laut.de-Kritik

Bluesrock at its best!

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Manchmal muss man im Leben auch mal loslassen, um vorwärts zu kommen. Das dachten sich auch die beiden Hippie-Brüder Rich und Chris Robinson, als sie sich im Herbst des Jahres 1989 im Büro von Rick Rubins Plattenfirma Def American genüsslich zuprosteten. Nach einem fünfjährigen semi-erfolgreichen Dasein als Bluesrock-Brüderpaar, falteten die beiden ihren Mr. Crowe's Garden-Banner zusammen und nähten sich unter den neugierigen Blicken der Industrie einen neuen zurecht. Auf diesem prangte nun der Name The Black Crowes. Die Umbenennung war aber nur der Anfang. Die beiden Masterminds wollten komplett reinemachen und sich ihren neuen Arbeitgebern auch musikalisch in neuem Licht präsentieren.

Zusammen mit ihren Kollegen Jeff Cease (Gitarre), Steve Gorman (Drums) und Johnny Colt (Bass) trugen die beiden aus Atlanta, Georgia, stammenden Brüder ihren nahezu kompletten Song-Katalog zu Grabe. Bis auf einen einzigen alten Titel ("She Talks To Angels") sowie eine quirlige Coverversion des Otis Reddings-Klassikers "Hard To Handle" sollte ein in gerade mal sechs Wochen geschriebenes neues Klang-Paket die Band endlich ins Rampenlicht katapultieren.

Sänger Chris Robinson erinnert sich: "Wir waren einerseits müde vom jahrelangen Klinkenputzen, aber auf der anderen Seite immer noch hungrig. Wir wollten unbedingt nach oben. Das Debütalbum ermöglichte es uns, einen Schnitt zu machen, ohne den wir heute wahrscheinlich nicht da wären, wo wir sind." Wahre Worte eines Mannes, dessen Organ auch heute noch zu den wohl einflussreichsten und markantesten der Bluesrock-Szene gilt.

Im Jahr 1990, als die Black Crowes gerade aus der Taufe gehoben wurde, präsentierte sich Robinsons Stimme auf dem Höhepunkt. Wahlweise kratzig fauchend oder einfühlsam, fast schon schluchzend, predigte der spindeldürre Sänger in weiten Schlaghosen den Blues, den Rock'n'Roll und die Liebe wie kaum ein zweiter. Inspiriert von seinen Idolen Steven Tyler, Robert Plant und all den anderen Rock-Frontmännern, die in den Siebzigern ordentlich auf den Putz hauten, drückte Chris Robinson den ersten insgesamt zehn The Black Crowes-Songs seinen unvergleichlichen Stempel auf. Doch auch die anderen Bandmitglieder liefen mit dem Duft des Erfolgs vor der Nase plötzlich zur Hochform auf; allen voran Chris Bruder Rich, der seiner Gitarre nicht enden wollende Hochglanz-Riffs und Soli entlockte, die jeden Boogie- und Bluesrock-Fetischisten mit der Zunge schnalzen lassen.

Bereits die Anfangs-Sequenzen des "Shake Your Money Maker"-Einsteiger-Duos "Twice As Hard" und "Jealous Again" setzen in punkto Groove und Drive neue Maßstäbe. Im Verbund mit dynamischen Rhythmus-Achterbahnfahrten, melodiösen Solo-Einschüben und der Gabe, genau zu wissen, wann die Regler aufgedreht oder zurückgefahren werden müssen, markiert der seinerzeit blondgelockte Gitarrist ein musikalisches Ausrufezeichen nach dem anderen.

Neben den packenden Rhythmus-Duellen, die weitere nach vorne preschende Bluesrock-Geschütze wie das schnörkelige "Could I've Been So Blind", das trocken und schnell eingehämmerte "Thick N' Thin" oder die beiden mit Arena-Vibes ummantelten Hippie-Rocker "Struttin' Blues" und "Stare It Cold", zu Tage fördern, sorgen ruhige Zwischenstopps à la "Seeing Things" und "She Talks To Angels" für die perfekte Balance. Hier präsentiert sich das Hippie-Kollektiv tiefenentspannt am Lagerfeuer sitzend, mit langlebigen Harmonielinien nur so um sich schmeißend, von seiner ruhigen Seite.

Aufgepeppt mit Tambourin-Gerassel, eingestreuten Handclaps, diversen stilechten Orgel-Einwürfen, sowie einer schwungvoll und perfekt inszenierten Otis Redding-Hommage vervollständigt sich das Black Crowes-Debüt zu einem von vorne bis hinten stimmigen und durchgehend wegweisenden Southern Rock-Paket der Extraklasse, das die Band auch ein Vierteljahrhundert später noch zusammen mit Genre-Speerspitzen wie ZZ Top, The Allman Brothers, The Marshall Tucker Band und Lynyrd Skynyrd von der Genre-Spitze grüßen lässt.

In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.

Trackliste

  1. 1. Twice As Hard
  2. 2. Jealous Again
  3. 3. Sister Luck
  4. 4. Could I've Been So Blind
  5. 5. Seeing Things
  6. 6. Hard To Handle
  7. 7. Thick N' Thin
  8. 8. She Talks To Angels
  9. 9. Struttin' Blues
  10. 10. Stare It Cold

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