laut.de-Kritik
Details, mit Samthandschuhen aus den Reglern gekitzelt.
Review von Magnus HessePurzelnde Beats, vertrackte Soundcollagen voller elektronischer Schnipsel: Manche Songs auf "Wonder Where We Land" klingen, als habe man herkömmliche Instrumental-Beats einmal durch den Schredder gezogen und neu wieder zusammengeschustert. Dabei geht Aaron Jerome aka SBTRKT an seinen Drehknöpfen mit der Pinzette zu Werke: Sein Sounddesign, Bastelarbeit unter dem Mikroskop, erschafft aus Segmenten dreidimensionale Architektur.
Der erste Wegweiser "New Dorp. New York" kündigte bereits an, dass das Zweitwerk nicht ganz so flauschig in die Ohren passt wie das selbstbetitelte Debüt. Das Album birgt abgesehen von den Single-Exzerpten "Higher" (feat. Raury) und "Temporary View"(feat. Ezra Koenig) keinen Hit, den man so einfach aus dem geölten Gewinde herausklamüsern kann.
Oft pausen sich am stärksten hiphoppige Elemente durch, dennoch herrscht wuchernder Reichtum an Anleihen aus unterschiedlichsten Genres. Die kunterbunte Palette mischt Sprenkel von Post-Dubstep mit souligem R'n'B und klatscht dem bassig funkigen Gesamtanstrich auch ein paar dicke Pop-Klekser auf.
Das hochstilisierte "Wonder Where We Land", das mit einem bedrohlichen Basswummern den Urpunkt markiert, zieht sukzessive wie ein Magnet mehr und mehr metallische Soundpartikel an, die Samphas Gesang anreichern. "Higher", dem Raury den tickenden Flow eines Metronoms verpasst, mit dem ätherischen Background-Gesang im Chorus ist eine tighte Angelegenheit und beweist, wie ungezwungen sich klassische Rap-Chiffren in das hochfrisierte Elektro-Kostüm fügen.
Um in diesem blühenden und zirpenden Sound-Jungle nicht gänzlich vor lauter Bäumen den Wald zu verfehlen, nehmen einen sphärische Interludes wie "Osea" (feat. Koreless) oder "Day 5" an der Hand und spinnen den schimmernden Ariadnefaden weiter durch das Klang-Labyrinth.
Die reinen Instrumentals scheinen aus einem riesigen Universum zu schöpfen. Daraus greift der Produzent mal eben eine Hand voll herumschwirrender Soundstreusel ab und streut diese über ein paar eingespielte Klavier-Loops. Das Ganze pfercht er zwischen Drumcomputer-Beats. "Look Away" zum Beispiel funktioniert so und leiht sich die Stimme Caroline Polacheks, die mantrahaft den Titel des Vierminüters gepitcht und zuweilen orientalisch angehaucht wiederholt. Besonders die hallend klimpernden Reverse-Arpeggios auf die grellen Klicks und die Splitterregen-Klänge rufen immer wieder Flying Lotus auf den Plan.
Auch Sampha ist mit seiner lasziv poppigen Stimme Dauergast und zeichnet mitverantwortlich für "Temporary View", die R'n'B-Perle schlechthin. Mit stählern glitzerndem Synthie und einem Halt-Time Drop allererster Güte, der die Strophe zerraspelt, träufelt das süßlich ins Ohr. "Problem (Solved)" mit Jessie Ware fährt die selbe Schiene, obwohl man Aaron Jeromes Produktion hier die Anstrengung anmerkt, die Nummer über einen polierten Soul-Singsang hinweg zu schrauben.
Das Herrliche an "Wonder Where We Land" ist aber eigentlich, dass es eben nicht zu viel will. Im Gegenteil, trotz der langen, spartenübergreifend besetzten Gästeliste und den diversen Fängen aus den Tiefen der Sound-Wundertüte wirkt die Platte ziemlich cool und keineswegs überdimensioniert. Vielleicht ja, weil flapsige Funk-Bass-Stücke wie "Gon Stay" oder "New Dorp. New York" das Dub-Karussell mit hopsenden Riffs abfedern.
Insbesondere der dann aber doch etwas zu kühl geratene Vorbote "New Dorp. New York" reduziert an allen Ecken und Enden und bleibt im etwas monotonen Drum'n'Bass-Korsett verhaftet, das aber seine entschlackende Funktion erfüllt. Die Stammesritus-Rhythmik des stagnierenden Tracks evoziert gleichwohl etwas Urvölkisches und erinnert an den hübschen Sichtschutz des Briten.
Wirklich aus dem Rahmen fällt hier aber eigentlich kaum etwas, so weit spannt sich dieser. Wenn überhaupt, dann "If It Happens": Sympathisch kurz gehalten, lässt das schicke Stückchen gar nicht erst den Verdacht aufkommen, sich als die obligatorische Ballade des Longplayers profilieren zu wollen, die sich Teenies neben "Temporary View" als Albumspreisel in die iPod-Playlist rammen. Die Zeile "I lie to myself just to be close to somebody else", die Sampha nur mit Piano einsingt, bleibt, anders als die meisten lyrischen Gastbeiträge, in bleibender Erinnerung.
Bei "Voices In My Head" mit A$ap Ferg und Warpaint ist dann aber wieder Schluss mit lustig. Den Kirmeskram in der Ecke verstaut, krempelt Aaron Jerome hier wieder so richtig die Ärmel hoch: Ein Schlagzeug-Beat, der DJ Shadow stolz machen würde, unterläuft mit schmissigen Fill-Ins den gegengebürsteten Flow Fergs und groovt wie ?uestlove ohne fancy Schnickschnack.
Dabei gerät "Wonder Where We Land" als Ganzes eigentlich ultra-fancy. Der Inhalt wirkt mindestens so ausgestaltet wie das Cover. Das macht SBTRKT aus: die feinen und feinsten Details und die akribisch ausgestanzten Klangformungen, die der Künstler mit Samthandschuhen aus seinen Reglern kitzelt.
1 Kommentar
Großartiges Album. Rezension find ich zu blumig.