laut.de-Kritik
Ein Songzyklus wie ein Mahlstrom.
Review von Ulf Kubanke"Wo sind die Dichter des Landes geblieben?" schrie der Neubauten-Frontman in den frühen 80ern von der Bühne ins Publikum. Dreißig Jahre später hat er die Antwort längst selbst auf zahllosen Tonträgern gegeben und gibt sie jetzt wieder auf "Still Smiling", zusammen mit dem italienischen Musiker Teho Teardo.
Mit Cello, Violine, Gitarre und Blixas Glockenspiel erschaffen "der Teardo und das Bargeld" eine berückende Atmosphäre, die sich in keine Schublade einfügt. Soundtrack? Klassik? Chanson? Singer/Songwriter? Ja, klar, aber nicht als Stereotyp, sondern als ästhetisches Reiseabenteuer durch Klänge und Strukturen. Weit mehr als lediglich das Sahnehäubchen ist beiden Musikern die Verstärkung durch das großartige Balanescu Quartett. Das Streichquartett veredelte bereits Kompositionen von Kraftwerk, David Byrne oder den Pet Shop Boys und verwandelt die virtuos eingespielten Tracks dieser Scheibe mühelos in pure emotionale Magie.
Zum Kennenlernen empfehlen sich gleich die beiden ersten Lieder. "Mi Scusi" glänzt mit extrem zurückgenommenem Arrangement. Blixa baut die lässige Melodie über den Gesang dramatisch auf, bis hin zur finalen Frage: "Kann ich in einer anderen Sprache küssen?". Dieser Song kann es! Das folgende "Come Up And See Me" weht als schnuckelige Philip Glass-Miniatur ins Ohr und verweilt dort gern. Und allen Verliebten - glücklich wie leidend - stalkt sich das zarte Kaminfeuerlied "Alone With The Monn" (Original von den "Tiger Lillies") geradewegs ins Herz.
Und immer wieder diese Texte! Jede Zeile macht deutlich, warum Blixa Bargeld in New York, Paris oder Tokio als deutscher Poet der Gegenwart gefeiert wird, und warum sich dort kein einziger Sack Reis für Pennälerlyriker wie Xavier Naidoo und ähnliche Jammerbarden interessiert. Bargeld hingegen ist kein Schwätzer. Jede Zeile vagabundiert im selbst kreierten Niemandsland, einer Art sprachlichem Gleisdreieck aus Geschichtenerzähler, Aphorismus und poetischer Lyrik. "Es ist 5 vor 12, aber keiner weiß es / Es fehlen die Zeiger der großen Uhr / Sind lange schon verschollen."
Herrlich unkonventionell, wie "Buntmetalldiebe" neben "Grableuchten und Saxophonen" noch versehentlich "das Internet stehlen". In dem bereits vor Jahren für das Tim Isfort Orchester geschriebenen Text "Es Fehlt Etwas" heißt es metaphorisch in Anspielung auf eine immer mehr zur Inhaltslosigkeit tendierenden Gesellschaft "Es fehlt etws / Zwischen den Balken der Film!" Jede Zeile der Texte ist so aufgeladen wie jede Note der zugehörigen Musik. Am Ende fragt Blixa den Hörer: "Are you happy to see me? / Or is this a gun in your pocket?" Vielen Dank, sehr glücklich!
14 Kommentare mit 2 Antworten
https://www.youtube.com/watch?v=NQb_Pzss7I0
Naja, da ist ja textlich wie musikalisch eher "Hurz!" angesagt...
Warum genau muss man das Album jetzt loben in dem man Naidoo und andere disst? Ja, es trifft die richtige, aber ist dies wirklich von Nöten um dieses Album hier zu beschreiben bzw. aufzuwerten? Oder einfach nur billige Effekthascherei, zu der Herr Kubanke immer wieder gerne greift? Ohne wäre der Text besser.
ich gebe zu, kollege hilzendegen hat den xavier schöner vernichtet.
zitat:"Er hält seine Hörer für Idioten.(...)Frauen, die darauf anspringen, möchte ich nicht mal kennen."
http://www.laut.de/Xavier-Naidoo/Bei-Meine…)
@dein_boeser_Anwalt (« finde ich auch. als er bei caves "wild rose" live kyliemausi ersetzte, hatte das schon fast etwas knuffiges.
http://www.youtube.com/watch?v=jM6QJBGID-c »):
Sie hat sich beim Einsingen ja auch an der Version von Bargeld orientiert. Bei Youtube findet man auch die Studioversion als rein männliches Duett, jetzt sollten sie nur noch das Video ein zweites Mal drehen.
Zum Album: Die Musik erinnert streckenweise an "Alles wieder offen" vor allem die Streicher. Das wiederum erinnert mich daran, dass ich mich auch über ein neues EN-Album freuen würde. Bis es so weit ist, kann ich aber auch mit diesem Album leben.
Der Typ (Bargeld) geht mir nun mittlerweile seit Jahrzenten auf den Senkel. Können wir den nicht gegen Lemmy oder Bowie umtauschen?
Oder noch besser: dich.
Du bist niedlich
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