laut.de-Kritik
Das Rostfresserorgan knackt die Schale derber Strommusik.
Review von Ulf KubankeRoger Baptist alias Rummelsnuff ist das seltene Kunststück gelungen, eine extrem sympathische Kunstfigur erschaffen zu haben, die man aus der Publikumsperspektive kaum vom realen Charakter unterscheiden kann. Das hat außer Helge Schneider kaum jemand erreicht. Mit seiner neuen Platte "Kraftgewinn" macht Rummelsnuff genau dort weiter, wo er mit "Himmelfahrt" zuletzt aufgehört hat.
War jene Scheibe schon ein recht deutlicher Achtungserfolg, so rückt der große Durchbruch mit "Kraftgewinn" in erreichbare Nähe. Das Rezept ist vielversprechend: Der Sound pendelt zwischen dem minimalen Einmannorchester des Alleinunterhalters und einer fetten Produktion. Des Rummels kehliges Rostfresserorgan streut mal humoristische, dann wieder zutiefst ernsthafte Zeilen dazwischen.
Es macht viel Spaß, mit zu erleben, wie souverän dieser Happy Hippo des EBM die goldene Showbizregel "Wichtig ist nicht nur, was man macht, sondern vor allem wie!" beherrscht. Das knuffige Bild des goldherzigen Seebären hat er dabei fest im Blick. "Der Käpt'n nimmt dich mit / Denn du bist der, dem er vertraut /Er hat euch dieses Boot gebaut" ("Der Käpt'n Nimmt Dich Mit").
Tolle Gäste wie Bela B. sind beim Malen des Charaktergemäldes gern behilflich ("Schiffbruch"). Unwiderstehlich charmant, wie dieser Muskelberg von einem Schiffsführer den "Herrn B" mitten im Track belehrt, statt "Captain Snuff" doch bitte "Käpt'n Snuff" mit deutschen "U" zu sagen. Wer ihn ab diesem Moment nicht liebt, der hat kein Herz.
Musikalisch passiert eine ganze Menge. Baptist ist ein hoch versierter Musiker mit namhafter Vergangenheit ("Die Freunde Der Italienischen Oper"). Er liebt es, seine Teufel im Detail zu platzieren. Unter der rauhen Schale derber Strommusik passiert stilistisch recht viel. Seine Bläser tröten sich als Kontrastmittel in einen Rausch aus Polka, Shanty, Ostfolklore, Brecht/Weill und deutscher Blasmusik. Dazu gibt es mal heftigen Rock ("Yokozuna"), dann skelettierten Futurepop und Tangerine Dream-Sequenzer im Bonsaiformat ("Hundmann", "Salutare") und sogar Gesangslinien, die sich auch im Opernhaus nicht blamierten ("Salutare").
Natürlich darf der ebenso breitbrüstige wie selbstironische Vorabhit "Bratwurstzange" nicht fehlen. Dennoch gibt es beeindruckendere Lieder. Die stimmige Materialismus- und Systemkritik von "Minderleister" lässt ebenso aufhorchen wie die empathische Hommage an einfache, aber essentielle Alltagshelden in "Gerüstbauer". "Armdrücker" mag textlich nicht die Bombe des Jahrhunderts sein. Als straight reingebutterter Elektrorockohrwurm erster Kajüte gleichwohl ein Abräumer.
Die in jeder Sekunde spürbare Liebe des Käptn's zur Musik in verschiedensten Formen ist dermaßen ansteckend. Sobald die Plattennadel das Ende erreicht, wirft man den "Kraftgewinn" wieder an. "Halten Sie sich fest /Ihr Käpt'n ist bei Ihnen und sorgt sich um den Rest." Aye, aye, Sir!
8 Kommentare mit 2 Antworten
Mir macht der Käpt'n Angst. Die Musik mag ich zum großen teil trotzdem.
Rummelsnuff hat schon Gewichte gepumpt, als Dünnbrettbohrer wie Fler sich noch mit Karotten und Möhren vergnügt haben. Ganz großer Mann. Maskulin!
Sollt' ich mal reinhören.
"Das Rostfresserorgan knackt die Schale derber Strommusik."
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beachtlicher mann
Mit seiner neuen Platte "Kraftgewinn" macht Rummelsnuff genau dort weiter, wo er mit "Himmelfahrt" zuletzt aufgehört hat.
wie kann es dann sein, dass die Bewertungen so komplett verschieden sind??