeinflussen. Wenn man allein unsere Bandbreite an Instrumenten betrachtet, wo sie herkommen und wie sie durch die Welt gereist sind, ist das ziemlich großartig." Es liegt in Ohr und Hand des Zuhörers, dieses leidenschaftliche soziale Statement als Werkzeug für sich selbst zu nutzen.

Trackliste

  1. 1. Ten Thousand Voices
  2. 2. Gonna Write Me A Letter
  3. 3. Wayfaring Stranger
  4. 4. There Is No Other
  5. 5. Trees On The Mountains
  6. 6. Pizzica Di San Vito
  7. 7. Brown Baby
  8. 8. Briggs' Forró
  9. 9. Little Margaret
  10. 10. Black Swan
  11. 11. I'm On My Way
  12. 12. He Will See You Through

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