laut.de-Kritik

Schnörkellos, aber verdammt effektiv.

Review von

Fünf Jahre Albumpause und diverse Ablenkungsprojekte später sind sie einfach wieder da, fast wie früher. The Black Keys sparen sich großes Bohei um ihre Rückkehr, setzen lieber auf unmittelbare Gesten. "Let's Rock". Das klingt nicht nur einfach, sondern sogar ein bisschen platt. Dazu passt der Elektrische Stuhl in Lo-Fi-Optik auf dem Cover – eine zynische, vielleicht auch geschmacklose Anspielung auf die Hinrichtung des Mörders Edmund Zagorski. Die Botschaft kommt an. Dan Auerbach und Patrick Carney spielen auf ihrem neunten Album schnörkellos, aber verdammt effektiv.

Im Opener "Shine A Little Light" schmatzt der Fuzz so dreckig wie auf dem Frühwerk "Thickfreakness" und kondensiert in kreischende Gitarrenleads. Den Garagenschweiß dieses Leitmotivs paart das Duo mit relaxten Strophen. "No one really knows / Where it goes from here / But we all decompose / And slowly disappear", singt Auerbach mit verträumter Stimme zu Shaker-Percussion als wolle er sagen: Wir sterben sowieso, also schlappt doch nochmal mit Sonnenbrille, Strohhut und hässlichen Flip-Flops durch die Sonne.

Hier ebenso wie in einigen anderen Nummern (z.B. "Breaking Down", "Under The Gun") weht ein leichter Glam-Wind über die Indie-Fassade. Das hat die Band offenbar auch selbst gemerkt, denn in "Shine A Little Light" referenziert sie textlich gleich zweimal Bon Jovi. Auf Albumlänge kokettieren The Black Keys mit T.Rex, aber auch ZZ Top. In einer alternativen Realität stammt "Lo/Hi" von einem bärtigen Marc Bolan, der seine eigene Version von "Spirit In The Sky" schreiben wollte. Sogar an Background-Sängerinnen hat er dabei gedacht: Leisa Hans und Ashley Wilcoxson. Die beiden sind neben Auerbach und Carney die einzigen weiteren an "Let's Rock" beteiligten Musiker. Mit weichem Harmoniegesang upgraden sie später noch "Sit Around And Miss You" zu einer wie frisch aus der Schublade für verschollene 70er-Stücke gepellten Balladenperle.

Die Liste an Vergleichsgrößen wird immer länger. "Fire Walk With Me" erinnert an Steppenwolf. "Every Little Thing" ist die durch den Fuzz-Filter gedrehte Fusion von Beatles und Oasis. "Breaking Down" wäre der Soundtrack zu einem vor Greenscreen gedrehten Surferfilm ... Je weiter man das treibt, desto klarer wird: The Black Keys schwindeln! "Wenn wir zusammen sind, sind wir The Black Keys, dort liegt die wahre Magie und das nun schon, seit wir 16 sind", sagte Auerbach im Vorfeld. Und Carney: "Das Album ist eine Hommage an die elektrische Gitarre. Wir haben einen simplen Ansatz gewählt und alles überschüssige Beiwerk weggelassen, ganz so, wie wir es früher handhabten." Nee Freunde, mit einer so basischen Herangehensweise wie eure Aussagen sie nahelegen, kriegt ihr bestimmt nicht so viele verschiedene Einflüsse auf ein trotz allem stilistisch sehr stimmiges Album.

Wie eingangs schon erwähnt, verzichten The Black Keys zwar auf Schnörkel. Mithilfe klar umrissener, easy zu greifender Riffs kommen sie meist schnell und direkt auf den Punkt des jeweiligen Songs, was "Let's Rock" insbesondere vom ausschweifenderen Vorgänger "Turn Blue" abgrenzt. Alle Songs werden sich deshalb live im Kern relativ problemlos in Duo-Besetzung übertragen lassen. Beiwerk gibt es auf Platte trotzdem allerhand – in Form von jeder Menge gitarristischer Overdubs und des alles andere als reduzierten Schlagwerk-Einsatzes ("Tell Me Lies"). Auch ein auf den ersten Blick schlichtes, simpel strukturiertes Gemälde besteht eben aus vielen einzelnen Farbtupfern und Pinselstrichen. Bei The Black Keys gilt (wie zum Beispiel auch bei Queens Of The Stone Age und den Rolling Stones): Das Ergebnis klingt simpel, die einzelnen Parts sind simpel, ein Anfänger könnte es trotzdem niemals so umsetzen.

Hinter "Let's Rock" verbirgt sich somit doch mehr als "nur" ein starker Stromstoß und kurzschlussartige Just-do-it-Mentalität, auch wenn The Black Keys besonders beim ersten Durchlauf genau dieses Feeling transportieren. Nach dem Rockout lädt die Platte genauso dazu ein, sich in ihre Melodien zu vertiefen, die entspannten Momente zu genießen (noch unerwähnt: das southern-rockige "Eagle Birds" und der feine Jamtrack "Walk Across The Water") und anzuerkennen, wie hervorragend dieses Album arrangiert ist.

Trackliste

  1. 1. Shine A Little Light
  2. 2. Eagle Birds
  3. 3. Lo/Hi
  4. 4. Walk Across The Water
  5. 5. Tell Me Lies
  6. 6. Every Little Thing
  7. 7. Get Yourself Together
  8. 8. Sit Around And Miss You
  9. 9. Go
  10. 10. Breaking Down
  11. 11. Under The Gun
  12. 12. Fire Walk With Me

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8 Kommentare mit 2 Antworten

  • Vor 5 Jahren

    Der viel zu früh heis laufende Sommer hat seinen frischen Wind! Klasse Album, reduziert detailverliebt auf den Punkt gespielt, das knallt an allen Ecken und Enden. Weniger will ich nicht, mehr geht nicht. Ganze Wochenende Dauerrotation und wird immer besser, lange nicht mehr so gehabt. Mucke darf doch Spaß machen. Bei mir aktuell 5/5.

  • Vor 5 Jahren

    Also ich bin auch sehr, sehr angetan von diesem Album!

    Es macht einfach Spaß - vielleicht auch, weil man merkt, wie viel Spaß die beiden selber dabei hatten. Es fühlt sich herrlich ungezwungen an.

    Man mag es poppig nennen, aber besonders gelungen finde ich, wie die Gitarre durchaus oft zum Quietschen gebracht wird, aber dabei einfach nie nervt und zu "Krach" verkommt.

    Interessant finde ich allerdings diverse Kritiken der Fachpresse. Das liest sich alles immer total gut, aber irgendwie...trauen sich die Redaktionen keine 5 Sterne zu verteilen. Dabei kann ich nicht ganz herauslesen, was die negative Kritik ist. Zu viel Hommage?

    Btw. Laut.de muss sein Black Keys Portrait umschreiben. Dort heißt es "Ein großer Dünner (Patrick Carney) und ein Kleinerer (Dan Auerbach)...". Dünn kann man Carney nun nicht mehr nennen *hust*

    • Vor 5 Jahren

      "Das liest sich alles immer total gut, aber irgendwie...trauen sich die Redaktionen keine 5 Sterne zu verteilen."

      Also für mich persönlich zumindest kann ein Album keinerlei wirkliche Schwächen oder auszumachende Kritikpunkte haben und trotzdem "nur" als 4/5 von mir eigeordnet werden. 5/5 sind für mich die absolut virtuosen Hammerplatten und Meisterwerke und nicht jedes Album, das ganz konsequent 'ne Menge Spaß macht ist gleich das.

    • Vor 5 Jahren

      Gleep magst ja Recht haben, wenn vor allem viele sehr gute Alben zeitnah erscheinen. Bei dem Album ist es nur so, das dieses Jahr nicht viele der Qualität erschienen sind und das kennt man ja, gerade Profis trauen dem Braten dann noch nicht und warten auf das Wunderwerk.

      Nach meiner unprofessionellen Meinung wird das Album mit jeder Rotation immer besser und ist längst deutlich über eine 5/5 hinaus. Ihren rauhen Garagensound in den ersten 10 Jahre etwa meint man zu hören Anfangs, bis man sich auf ein einzelnes Instrument einschießt und z.b. die verzehrten Gitarre sich zu einer Engels gleichen Klarheit erheben. Das Schlagzeug genau so. Die Produktion dieses Albums ist ein Meisterwerk. Trotz nicht vorhandener Synthi das erste wirklich digitale Werk! Manisch hat schon recht, die Fachpresse traut dem Braten nicht!