laut.de-Kritik

Scheißtiming, dein Name lautet Suede.

Review von

Es gibt wohl kaum traurigere Momente, als wenn man seinen alten Superhelden ins Gesicht sieht und merkt, dass sie einen die ganze Zeit getäuscht haben. Sie können nicht fliegen, haben keinen Hitzeblick und tragen keine blauen Hörgeräte. Auch von der Unsterblichkeit sind sie meilenweit entfernt. Die Falten in ihren Gesichtern sprechen eine deutliche Sprache. Letztendlich muss man sich aber doch irgendwann, befreit von jeglicher Nostalgie, der Wahrheit stellen.

Wenn Suede eines schon immer gut konnten, dann zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Mit ihrem Debüt, das freiherzig mit Bowie und T.Rex spielte, platzten sie mitten in den Grunge-Boom. Als Britpop ins Rollen kam, durchlebten sie mit dem Ausstieg Bernhard Butlers und "Dog Man Star" ihre erste Krise, lieferten gleichzeitig aber ihren beklemmenden Meilenstein ab. Mit "Coming Up" schafften sie zwar ein kommerzielles Comeback, die ihnen zustehende Britpop-Krone war aber längst zwischen Blur, Oasis und Pulp aufgeteilt.

2013 hat sich nichts geändert. Für einen Tag richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Band, den Freedownload "Barriers" und die Ankündigung des neuen Albums "Bloodsports". Nur, um am nächsten Tag ausgerechnet vom Vorbild Bowie und dessen "Where Are We Now?" aus den Schlagzeilen gefegt zu werden. Scheißtiming, dein Name lautet Suede.

Fast schon schüchtern konzentrieren sich die Engländer nach elfjähriger Pause auf ihre vermeintlichen Stärken. Wenn man gerade wieder beginnt, zu laufen, bleibt kein Platz für Experimente. Selbst Produzent Ed Buller, verantwortlich für die ersten drei Longplayer, ist wieder mit an Bord.

Mit "Barriers", "Snowblind" und der Single "It Starts And Ends With You" gelingt ein verheißungsvoller Einstieg, vollgepackt mit großen Gesten, Pathos und ausschweifenden Refrains. Wie um zu beweisen, dass die Band noch am Leben ist, drischt Oakes in "Snowblind" wie ein junger, muskelbepackter Springsteen in durchgeschwitztem Flanellhemd in die Saiten. Derweil schlägt Andersons Gesang einen Salto nach dem anderen. So könnte es bis ans Ende aller Tage weitergehen.

Die energiegeladenen Tracks verbergen aber nicht, wie gestrig und aus der Zeit gefallen die Band heute klingt. Mehr als einmal stören altbackene Keyboardflächen ("Sabotage") die Atmosphäre, anstatt sie zu unterstützen. Die Produktion im letzten Drittel gleicht einem Debakel. Die Stimme klirrt und scheppert, die Instrumente bilden einen einzigen Brei. Gerade "What Are You Not Telling Me", an und für sich eine schöne Piano-Ballade wie aus "Dog Man Star"-Zeiten, leidet unter diesem katastrophalen Sound.

Das wohl größte Problem stellt Richard Oakes dar. In den neunzehn Jahren, die seit dem Ausstieg Bernhard Butlers vergangen sind, hat es dieser zu nicht mehr als einem oberflächlichen Durchschlag seines Vorgängers gebracht. Heute noch kopiert er ungeniert dessen Riffs ("Snowblind", "Always"), anstatt sich eine eigene Identität zu schaffen. Der verzerrte Gitarrensound der "Coming Up"-Phase, den "Hit Me" mehr als einmal bedient, bleibt sein einziger kreativer Beitrag zum Nimbus der Band.

Gerade ihre einstige Paradedisziplin, die Balladen, verdeutlicht das Scheitern von "Bloodsports" mehr als einmal. Durchzogen diese einst Trauer und Schwermut, berühren "Always" oder "Sometimes I Feel I'll Float Away" kaum. In "Faultlines" spiegelt sich schal die Band von einst. Die einzige Tragik, der einzige Schmerz, liegt in der vergebenen Chance und der Erinnerung an Gestern.

Mit "Bloodsports" haben die einstigen Helden ihr Kryptonit gefunden. Kühl kalkuliert spielen die vormaligen Wegbereiter ihre Trademarks aus. Suede malen nach Zahlen, schenken sich jeden Gegenwartsbezug und verkommen zu einer reinen uninspirierten Retro-Nummer. Für eine Band, die es sich einst leisten konnte, Lieder wie "The Big Time", "My Dark Star" oder "Europe Is Our Playground" auf ihren B-Seiten zu verstecken, einfach zu wenig.

Trackliste

  1. 1. Barriers
  2. 2. Snowblind
  3. 3. It Starts And Ends With You
  4. 4. Sabotage
  5. 5. For The Strangers
  6. 6. Hit Me
  7. 7. Sometimes I Feel I'll Float Away
  8. 8. What Are You Not Telling Me?
  9. 9. Always
  10. 10. Faultlines

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6 Kommentare

  • Vor 11 Jahren

    Zum Glück gibt es noch Bands, die ihren Stil für den ihre Fans sie lieben nicht ändern und "der Zeit anpassen"!

    Wenn ich Muse höre, kriege ich inzwischen Ausschlag.
    Ein Band die soviel drauf hat und dann anfängt sich "weiterzuentwickeln", meist endet das im Debakel, im Fall von Muse endet es im Sound einer billigen Queen-Kopie. Seit Origin of Symmetry ist doch der alte Muse-Sound nur noch zu erahnen.

    Da lobe ich mir Suede. Super Album, gut gemacht!
    Immer weiter so und kein Stück anders bitte...

  • Vor 11 Jahren

    Mir scheint dennoch im Rezensent ein einstiger glühender Fan enttäuscht worden zu sein. Da ich Suede nicht von früher kenne freue ich mich auf einen unbeeinflußten Test dieser Platte. Ich kenne einzige Andersons erste Solo-Platte und die hat mir gefallen - die nächsten allerdings nicht. Bin gespannt...

  • Vor 11 Jahren

    mir gefällts,
    bin aber auch kein alter Sack :P

  • Vor 11 Jahren

    Komisch, da wird eine Bowie Platte in den Himmel gelobt, die rückwärtsgewandt und eher unspektakulär ist, einfach nur weil es eine neue Bowie Platte ist.Selbiges zeichnet sich bei Depeche Mode ab.Und hey, ich finde die Bowie Platte gut und genauso die Suede Scheibe.Kann meinem Vorkritiker nur zustimmen, fand ,Muse immer geil, aber modern=Quenn meets Dubstep?Nein,ich bin nicht alt, aber wenn ich das Radio anmache muss ich kotzen, da sind mir zeitlose Alben doch wesentlich lieber und für zeitlose Musik gibt es nie oder immer den richtigen Zeitpunkt!Die neue Suede Scheibe ist Suede und gut, wenn ich was anderes haben will, kaufe ich mir eben wss anderes.Trotzdem riesen Dank fürs Vorabhören können!!!

  • Vor 11 Jahren

    Die Kritik an der Produktion ist berechtigt, der Sound könnte viel besser sein. Dafür sind die Songs so gut wie lange schon nicht mehr. Und was heißt schon aus der Zeit gefallen: Wenn ich mir eine Suede-Platte anhören will, dann freu ich mich, wenn sie nach Suede klingt. Von mir bekommt Bloodsports 5 von 5 Punkten, vielleicht mit einem halben Pünktchen Abzug für das Cover, und ich überlege gerade, mir statt der billigen MP3-Datei die Vinyl Hardback Book Box zuzulegen, so hat das Album gerade bei mir eingeschlagen.
    Dafür hat mich die neue Bowie ziemlich kalt gelassen. Geschmäcker sind halt verschieden.

  • Vor 11 Jahren

    So, grade das erste Mal durchgehört ... tja, die Helden von einst sind wirklich etwas austauschbar geworden. Ich hatte fast ... ach was ... ich hatte definitiv Angst davor Bloodsport anzuhören. Bis heute hat mich das davon abgehalten das Album von "The Tears" anzuhören.

    Und der Einstieg mit "Barriers" überrascht positiv. Sie können es also doch noch. Gibt's doch gar nicht. Und die Freude legt sich mit den nächsten Songs dann auch. Zu lahm und uninspiriert das Ganze, wie schon auf den Alben seit Coming up.

    In der Tat mag das ganze für den neutralen Hörer ganz nett und mehr als 2 Sterne wert sein. Aber Leute, mit den beiden ersten Alben waren Suede die aufregendste Band ihrer Zeit. Und hey ... welche Band ist denn heute noch aufregend?

    Die Fallhöhe ist also sehr groß und damit die wahrgenommene Qualität.

    Liebe neutralen Leser. Kauft euch einfach "Suede" und "Dog Man Star" und lasst alles andere im Regal liegen. Das verfaulte Obst wollt ihr ja auch nicht essen.