laut.de-Kritik
Gegen das Klischee: Viva La Revolución!
Review von Jan HassenpflugDem Metal-Core fliegt die Verachtung von allen Seiten um die Ohren. Stick To Your Guns haben eine ganz eigene Methode entwickelt, um sich an den lauernden Hasstiraden vorbei zu schlängeln. Ohne viel Aufsehen haben sie dem unrühmlichen Genre all das stibitzt, was man gebrauchen kann: satte Growls, eingängige Melodien und ballernde Breakdowns, dazu etwas Hardcore und Punk. Nunmehr im eigenen Revier ruft die fünfköpfige Bagage aus Orange County ungeniert den Kampf gegen das vermaledeite System aus. Wie gut sie ihre rebellische Attitüde verpacken, hat spätestens die Resonanz auf das 2012er Album "Diamonds" bewiesen.
Auf "Disobedient" halten sie sich nicht mit lästigem Vorgeplänkel auf, sondern knüpfen gewohnt ungehorsam da an, wo vor drei Jahren der Schlussakkord erklang. Punkig angehauchtes Gitarrenintro à la Rise Against, und schon fordert Frontsau Jesse Barnet auf, sich der aufkeimenden Apathie zu vergewissern: "Take a step back, how can this be? So much begging and bleeding, but noone's listening". Er ziert sich nicht, den Umsturz selbst einzuleiten. "It starts with me", intoniert er von Chorgesängen begleitet immer wieder den Songtitel, bis die sanft angelaufene Gesangswoge von wütenden Shouts heimgesucht wird. Auf der letzten Platte schon häufiger präsent, schließt ein gesprochenes Voice-Over des indischen Philosophen Jiddu Krishnamurti den Track.
"What Choice Did You Give Us?" bricht derart energisch nach vorne, dass der letzte Anflug von Lethargie weggeblasen wird. Wie vom Schlagstock gepeitscht, brüllt Shouter Barnet alle Barrieren nieder. Hinter ihm steht, so scheint es, eine ganze Armee kampfbereiter Gitarrenläufe. Im Refrain ein kurzer Ausflug in den Pop-Punk, in Strophe Zwei ein kläffender Vierviertel-Beat, der den Wurzeln des Punk-Rocks frönt und dann wieder ab auf die Metal-Core-Fresse. Schweißtreibende Achterbahnfahrt.
Mehr in Richtung des klassischen Teenie-Outsider Songs zerrend, kann man die Single "Nobody" gerade noch wohlwollend abnicken. Damit auch die Hardcore/Punk-Fraktion den Two-Step schwingen kann, bieten die Features mit Terror-Sänger Scott Vogel, Walter Delgado von Rotting Out und Tobi Morse von H2O mehr als genug Gelegenheit. Ihr Faustpfand, den Clean-Gesang, lassen Stick To Your Guns derweil nie zu lange aus den Augen.
Wie viel melodisches Arrangement die Jungs auch ohne Clean-Refrain auffahren, stellt "To Whom It May Concern" klar. Während sich Barnes fast ausschließlich auf kämpferisch-verzweifelnde Shouts in Melodic-Hardcore Manier beschränkt, ist die Lead-Gitarre für den melancholischen Part zuständig. Anmutend demütig biegt der Song gegen Ende mit leiseren Tönen auf der Zielgeraden ein.
Mit fiesem Breakdown gespickt, quillt "The Crown" das Ohrwurm-Potenzial aus allen Poren. Dagegen gehen Lückenfüller wie der einminütige gesprochene Titeltrack "Disobedient" oder das unentschlossene "The War Inside" etwas unter. Zum großen Finale verblüffen die Kalifornier dann aber noch einmal gnadenlos. Denn derart herzzerreißende Balladen wie "Left You Behind" standen bisher nicht auf der Speisekarte. Aus einer bedrückenden Grundstimmung heraus schafft Barnes inbrünstig vorgetragener Gesang den Turn zur Hymne. Definitiv einer der stärksten Momente des Albums.
Alles in allem ein Album, das wenig Spielraum für Kritik lässt. Will man doch etwas finden, dann ist es einerseits die knapp bemessene Laufzeit, die sich aus vielen kurzen Tracks zusammensetzt. Das riecht verdächtig nach fehlendem Material. Andererseits bereichern die ständig eingeworfenen "Wohohoh"-Chöre, das stimmige Gesamtbild auf Dauer womöglich um ein nerviges Element. Das wars dann aber auch. Richtig gute Platte. An alle Metal-Core Hater: Stick To Your Guns passen nicht ins Profil.
6 Kommentare mit 3 Antworten
"Dem Metal-Core fliegt die Verachtung von allen Seiten um die Ohren."
Halte ich für die besten Ausgangsbedingungen um positiv aufzufallen.
Das kann ich nur unterschreiben. Mit Hass und Verachtung kenn ich mich aus.
Echt? Dann solltest du vlt. mal deine Persönlichkeit überdenken, Sancho.
Leider bei weitem nicht so gut wie die beiden starken Vorgänger.
Er ziert sich nicht, den Umsturz selbst einzuleiten. "It starts with me"...
Dann raus ausm Studio/runter von der Bühne und aufgemacht die Welt zu verändern!
Die lyrics sind mit das heuchlerischte und klischee triefendste was die Punk/HC Scene seit langem rausgebracht hat.
Weinerliche Scheiße für Scene Heulsusen die sich auchmal politisch fühlen wollen.
Aktivismus hat viele Gesichter.
Dabei hat der Musikjournalismus Metal-Core zu dem gemacht, was er ist, schon lustig.
für meinen geschmack zu viel cleaner gesang, da stechen die oftmals platten phrasen dann noch doller hervor. eigentlich waren mir die texte auch immer mehr oder weniger egal, aber wenn man sie so unweigerlich raushört nerven sie z.t. schon sehr. plus diese unsäglichen whoa-hoas -.-
das album eignet sich dadurch für mich nicht mehr unbedingt zum hören in den gefühlslagen, in denen ich styg sonst aufgelegt habe. die breakdowns werten die songs jedoch ziemlich auf, und nach zweimaligem hören scheppert gefühlt die hälfte der platte dann doch ganz gut.
3/5
Von den Vorgänger Alben verwöhnt, hat mich dieses Album nun wahrlich nicht vom Hocker gerissen. ABER, bevor ich auf ein Konzert gehe, und das steht jetzt an, höre ich mir vorher an, was da auf mich zukommt. Lohnt das? und ich sage Ja.
Die älteren Songs sowieso, aber auch die neuen Sachen wie "The Crown" möchte ich live sehen. Der Song ist absolut gut gemacht, nichts neues ja, aber trotzdem...Dann mag ich noch "To Whom It May Concern". Und "The War Inside" mit schönem Refrain und gekonnten Breakdowns geht bei mir gar nicht unter. 4/5