laut.de-Kritik
Der erste Paukenschlag im jungen Folk-Jahr.
Review von Kai ButterweckThe Decemberists-Frontmann Colin Meloy gewährte bis dato nie sonderlich tiefe Einblicke in sein Innenleben. Auf den bisherigen Veröffentlichungen ging es meist primär um das Analyse von Themenbereichen aus der Ferne. Wie seine eigene Uhr tickt, was er denkt und was er fühlt blieb eher im Verborgenen. Mit dem Album "What A Terrible World, What A Beautiful World" wendet sich nun das Blatt.
Colin Meloy macht sich im übertragenen Sinne erstmals so richtig nackig. Beispielsweise verrät Meloy wie fassungslos und ohnmächtig er einst mit den Kräften der Finsternis rang, als ihn die Nachricht eines Amoklaufs in einer Grundschule in Newton, Connecticut erreichte ("12/17/12"). Feinfühlig und aufgewühlt präsentiert sich der Sänger fast wie ein AugenZeuge, während sich seine Band in tieftraurige Lagerfeuer-Klangwelten flüchtet.
Erwartungsgemäß hoffnungsvoller geht es zur Sache, wenn sich der zweifache Familienvater mit dem Schlaf seines Sohnes Millow beschäftigt. Ob der Kleine jedoch zur Ruhe kommt, wenn der Papa mitsamt Gefolge zum Irish Folk-Tanz bittet ("Better Not Wake The Baby")? Wohl kaum.
Ebenfalls mehr im Licht als im Schatten bewegt sich der zum Ende hin mit reichlich Bombast aufgeplusterte Gruß an die Fans namens "The Singer Addresses His Audience". Mit viel Witz und Charme schunkelt sich die Decemberists-Belegschaft in einen melodischen Bonfire-Rausch der Superlative.
Die eingestreute Opulenz, die das Ende des Openers und weite Teile des finalen Albumeckpfeilers "A Beginning Song" an frühere Werke erinnern lässt, bleibt aber die Ausnahme. Überdurchschnittliche Folk-Pop-Perlen wie der Ohrwurm "Philomena", das mit R.E.M.-Anleihen veredelte "Make You Better" oder das liebliche "The Wrong Year" kommen eher reduziert daher, was dem Album eine insgesamt ungewohnt intime Atmosphäre verleiht.
The Decemberists eröffnen das Folk-Jahr mit einem wahren Paukenschlag. Was bei der Anhängerschaft für Begeisterung sorgen wird, dürfte ähnlich gestrickten Bands jedoch Sorgen bereiten. Es sei denn, man interessiert sich nicht für die vorderen Plätze der in elf Monaten kursierenden 'Alben des Jahres'-Listen.
6 Kommentare mit einer Antwort
jemand in berlin beim konzert?
jupp in berlin...die waren ja schon ewig nich mehr hier
ganz großes kino, genau die richtige mischung aus epischen und ruhigen parts!
Die erste Single find recht gut. Vielleicht ist ja was nettes dabei.
Überdurchschnittliche Langeweile. Sehr schön, gute Songs, allerdings fürchterlich glatt poliert.
Ich für meinen Teil fühle mich gleich wieder Zuhause nach den ersten Sekunden vom neun Meisterwerk. Die Qualität der Diskographie ist wahrlich bombastisch und es wird genau da weiter gemacht wo man gern ist...in allen Ecken der guten Musikstile. Sicher ab und zu kitschig aber Langeweile sieht anders aus. Folk muss einfach aus dem Herzen kommen und darf auch endlos theatralisch/kitschig sein. Was hier textlich teilweise mit viel Humor und dann wieder todernst behandelt wird und dann mit fingerspitzengefühl oder Bombast untermalt wird sucht einfach seines Gleichen. Ich kann hier abschalten aber bekomme gleichzeitig was von der Welt mit...eckig, kantig, erdig, einmalig
Na endlich hat es mal geklappt! Bin endlich angefixt von dieser Band, höre den Backkatalog und stelle fest, dass Marianne Faithfull diese bereits gecovert hat... wie konnte mir das entgehen?
Tolles Einsteigeralbum, scheint mir. Hätte die Band erstmal nach Schottland verortet. Sehr interessant. Gute Rezension und mein bisher zweitliebstes Album 2015 (nach der neuen "Archive").
Scheint nach dem eher schwachen 2014 wieder ein großartiges Jahr zu werden! Ich freue mich drauf.