laut.de-Kritik
Groteske Wiederkehr der untoten Girlboss-Persona.
Review von Yannik GölzSchoolly D gilt gemeinhin als der erste Gangster-Rapper. Er existierte als Reaktion darauf, wie das weiße Amerika auf die erste Generation Rap reagiert hat: Egal, wie friedfertig und harmlos sie Party-Moderation über Funk-Breaks gemacht haben, für die Medien sah all das immer aus wie ein Haufen vercrackter, gefährlicher Schlägertypen. Schoolly D dachte dann: Ihr wollt eine Horrorvision eines gewaltbereiten Gangbangers? Ich gebe euch eine. Ich werde jeden toxischen Stereotyp, den ihr mir zuschreibt, vollständig und weit darüber hinaus verkörpern, und eure Kids werden es LIEBEN. Siehe da: Ein neues Subgenre war geboren.
Dieses Muster zieht sich von da an von Ice-T bis Hafti durch: Gangster-Rap hat immer bedeutet, nicht mehr den Boogeyman zugeschrieben zu bekommen, sondern der Boogeyman zu sein. Willkommen also, beim seltsamen Fall der Shirin David. Sie hat offensichtlich nichts mit Gangster-Rap zu tun, vollendet aber auf ihrem neuen Album "Schlau Aber Blond" dieselbe Bewegung: Auch sie verwandelt sich in den Boogeyman, als der sie ihr Leben lang betrachtet wurde. Ihr Boogeyman: die Rolle der strohdummen, oberflächlichen Blondine. Ihr Gangster-Rap: Tussen-Rap.
Entsprechend spiegelt Shirin auf diesem Album wirklich jedes sexistische Klischee über ihren Archetyp Frau. Sie geht damit bisweilen so hart, dass es an Image-Rap grenzt. Die Barbie, zu der sie auf diesem Album mutiert, ist so pink, so grell und so bescheuert, dass sie gar keine echte Person mehr sein kann. Shirin ist auf diesem Album eine Bitch im selben Sinne, wie Kollegah auf seinen Zuhältertapes ein Pimp ist.
Das klingt alles erst einmal lobenswert und irgendwie einleuchtend. Das Problem ist nur: Shirins Blutgrätsche in den Paris Hilton-Farbtopf malt eine Panorama-Aufnahme von sektduseligem Nullerjahre-Gossip so exakt, dass sie einen Aspekt dieser Inspiration wirklich haargenau trifft, nämlich: All diese Sachen waren scheißenervig - und auch dieses Album ist scheißenervig.
Abgesehen davon, dass man feministischerweise ja schon in Frage stellen kann, ob es wirklich so doll provokant und empowernd ist, sich mit Schmackes in alle Rollenbilder zu schmeißen, die fünfzigjährige Comedians je entworfen haben: Das zu beantworten, liegt nicht bei mir. "Schlau Aber Blond" wirft aber alle Versuche Shirins, als Rapperin ernst genommen zu werden, über Bord. Stattdessen gibt es dieses pseudo-diskursive Stück Ragebait, auf dem ihr Tussen-Rap kurze Momente von hörbarem Pop mit untiefem Cringe durchsetzt.
Es fängt schon als schlechtes Omen damit an, dass der Boomer-Witz "Meine Damen und Herren, es singt für sie: das Niveau" das Album eröffnet. Ich schwöre, den hat meine Großtante auf einer Tasse stehen. Der Titeltrack funktioniert darauf wie der Abstract für das ganze kommende Projekt: "Machst du die Stimme etwas höher, den Ausschnitt etwas tiefer / Werden Augen immer größer und Männer primitiver / Wenn er schon gestresst ist, mach extra noch mehr Drama." Oder zur Hook: "Ja, ich habe immer Recht / und dazu bin ich perfekt / Jeder weiß es, ich bin schlau, aber blond." Hat Laas keine Zeit mehr und Mario Barth musste das Writing-Team auffüllen? Was zur Hölle ist das?
Abgesehen davon, dass wir es wirklich mit einer halben Stunde abgestandenster Blondinen-Witze zu tun haben, die in meiner Kindheit schon einen Bart haben: Sie hat mit der Zeile "Machst du die Stimme etwas höher" absolut nicht geflunkert. Immer wieder entstehen hier Passagen, in denen sie künstlich in diese cutesy Kopfstimme geht, und die müssen gegen irgendeinen Paragraphen der Genfer Konvention verstoßen. "Ganz viele Partys, ganz wenig Schlafi / posten süße Bikini-Piccies" von "Küss Mich Doch" habt ihr wohl leider schon gehört. Aber, Boy, wo das herkommt, gibt es noch viel mehr. Seinen vernichtenden Höhepunkt findet Shirins neues Lieblings-Gimmick aus der Hölle auf dem Song "PMS". Da geht es darum - ihr habt es schon geahnt - dass Weiber vor ihrer Periode absolut verüüüückt sind! KENNSTE?! KENNSTE?! ALSO MEINE OLLE ...
Nein, pardon. Aber auch nicht wirklich. "Ich bin laut, ich bin frech / Doch mein Baby wischt die Tränen weg", singt sie. Im zweiten Part gibt es noch ein wunderbar komödiantisches Bit über Frauen am Steuer. Nein, wirklich, dieses Album lässt keinen Evergreen aus, wobei sich wunderbar ausblenden ließe, was sie hier von sich gibt, weil ihre Tonlage über den Glitzer-Glitzer-Schlagerbeat ein paar Sekunden Songlänge von einem Migräne-Anfall entfernt ist. Wenn sie für ihre Schmerzen Empathie schaffen möchte, ist es ihr gelungen. Aber ich bezweifle, dass dieses geteilte Leid wirklich halbes Leid ist.
All das garniert natürlich noch ein seltsam ausgeprägter Opfer-Komplex. Sowohl Intro als auch Outro kommen wirklich mit der Energie eines Gangster-Rappers daher, der sich damit auseinandersetzt, wie Gift für die Gesellschaft behandelt zu werden. Klar, wahrscheinlich ist der Hass, der Shirin entgegenschlägt, überzogen. Aber erstens interessiert es mich nicht, ob Leute sie canceln wollen, und zweitens darf man sich über diese Reaktionen doch nicht ernstlich beschweren, wenn das Trollen irgendwelcher Diskurse schon lange das eigene Handwerk ersetzt hat.
Wirkliche handwerkliche Entwicklung lässt Shirin nämlich schmerzhaft vermissen. Sie singt auf diesem Album deutlich mehr, es gibt dabei auch durchaus Stellen, die immerhin ganz okay klingen. Man könnte sie zwischen ihrer Uwu-Kopfstimmen-Folter leicht vergessen, aber die soliden Pop-Momente sind da. Vor allem, wenn sie einen geilen Beat bekommt, wie sie es auf dem Hip House-Megahit "Bauch Beine Po" oder auf dem wirklich starken "GRWM" tut. Kuration und Soundbewusstsein sind bei Shirin definitiv überdurchschnittlich vorhanden. Um so bedauerlicher, dass die Tracks dieses Mal fehlen, in denen ihr Eifer durchschlägt, sich als Rapper zu präsentieren. Da ist kein "Babsi Bars" mehr, kein "Bramfeld Stories", kein Wille, sich wirklich zu beweisen.
... und man versteht es ja irgendwie. Shirin hat ehrlich versucht, sich in der Rap-Szene zu etablieren. Aber um da richtig anzukommen, hätte sie es in einer Zeit versuchen müssen, in der es noch eine Rap-Szene gab. "Schlau Aber Blond" ist der komplett hirnlose Heelturn, der sich abgezeichnet hat. Es ist ein monothematisches, überkandideltes, nerviges Album, das immer wieder die gleichen Knöpfe drückt. Es will offensichtlich als dieses große Statement verstanden werden, als dieser Akt der Provokation.
Aber ganz ehrlich? An Ende des Tages gibt es doch nur 2014-Buzzfeed-Feminismus, es gibt Meghan Trainor, eine unglaublich frustrierende und nervtötende Wiedergeburt aller zurecht zerschlagenen Girlboss-Klischees. Man sagt ja, die Dinge kämen immer zweimal, einmal als Tragödie und einmal als Farce: Aber Shirin Davids groteske, untote Girlboss-Persona sollte trotz vereinzelter solider Pop-Momente nicht mit Relevanz belohnt werden. Das hier alles fällt ziemlich eindeutig in die Kategorie Millennial-Cringe.
10 Kommentare mit 12 Antworten
Barbie macht jetzt Plastik Musik. Passt doch.
"Egal, wie friedfertig und harmlos sie Party-Moderation über Funk-Breaks gemacht haben, für die Medien sah all das immer aus wie ein Haufen vercrackter, gefährlicher Schlägertypen."
Finde ich überhaupt nicht, die trugen doch meist Disco-Outfits (Anzug, Hemd) oder Village People-Cosplay wie Grandmaster Flash & The Furious Five, also eher butterhasig.
ja genau das sag ich ja - eary hip hop war ja an sich regelrecht putzig - und allein dafür gabs schon mediale hexenjagd ohne ende
Musik für die 12-jährige Anna deren Geist geformt wird von einer singenden Plastikpuppe. Die Frau kotzt mich einfach nur an.
"Die Frau kotzt mich einfach nur an."
Ich empfehle Yoga.
Musik für...Jetzt bin auch ratlos. 1/5
...für Frauen, deren Schulzeit der Lebenshöhepunkt war und heute in einem Schneeballsystem gefangen sind.
Was muss man da noch ratlos sein? Die Frau zieht doch dieselbe Masche seit Jahren durch. Sollte für Kommentarspaltenvets wie uns doch nicht mal ne erhobene Augenbraue wert sein. Ungehört 1/5 und gut is.
...es sei denn, manche von euch nutzen die Dame als Vorlage, um ein bisschen über Frauen an sich abzukotzen. Ander kann ich mir zumindest die Incelhaftigkeit einiger der Kommentare hier nicht erklären.
ich denke jetzt is zeit für grosse comeback von capslokk
lieber nicht.
Wieso lässt man dieses Album von jemanden rezensieren der darauf offensichtlich keinen Bock hat?
Hab den Verfasser dieser Zeilen mal gegoogelt.
Und siehe da.
Der Herr Gölz betreibt einen YouTube Kanal mit 783 Abonnenten.
Frau David 2,9Mio!
Ist es Neid?
Wieso sollte ein ausgewiesener Hip Hop Kenner die "Musik" der Dame nicht rezensieren? Er hat bislang nicht nur gute Alben rezensiert.
Sicher ist sie erfolgreicher, das gilt für die meisten hier. Aber das wissen wir seit Dieter Bohlen, nicht alles was erfolgreich ist, ist auch gut. Und diese Pseudo Feministin impft den jungen Mädels ein verheerendes Frauenbild ein, nennt es Feminismus und die Musik ist durchweg 0/5.
Herr Gölz hat diese waschechte Scheiße eher wohlwollend bewertet. Außerdem muss Arbeit nicht immer Spaß machen, hat er eben keinen Bock drauf, wen juckt's?
suendi trollt offensichtlich mit dem top 3 fanhörnchen ragetalk.
Empfehle Vita