laut.de-Kritik
Birds in the Trap sing Lenny Kravitz.
Review von Yannik GölzEs gibt eine ganze Menge Attribute, anhand derer man Saint JHN beschreiben könnte. Der Mann stammt aus Guyana und seine Lebenserfahrung setzt sich aus einer Dualität aus New York und Südamerika zusammen. Der Kerl, der gerade sein zweites Album veröffentlicht, hat schon jahrelange Szene-Kredibilität, die er als Ghostwriter für Beyoncé, Usher oder Jidenna verdient. Aber wenn man seinen Zweitling "Ghetto Lenny's Love Songs" wirklich am Schopf packen will, geht es ganz einfach: Saint JHN ist vor allem ein ziemlich starker Vokalist.
Das "Ghetto" im Albumtitel kommt dabei auf keinen Fall zu kurz. Die Straßen-Attitüde passt John wie angegossen. Trotzdem verfällt er auf dieser Platte selten in Stereotype. Eher verortet er sich irgendwo zwischen einem Roddy Ricch und einem Ty Dolla $ign, als ein irgendwo opulenter, aber dennoch von der harten Realität weise gemachter Jungspund, der sich vorgenommen hat, es besser zu wissen.
Nummern wie "94 Bentley" oder "Trophies" drücken eine Sehnsucht nach Validierung aus. Nicht Szene-Respekt, nicht einmal künstlerische Anerkennung. Es geht um Bares, um harte Wahrheiten, die in der amerikanischen Gesellschaft scheinbar nur monetär ausgedrückt werden können. Da steckt ein vehementer, beharrlicher Unterton darin, wie John die Wahrheiten der Welt stets in einer materiellen Dimension vermisst. Aber der klagende Ton, der sie vorbringt, kann deshalb auch anklagend klingen.
Es ist die Preacherman-Ästhetik, das Portrait des Künstlers als Schwamm, der als neutraler Träger die Umstände seiner Umgebung absorbiert und wiedergibt. Nicht wertend, nur bedingt reflektieren. Eine Disziplin, die schon Trappern wie Future oder Lil Baby eine unvorhersehbare Kante verliehen hat, und deren unvergänglicher Ton sich auch auf "Ghetto Lenny's Love Songs" widerspiegelt. Da wundert es nicht, dass ebenjener Lil Baby auf "Trap" selbst für ein stampfendes Feature einschreitet, begleitend zu Johns vielleicht griffigster Hook der Platte.
Trotzdem ist das "Ghetto" im Albumtitel nur komplementär zu den "Love Songs". Die Darstellung von Liebe in smoothen, tanzbaren Lovesongs ist natürlich etwas, das John mit seiner eigenwilligen, etwas überzeichneten Stimme durchaus aufs Parkett bringen kann. Viel interessanter wird es aber, wenn er diese Ideen mit den toughen Realitäten vermengt. Immer wieder gibt er deshalb auf Songs wie "Who Do You Blame?" oder "Call Me After You Here This" gemischte, ernüchterte Gefühle preis.
Alle Stärken des Mannes werden auf "Borders" zum Highlight geführt, wo er tatsächlich mit Lenny Kravitz einer persönlichen Ikone und dem Namenspaten des Albums zum Duett bittet und eine beeindruckend wenig schmachtende, dafür sehr bittere und eindringliche Ballade über emotionale Unverfügbarkeit schreibt. Über Grenzen, die Enttäuschung, Frustration und Perspektivlosigkeit in Menschen aufgebaut hat und die Liebe nur schwer überwinden kann. Wie Common schon sagte: "Love is hard to find in the streets", und dieser Song ist nur ein weiteres Artefakt dieser Wahrheit.
Der Zement, der das Fundament von "Ghetto Lenny's Love Songs" zusammenhält, ist die durch die Bank einwandfreie Performance von Saint JHN, der durchgängig von straßentauglichen Trap-Raps und tanzbaren Gesangspassagen oszilliert. Hip Hop und R'n'B in dieser Symbiose ist typisch für prägende Artists dieses Jahrzehnts. Auch wenn John noch weit davon entfernt ist, selbst einen wirklichen Fußabdruck darauf zu hinterlassen, gibt er mit diesem zweiten Album einen wunderbaren Einblick in die Realität eines talentierten Trap-Songwriters, der sich wunderbar in den Kontext der aktuellen Szene einfügt und sicherlich noch ein paar Treffer mehr im Ärmel verbirgt.
3 Kommentare mit 6 Antworten
Dachte schon, dass man dazu Garnix mehr lesen wird auf laut.de, da es wichtiger ist "Augen Husky" und Lutschiano Alben zu rezensieren.
Für mich 5/5, absoluter AOTY Kandidat (nach TOOL obv.!). "Wedding Day", "Trap" und "Borders" sind einfach absolut grandiose Bretter und auch ansonsten gibt es keinen einzigen Ausfall. "Collection One" fand ich schon absolut underrated, aber Ghetto Lenny setzt wirklich nochmal Einen drauf. Wer sowas hated hat Rap nicht verstanden.
Geb ich dir so recht. Absolutes Brett.
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Du hatest Fler also hast du offensichtlich Rap nicht verstanden. Wer denkst du wer du bist.
Bitte benimm dich, sonst gibt es ne Rübe in den Anus, hm? Danke!
Volle Zustimmung.
Klingt alles gleich wer das als Rap bezeichnet hat die Kontrolle über sein Leben verloren 1/5
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Es ist ja wahnsinnig aufregend, wenn jemand Musik über seine Umgebung macht. Obs nun das Ghetto ist, eine Yacht, ein Pilates-Studio oder eine Reichsbürgersiedlung. Ich z.B. mache bald ein Mixtape übers Büro. Wird sicher gut.