laut.de-Kritik

No Soen Of Tool? Get well Soen!

Review von

Soen galten lange Zeit als Projekt des Ex-Opeth-Schlagzeugers Martin Lopez. Die Zusammenarbeit mit Sänger Joel Ekelöf sowie ein seit zwei Alben nahezu stabiles Bandfundament bewirkten, dass das Kollektiv als Band zusammengewachsen ist. Dies bedingt ebenfalls, dass der als Hired Gun verschriene Steve DiGiorgio (Iced Earth, Death, Testament) nicht mehr an Bord ist. Dessen Tiefton-Delikatessen übernimmt nun - wohlgemerkt ohne Qualitätsverlust - Oleksii "Zlatoyar" Kobel.

Soen haben ihren Sound gefunden, was nicht heißt, dass sie in Stillstand verfallen. Kaum eine Band trägt so vehement die Handschrift eines Schlagzeugers wie diese internationale Musiziergemeinschaft. Selbst ein vergleichsweise klassischer Soen-Song wie die erste Single "Antagonist" gewinnt dank der steten und songwriterisch sinnvollen Drum-Patterns: der insgesamt im Verlauf des Stückes dreimal präsentierte Refrain erstrahlt somit in immer neuem Gewand, so dass sich keine Abnutzungserscheinungen zeigen.

Bemerkenswert gelingt die visuelle Umsetzung, wie die Travestie-Show der Single "Martyr" vom letzten Album bereits bewiesen hat. Beim Video zu "Antagonist" führt ein Nachrichtensprecher den Rezipienten durch das schaurige Wirken der Gattung Mensch, dessen schier totalitäres Gebaren zu Leid und Unrecht führt. Entsprechend verändert sich das Antlitz des Anchormans immer mehr in Richtung diabolisch. Spannend auch die Produktion von Iñaki Marconi und der Mix von Kane Churko, die die komplementär gesetzten Riffs wie im Opener "Lumerian" oder in "Dissident" gekonnt im Stereo-Panorama verteilen und splitten.

Auf den ersten Eindruck bleiben sich Soen ihrer Linie treu. Titel und Artwork sind schlicht und weisen einen mehrdeutigen Bezug auf. Mutet die beschwörerische Schlange biblisch an, verweist der Titel "Imperial" eindeutig auf die heutige Zeit. Auch die Trackanzahl sowie die konsequente Betitelung mit einem griffigen Wort haben sich seit mehreren Veröffentlichungen etabliert.

Lopez und Co. kitzeln einige spannende Details aus dem Markenkern heraus. Die Weiterentwicklung der klanglichen Trademarks fällt diesmal deutlicher aus als von "Lykaia" zu "Lotus". Der Wechsel an den sechs Saiten zeigte Wirkung, vergleiche das floydige Spiel von Cody Ford mit dem klassisch-metallischen seines Amtsvorgängers Marcus Jidell. Nun streckt das Quintett seine Fühler in andere Genres aus. Die bisherigen Verweise zum Übervater Tool dürften sich mit "Imperial" erledigt haben. No Soen Of Tool? Get well Soen!

Klassische Texturen und analoges Tastenarsenal gemahnen an die Gattung Lied mit ihrer hohen Korrespondenz von Text und Musik. Lars Enok Åhlund an den Keys sowie der zweiten Gitarre leistet ganze Arbeit. Die Vertonung gelingt äußerst minutiös wie die elegisch-epischen Klangreisen "Illusion" und "Fortune" beweisen. "Modesty" lebt von seiner rhythmischen Machart. Zu der vielseitigen Schlagzeug-Arbeit gesellt sich ein deutlicher Einfluss von Beat- und Sound-gestützten Genres wie Hip Hop und R'n'B wie ihn Leprous auf ihrem Meisterwerk "Pitfalls" perfektioniert haben.

Trotz der vielen Nuancen wirkt die Platte nicht wie ein Kompromiss, sondern entwickelt einen eigenen Flow. Großen Anteil daran hat Sänger Joel Ekelöf, ein Hookmonster vor dem Herrn. Alleine die Melodie in "Deceiver" rechtfertigt den Kauf. Was der Mann mit den Stimmbändern eines Opernsängers zudem an vielseitigen Backing-Vocals auffährt klingt schlicht atemberaubend. Simples Songwriting gebettet in abwechslungsreiche Arrangements treffen auf geniale Texturen und ergeben direkt zu Beginn dieses Jahres ein erstes Highlight im weiten Feld der anspruchsvollen Rockmusik.

Trackliste

  1. 1. Lumerian
  2. 2. Deceiver
  3. 3. Monarch
  4. 4. Illusion
  5. 5. Antagonist
  6. 6. Modesty
  7. 7. Dissident
  8. 8. Fortune

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