laut.de-Kritik

So kratzbürstig und erhaben schön klingt ewige Jugend.

Review von

Auch wenn es gleich bei drei der großen Wanduhren auf dem Back-Cover kurz vor zwölf steht, ist die Zeit von Sonic Youth längst noch nicht abgelaufen. Die dienstälteste Indieband to end all Indiebands geht seit nunmehr fast dreißig Jahren unbeirrt und - im Gegensatz zu zahlreichen Wegbegleitern wie Dinosaur Jr. - vor allem ohne Unterbrechung ihren Weg. Und die Protagonisten denken gar nicht daran, es sich kurz vor dem Eintritt ins Rentenalter plötzlich bequem zu machen.

Das Anpassertum überließen Kim Gordon, Thurston Moore, Lee Ranaldo und Steve Shelley immer schon anderen. Somit ist es nur konsequent, dass sie ihr Label Geffen (Division des Majors Universal) nach 16 Jahren aufgrund zunehmender Differenzen mit der Compilation "The Destroyed Room" abspeisten, für die sie zwecks Vertragserfüllung fast ausschließlich Songs allersperrigster Couleur recycelten.

Mit Studioalbum Nummer 17 wagen sich die New Yorker Noiserock-Veteranen nun scheinbar auf neue Ufer. Scheinbar deshalb, weil die frisch geschlossene Ehe mit dem Indie Matador (u.a. Lou Reed, Yo La Tengo) für Sonic Youth eigentlich eine Rückkehr zu den Wurzeln bedeutet. Auch die befreundeten Pavement, deren Ex-Bassist Mark Ibold inzwischen zum festen Bandmitglied befördert wurde, waren dort schon unter Vertrag.

Aus dem bandeigenen Aufnahmestudio sickerte dann im Februar diesen Jahres auch prompt die Ankündigung Moores durch, "our most killer rock and roll album" machen zu wollen. Eine ebenso vielversprechende wie überraschende Ansage, hatten die Avantgardisten doch zuletzt mit "Rather Ripped" ihre poppigste Platte seit "Goo" abgeliefert, wie ihnen der Kollege Mengele zu Recht bescheinigte. Aber war der Floh, den uns Mr. Moore da ins Ohr gesetzt hat, ernst gemeint? Jep!

Schon nach dem ersten Hördurchgang darf auch dem schlaksigen Gitarristen ein gesundes Einschätzungsvermögen attestiert werden. "The Eternal" entpuppt sich in der Tat als die rockigste Scheibe seit "Dirty". Während der furiose Vorgänger sehr genügsam, elegant und entspannt daherkam, legen Sonic Youth gleich beim knackigen Opener "Sacred Trickster" ihre Noiserock-Wurzeln frei. So vollverzerrt lärmten Ranaldo und Moore seit 1992 nicht mehr. Ebenso lange dürfte es her sein, dass Steve Shelley den Toms mit seinen charakteristischen Achterbahn-Fills die Sporen gab.

Auch auf dem stampfenden Gordon-Moore-Duett "Anti-Orgasm" ist von Altersmilde weit und breit keine Spur. Die atemberaubende Steigerung im Mittelpart fällt anno 2009 lediglich komprimierter aus. Vom wohl straightesten Ein-Akkord-Gitarrenriff der eigenen Vita getragen, rockt "Antenna" treibend nach vorn und birgt ähnliches Hitpotenzial wie einst "Sugar Kane".

Lee Ranaldo veredelt gleich zwei Songs mit seinen unnachahmlich eindringlichen Vocals. Sowohl das großartige "What We Know", das auf einem mächtigen Bassfundament aufbaut und stellenweise rhythmische Parallelen zum Klassiker "Schizophrenia" zieht, als auch das wehmütige "Walking Blue" zählen zu den stärksten Songs dieses durchweg überzeugenden Albums. Ausfälle? Fehlanzeige!

Der schaurig-schöne Schlusstrack "Massage The History" sorgt schließlich noch für eine faustdicke Überraschung: Sonic Youth hantieren hier doch tatsächlich mit Akustik- und Slide-Gitarren! Kim Gordons zugleich brüchig wie eindringlich dahingehauchte Stimme garantiert zu guter Letzt einen Gänsehaut-Moment wie damals bei "The Diamond Sea".

Analog zum Strudel des Coverbildes kreisen Sonic Youth auf "The Eternal" rückblickend um ihre eigene Achse und spielen all ihre Stärken aus. Die ausufernden Schrammelorgien lenken sie jedoch in strukturierte Bahnen oder integrieren sie gar neben Strophe und Refrain in den Song. Die Mutter aller Indiebands setzt sich mit diesem energiegeladenen Spätwerk selbst ein Denkmal für die Ewigkeit und zollt nebenbei einem einflussreichen Helden Tribut: "Ron Asheton forever", heißt es im Booklet.

Trackliste

  1. 1. Sacred Trickster
  2. 2. Anti-Orgasm
  3. 3. Leaky Lifeboat (For Gregory Corso)
  4. 4. Antenna
  5. 5. What We Know
  6. 6. Calming The Snake
  7. 7. Poison Arrow
  8. 8. Malibu Gas Station
  9. 9. Thunderclap (For Bobby Pyn)
  10. 10. No Way
  11. 11. Walkin Blue
  12. 12. Massage The History

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