laut.de-Kritik
Die poppige Unschuld kippt in glitzernden Bombast.
Review von Daniel ThomasDer gemeine Hobbit-Fan verbindet mit Neuseeland zuallererst das Auenland und seine haarigen Bewohner. Für diese Welt waren The Naked And Famous schon immer etwas zu glamourös. Das Quintett aus Aukland hatte aber genügend abgeschmirgelte Rustikalität in petto, um sich irgendwie in die harsche Schönheit zwischen Zwergen und Elfen hinein zu stehlen.
Auf "Simple Forms" kippt ihre poppige Unschuld jetzt allerdings in den glitzernden Bombast, der sich mit der Landschaft unversöhnlich zeigt. Mit Cosmopolitan und High Heels läuft es sich auf gut ausgeleuchteten, geteerten Untergründen dann doch deutlich einfacher.
Der Synth-Pop strebt vor allem auf die Aftershow-Veranstaltungen, auf denen dem roten Teppich noch Etikette zugeschrieben wird. Nachzuhören in der Vorabsingle "Higher", die mit ihrem pumpenden Beat zwar noch einigermaßen Schmiss hat, die zuckersüße Powerpop-Melodie von Stimmgewalt Alisa Xalatih lässt ihn in der Glitzerwelt aber nirgendwo anecken.
Ähnlich verhält es sich mit "The Water Beneath You". Der Song schrubbt mit Dubstep-Breakbeats durch die Indie-Disko Richtung Schlagerhalle, wo in der Luft geklatschte Hände noch als rebellischer Akt gelten. In "My Energy" ist dann zum ersten Mal Thom Powers Stimme zu vernehmen – und prompt gewinnen die beiden ersten Songs an Punkappeal, weil mit Powers noch eine Nummer weicher gespült wird.
Das Verhältnis der Gesangsbeiträge zwischen Powers und Xalatih ist auf jeder The Naked And Famous Platte eine interessante Angelegenheit. In "My Energy" rutschte Xalatih mit ihren Backingvocals wieder in die zweite Reihe. In "Last Forever" revanchierte sich Powers prompt. Das wirkt funktional und gleichzeitig erschreckend kalkuliert.
Bei "Simple Forms" liegt der Spielball – ob beabsichtigt oder nicht – allerdings häufig bei Produzent und Soundtüftler Aaron Short. Der meint es gut mit The Naked And Famous. Zu gut! Dick produzierte, treibende Drumsounds und druckvolle Bässe grundieren fast alle Songs, sind aber häufig so straight und vorhersehbar, dass dem Indie-Charme, der das Debüt "Passive Me Agressive You" noch auszeichnete, die Luft zum Atmen fehlt.
Fairerweise muss man gestehen, dass sich mit Songs wie "Laid Low" erneut auch die Art mitreißender Popmusik finden lässt, mit der The Naked And Famous bei kommenden Festivalauftritten unter Garantie wieder zu den Lieblingen des tanzenden Publikums werden: Zackiger Rhythmus, schillernde Synthesizer, garniert mit einem strahlend eingängigen Gesangsbeitrag von Xalatih.
Das Spiel mit den Elementen haben die Neuseeländer bereits auf dem Vorgänger "In Rolling Waves" perfektioniert. Auf "Simple Forms" kippt die Balance zu deutlich in den Mainstream-Elektro-Pop. Dagegen wirken Chvrches geradezu niedlich und School Of Seven Bells regelrecht experimentell. Beides würde Gandalf vermutlich eher zusagen.
3 Kommentare
Mein Popalbum für Herbst und Winter. Und Bombast ist nichts Schlimmes, Herr Thomas!
Eines der besten Pop-Alben der letzten Jahre..und ich mag Pop nicht mal sonderlich gerne.
Mir gefällt das Album auch sehr gut, von mir 4 Sterne.
Vom Pop-Anteil würde ich sagen, dass dieser insgesamt etwas höher ist als bei "Passive me...", doch gerade bei ihrer bekanntesten Single "Young Blood" war er mindestens so hoch wie bei allem auf dem neuen Album.
Abgesehen davon ist Pop nichts Böses, schon mal daran gedacht dass eine Band/ein Künstler vielleicht Pop macht weil er es einfach machen will?