laut.de-Kritik

Arschbacken zusammenkneifen und Augen zu!

Review von

Nach den beiden im März 2015 veröffentlichten eher mageren Comeback-Vorboten "Was Ist Geblieben" und "Rosenblätter" waren selbst eingefleischte SM-Fans der ersten Stunde in großer Sorge. Irgendwie hatte man sich von der Rückkehr der beiden Ur-Söhne Xavier Naidoo und Michael Herberger etwas mehr erhofft. Doch präsentiert wurde lediglich heiße Luft in Form von Balladeskem von der Stange und seltsam klingenden Basslines. Zwei Jahre später heißt es nun: Arschbacken zusammenkneifen und Augen zu! Denn auch der Hauptgang des monatelang vorbereiteten Wir-sind-wieder-am-Start-Klangmenüs hat in puncto Nährwert nicht mehr zu bieten als ein pappiger Fast-Food-Burger.

Bereits der Einstieg lässt einem die Nackenhaare hochstehen. Während der Background eine abgehackte Bläser-Salve nach der anderen abfeuert, kämpft der gute Xavier im Rampenlicht stehend um den besten Platz am Frühstückstisch: "Guten Morgen / Lass die Sonne rein / Jeden Morgen / Kann die Sonne scheinen." Ist das wirklich sein Ernst? Dafür gibt's erstmal drei Jahre Nutella-Verbot.

Vier Minuten später will man schon fast aufgeben. Sicher, Anti-Kriegssongs sollten in Zeiten, in denen hohlbirnige Macht-Machos wie Donald Trump, Wladimir Putin und Kim Jong-un mit den Säbeln rasseln, wie Millionen Regentropfen auf die Erde niederprasseln. Aber mit schunkelnden Gospel-Vibes und Zeilen wie "Oh yeah, wir singen und wir beten / denn wir haben keine Angst vor euch" im Handwerkskoffer lässt sich nicht einmal eine einzige Stufe bauen, geschweige denn eine ganze "Treppe Zum Mond".

Die vierzehn gestandenen Musiker tun sich unter der Regie von William Davis und Alex Christensen erstaunlich schwer. Musikalisch zwischen softem Singer/Songwriter-Soul und ausgelutschtem Radio-Pop pendelnd, scheitern Xavier Naidoo, Henning Wehland und Co. vor allem an der Lyric-Hürde.

Allen voran Xavier Naidoo legt sich mal wieder mit Gott und der Welt an. Er stellt die Presse an den Pranger. Er fordert mehr Mut zur "Wahrheit" ("Hört Hier Eigentlich Jemand Zu", "Der Deutsche Michel"). Wie lange will die Gesellschaft noch wie ein Haufen Marionetten nach der Pfeife von anderen tanzen ("Marionetten")? Die Antwort: Wahrscheinlich noch ewig und drei Tage. Daran wird auch der Weltverbesserer mit den wirren Verschwörungstheorien nichts ändern. Schon gar nicht, wenn am Ende nicht mehr übrig bleibt als ein auf Hochglanz poliertes Potpourri aus Phrasendrescherei und Tupfern aus dem Radio Teddy-Archiv ("Frühling").

Dass sich letzlich das einzige Highlight des Albums um das Thema Vergebung dreht passt irgendwie wie die Faust aufs Auge ("Verzeihung"). Während die Herren Naidoo, Klimas, Stahlhofen, Oac und Sanz auf die Knie gehen und sich ummantelt von bezirzenden Pianoklängen all ihrer Sünden entledigen, klappt der Hörer enttäuscht das Booklet zu. Ein einziger Sound-Sonnenstrahl an einem ansonsten durchgehend bewölkten Frühlingstag: "Kinder, hier läuft etwas schief" ("Kinder"). Oh ja, da ist was dran…

Trackliste

  1. 1. Guten Morgen
  2. 2. Treppe Zum Mond
  3. 3. Wir Leben Im Jetzt
  4. 4. Hört Hier Eigentlich Jemand Zu
  5. 5. Der Deutsche Michel
  6. 6. Frühling
  7. 7. Wie Lange
  8. 8. Das Letzte Mal
  9. 9. Glücklich Sein
  10. 10. Kinder
  11. 11. Neue Menschen
  12. 12. Marionetten
  13. 13. So Wird Es Geschehen
  14. 14. Verzeihung
  15. 15. Schlaf
  16. 16. Nie Mehr Krieg

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