laut.de-Kritik
Harmonie und Einklang auf Knopfdruck.
Review von Daniel StraubDer Elektronik-Komponist Christopher von Deylen feiert in diesem Jahr den zehnten Geburtstag seines Projekts Schiller. Was 1998 mit der Trance-Produktion "Das Glockenspiel" begann, ist inzwischen einer der erfolgreichsten Pop-Acts in Deutschland.
Jede Album- oder DVD-Veröffentlichung verkauft sich tausendfach. Fünf goldene Schallplatten konnte von Deylen bislang einheimsen. Die Konzertauftritte von Schiller sind regelmäßig ausverkauft.
Jetzt erscheint mit "Sehnsucht" das fünfte Schiller-Album. Und der Erfolg wird sich aller Voraussicht nach einmal mehr fortsetzen, die Fans halten Christopher von Deylen auch 2008 die Treue. Und sie werden von "Sehnsucht" nicht enttäuscht werden.
31 neue Songs hat von Deylen in den vergangenen beiden Jahren komponiert. Geplant waren sie als instrumentale Tracks, eine Art Rückkehr zu den Wurzeln im zehnten Jahr des Bestehens von Schiller.
Das wollte von Deylen dann aber weder seinen Fans noch seinem Konto zumuten, und so setzt "Sehnsucht" einmal mehr auf die erfolgreichen und bewährten Schiller-Zutaten. Von Deylen besorgt die Komposition der sphärischen Ambient-Pop-Tracks. Eine große Zahl von Gastsängern gibt den Stücken ihre Stimme.
Die Sängerin Kim Sanders kennen Schiller-Fans bereits von früheren Produktionen. Mit Anna Maria Mühe und Ben Becker sind außerdem auch zwei Schauspieler auf "Sehnsucht" zu hören.
Für den Titelsong hat Christopher von Deylen einen der gefragtesten deutschen Musiker ins Studio geholt: Xavier Naidoo leiht "Sehnsucht" seine Stimme und hat zugleich auch die Vocals geschrieben. Klar, dass der Song als erste Single des Albums ausgekoppelt wurde.
Nun ist ein bisschen Name-Dropping reichlich wenig, wenn man ein neues Album bespricht. Schiller macht es einem aber auch nicht leicht. Neues sucht man vergeblich, mit Ausnahme der erwähnten Stimmen. Ansonsten gibt sich von Deylen konservativ bis dort hinaus.
Angefangen vom Layout, das seit zehn Jahren dem gleichen Corporate Design folgt, über die Musik, bei der jede Spontanität in einem Meer von Wohlklang ertränkt wird. Bis hin zu den Videos, die einmal mehr das Thema "Weltreise" aufgreifen: es kommt einem auf "Sehnsucht" alles schrecklich bekannt vor.
Auf der zweiten CD bekommt das Album zwar ein wenig mehr Biss. Das liegt in erster Linie an von Deylens Kooperation mit Klaus Schulze, seines Zeichens Ex-Mitglied von Tangerine Dream und einer der Pioniere elektronischer Musik. Das gemeinsame Stück "Zenit" ist in der Audio-Fassung allerdings auf knapp 13 Minuten gekürzt.
In voller Länge ist "Zenit" im DVD-Teil von "Sehnsucht" zu hören. Knapp 33 Minuten dauert die Jamsession der beiden Knöpfchendreher. Ganz gut, aber eben nicht zwingend.
Man hätte es eigentlich auch mit zwei CDs gut sein lassen können. Aber Schiller hat auch noch zehn Videos, Liveaufnahmen, ein Interview sowie Impressionen seiner Auto-Tour von Berlin nach Kalkutta auf "Sehnsucht" draufgepackt.
Wirklich gut sind die Videos allesamt nicht. Und die musikalische Autoreise nach Indien bedient einmal mehr das Klischee vom Global-Pop-Act Schiller, der sich von der Schönheit der Welt zu traumhaften Songs inspirieren lässt. Abgedroschener geht es kaum.
Dem Erfolg von Schiller wird dies freilich keinen Abbruch tun. Die Deluxe-Version aus zwei CDs und einer DVD kostet immerhin stolze 30 Euro. Im Gegenzug gibt's dann drei Stunden Harmonie und Einklang auf Knopfdruck. Und wer auf "Sehnsucht" noch nicht genug davon bekommt, der hat ab Mitte Mai Gelegenheit, Christopher von Deylen bei einem seiner 14 Konzerte in Deutschland zu erleben.
5 Kommentare
Wenn man die Tatsache berücksichtigt, das Herr Straub, wenn man seine Reviews studiert, die Höchstwertung immer nur für musikalisch unbedeutende Nullnummern vergibt, die in der Musikgeschichte garantiert keine erwähnenswerte Spuren hinterlassen werden, dann kann man diese Review durchaus positiv sehen.
Frei nach dem Motto, was dem Herrn Straub nicht gefällt, muß gut sein.
Ich denke nicht, daß Künstler wie Carl Craig oder Rodney Hunter (um nur 2 "Höchstwertungen" zu nennen) "musikalisch unbedeutende Nullnummern" sind.
Aber es kommt auch sicher darauf an, wie man "musikalisch unbedeutende Nullnummern" für sich persönlich definieren mag.
Ein wirklicher Fan von Schiller war ich nie, aber seine bisheriges Oeuvre war immer gut genug, um die eine oder andere Stunde relaxed und mit einem gewissen akustischen Wohlgefühl zu verbringen.
In das neueste Werk habe ich nur teilweise reingehört, kann aber schon die eine oder andere leichte Abnutzungserscheinung feststellen. Da habe ich manchmal das Gefühl, daß ein Großteil meiner "noch gut-Bewertung" mittlerweile auf die weiterhin gelungene Auswahl illustrer Gäste am Mikrofon zurückzuführen ist.
Wahrscheinlich werde ich mir das Album auch wieder zulegen, obwohl mich in der Summe nichts an gravierend neuen Dingen erwarten dürfte, sondern eher die 4. - 6. mehr oder weniger gelungene Variation des gleichen musikalischen Stilfundaments.
Über Einträge in der Musikgeschichte zu befinden ist nicht meine Aufgabe. Ich schreibe Reviews und darin geht es in erster Linie um Geschmack. Gute Musik, so mein Geschmack, lebt von Ideen. Die hat Schiller durchaus gehabt. Deshalb hat er in der Vergangenheit auch schon mal vier Punkte von mir bekommen. In seiner neuesten Produktion vermisse ich jedoch Ideen. Das Release macht vielmehr den Eindruck einer Fließband-Produktion nach Schema F. Handwerklich gibt es daran nichts auszusetzen, alles prima. Vielmehr hat "Sehnsucht" aber nicht zu bieten.
@Danchichi (« Gute Musik, so mein Geschmack, lebt von Ideen. Die hat Schiller durchaus gehabt. Deshalb hat er in der Vergangenheit auch schon mal vier Punkte von mir bekommen. In seiner neuesten Produktion vermisse ich jedoch Ideen. »):
Das wäre die Kurzversion, sehe ich ziemlich ähnlich.
Schliesse mich da an.
Ein zu konservatives "Geschäftsmodell" aus Angst etwas falsch zu machen, wird über kurz oder lang zum scheitern verurteilt sein.
Ich war auch im Konzert und kann nur anmerken, dass die wirklich interessanten Parts von den Gastsängern kamen, besonders von Kim Sanders (eine wirklich herausragende Sängern). Schiller "pur" sind mit die Parts wo man gerne "vorgespult" hätte.
Kann man nur hoffen das von Deylen nicht schon mit seinem Latein am Ende ist und uns die nächsten Jahre nur noch mit seinem Schema F beglücken will und jede weitere CD wie eine 1:1 Kopie der vorigen klingt.