laut.de-Kritik
Aufrecht, kämpferisch und mit Stil.
Review von Dani Fromm"Give The People What They Want": Die Welt hat ein paar Monate länger als ursprünglich geplant auf die Erfüllung dieses titelgebenden Versprechens warten müssen. Um so besser fühlt es sich jetzt an, Sharon Jones einigermaßen unbeschadet wieder auf der Bühne stehen zu sehen.
Ihrer Krebsdiagnose begegnete sie wie schon mancher Widrigkeit zuvor: aufrecht, kämpferisch und mit Stil. Wäre ihr fünftes Album nicht vor ihrer Zwangspause bereits fertig im Kasten gewesen, man könnte glatt auf die Idee kommen, es künde genau davon. Ein deutliches Indiz dafür, dass sich bei Sharon Jones zu jeder Zeit alles darum dreht, sich eben nicht wegzuducken, sondern Herausforderungen, gleich welcher Art, die Stirn zu bieten.
Ihre Botschaft könnte unmissverständlicher kaum ausfallen: "Here I come." Daran lässt Sharon Jones von Beginn an nicht den leisesten Zweifel aufkommen. Um diese Frau aus der Bahn zu werfen, muss schon einiges passieren. Sie singt, ganz klassisch, von Liebesfreud und Liebesleid, den ewig alles beherrschenden Themen (nicht nur) im Soul: "Making Up And Breaking Up (And Making Up And Breaking Up Over Again)". Herzschmerz? Okay. Doch für Weinerlichkeiten bleibt keine Zeit. Kopf hoch und den undankbaren Kerl in die Wüste geschickt. Die nächste Gelegenheit wartet nur darauf, sich beim Schopf packen zu lassen.
Was Sharon Jones nicht umbringt (und das hat bisher nichts und niemand geschafft), scheint sie immer nur noch besser zu machen. Inzwischen besteht sie offenbar endgültig nur mehr aus elementarer, roher Soul-Power. Aretha Franklin, Etta James, Otis Redding und die junge Tina Turner grüßen - und offerieren ihr die Krone auf dem Silbertablett.
Zu ihrem unverschämten Talent, ihrer Kraft, dem überbordenden Gefühl und ihrem schlafwandlerisch sicheren Timing führt Sharon Jones - es wirkt beinahe schon unfair - noch einen weiteren Trumpf im Ärmel: Sie vertraut auf die Rückendeckung der möglicherweise besten Backing-Band der Welt. Die Herren Dap Kings bauen ihrer Königin nicht nur ein Fundament, sondern stellen ihr darauf auch gleich den funkelnden Thron auf.
Knochentrockene Drums, knarzige Bläser und pointiert eingesetzter Backgroundgesang und Percussion markieren die Höhepunkte im klassischen Vintage-Sound, der die Blütezeit des Soul zu neuem Leben wachküsst. Von der ersten angeschlagenen Saite an groovt der Bass und funkt die Gitarre, als habe sich eine Zeitblase aufgetan, in der die 60er niemals enden wollen. Schmissige, schweißtreibende Rhythmen servieren die Dap Kings genau so versiert, wie sie in getragenerem Tempo agieren. In "We Get Along" weht sogar eine Ahnung von Reggae durch die Luft.
Die vielleicht größte Leistung dieser virtuosen Musiker besteht allerdings in der Fähigkeit, ihr strahlendes Licht bescheiden unter den Scheffel zu stellen. Dezent halten sie sich im Hintergrund. Sobald sie zu singen anhebt, gehört das Rampenlicht, gehört die ungeteilte Aufmerksamkeit einzig und allein Sharon Jones.
Wenn "Give The Poeple What They Want" eins zeigt, dann, dass Leichtfüßigkeit und Tiefgang keineswegs Gegensätze darstellen müssen. Sharon Jones steigt über die Steine und Knüppel, die ihr das Schicksal in den Weg wirft, und wirkt in all ihrer Intensität doch so unaufgeregt, als handle es sich dabei um einen Nachmittagsspaziergang. Die Gewissheit, dass am Ende jedes Tunnels auch wieder ein Licht wartet, klingt aus jeder Zeile - der Optimismus steckt an.
"You'll Be Lonely" zeigt nicht etwa eine verlassene, jämmerliche Existenz, es handelt sich um die Anklage einer starken, ungebrochenen Frau. Wer so dumm ist, die in den Wind zu schießen, hat sie ohnehin nie verdient gehabt. "Play with me and you play with fire."
Wenn "Slow Down Love" am Ende wie mit einer warmen Umarmung in die Nacht entlässt, bleibt neben dem wohligen Gefühl nur noch ein Gedanke: So schön, dich wieder gehört zu haben, Sharon. Sei versichert: Davon wollen die Leute noch viel mehr.
3 Kommentare mit einer Antwort
Danke Dani! :-*
Hab grad mal bisschen reingehört... bilde ich mir das ein oder klingt sie stimmlich stärker als je zu vor? Hat irgendwie noch mal ein ganz anderes Feeling als auf ihren vorherigen Alben finde ich... oh gott "Retreat!" ist eine Wucht! Den Hörproben nach zu urteilen das beste Soulalbum der letzten Jahre... zumindest schlägt sie Charles Bradley locker... die Frau ist einfach sooo geil!
Die Platte ist auf jeden Fall etwas anspruchsvoller als die letzten. Schwer zu umschreiben nach einem Hördurchgang, aber ich hatte das Gefühl, daß ihre Songs immer sehr schnell durchschaut waren. Auch waren sie so produziert, daß sie direkt ins Ohr gehen. Hier allerdings stecken überall kleine Details in der Produktion und kleine virtuose Verspieltheiten bei der Band. Die Songs sind ebenfalls gewachsen. Starke Platte!
Ja, die vorherigen Platten ähnelten sich sehr in ihrer Eingängigkeit, hier geht sie das erste Mal einen Schritt weiter