laut.de-Kritik
Wut ist immer noch besser als Resignation.
Review von Giuliano BenassiNachdem der Frontmann der aufgelösten Punkband Waxwing mit "Television Of Saints" (2012) sein am wenigsten düsteres Solowerk veröffentlicht hatte, stürzte er in eine Schaffenskrise. "Ich fühlte mich gehemmt durch das, was ich aus meiner Sicht darstellen sollte und sah mich nicht mehr als Songschreiber. Oberflächlich schien ich ein funktionstüchtiger Musiker zu sein, in Wirklichkeit hatte ich eine komplette Schreibblockade, kämpfte mit einer schweren Depression und hätte fast meinen Verstand verloren", erklärt Votolato.
Im Sommer 2014 gelang es ihm, wieder auf die Füße zu kommen. Mit 25 neuen Stücken im Gepäck stellte Votolato eine Band zusammen und begab sich mit seinem alten Bekannten Chris Walla (Ex-Death Cab For Cutie) als Produzent ins Studio. Beide beteuern, wie wichtig die zusammenarbeit war, befanden sie sich an schwierigen Momenten in ihren Leben.
Musik als Therapie, also. So handelt der Opener "Boxcutter" davon, Ballast und die Vergangenheit abzuwerfen, um einen Neuanfang zu wagen. Leben bedeutet, sich an der Kante zum Wahnsinn zu befinden, aber es ist möglich, nicht abzustürzen ("The Hereafter"). "I'm a patient with no patience", stellt Votolato im Titeltrack fest. Aber auch, dass alles gebrochen werden muss, um geheilt zu werden.
Und so weiter. Intime Texte, die Verletzlichkeit, Wut und Verzweiflung offenbaren, aber auch Licht durchlassen. Der Ausweg? Liebe, Geborgenheit, Aufopferung. Die für Votolato eher Entzündungshemmer als endgültige Heilung zu versprechen scheinen. Ein Teufelskreis also, aus dem es kein Entrinnen gibt.
Musikalisch geht er rockiger zur Sache als zuvor. Fast schon grungig, was man Votolatos Jugend und seinem Wohnort Seattle zuschreiben kann. Eher in der polierteren Version Pearl Jams als in der rauen Nirvanas, stellenweise gar mit Indie-Pop-Anleihen. Ein schnörkelloses Schlagzeug (Andy Lum), ein treibender Bass (Eric Corson) und verzerrte Gitarren (Rockys Bruder Cody) sorgen für einen Sound, der gut zu den Texten passt, und sie in einer gewissen Hinsicht erträglicher macht. Schließlich ist Wut besser als Resignation.
Der ruhige Votolato gehört jedoch nicht der Vergangenheit an. So kommen "Sawdust & Shavings" ("You have no idea of the power of the dark side") und das abschließende "The Finish Line" ("There's always hope/And no good thing ever dies") mit kaum mehr als seiner Stimme und seiner Akustikgitarre aus. Für mildere Zwischentöne sorgt auch Sängerin Emily Kokal (Warpaint), die in mehreren Stücken im Hintergrund zuhören ist.
"Ich schreibe viel über Traumata. Ich setze mich mit dunklen, beängstigenden Themen auseinander. Ich weiß aber, dass am Ende des Tunnels ein Licht scheint und dass der Prozess Heilung verspricht. Ich hoffe, man dass auch in der Musik hört", hofft Votolato.
1 Kommentar
geniale CD. Hab ihn als Vorband bei "von Brücken" gehört und seitdem läuft deine CD Rauf und Runter. Alle Songs sind genial!
Danke Nicki !