laut.de-Kritik

Moderner Hardcore-Punk auf die Zwölf.

Review von

Es klingt beinahe wie ein Punk-Märchen. Eine junge Künstlerin landet nach einigen Stationen rund um den Globus in Bembeltown Rock City und gründet mit den Resten lokaler Punkbands Ende 2022 das Projekt The Pill. Man stellt sich live alles andere als blöd an, was in viel positiver Kritik, einem Plattenvertrag und einem kernigen Debütalbum mündet.

Die angepissten Frankfurter Newcomer sehen sich im Hardcore-Punk verwurzelt und dem ist nur dahingehend etwas hinzuzufügen, dass man "Hollywood Smile" nicht nur auf dieses eine Subgenre reduzieren sollte. In den gebotenen 20 Minuten stehen alle Zeichen auf Abriss, Abfuck und der mit unwahrscheinlich Coolness dargebotenen Mittelfinger-Attitüde.

Das angenehm kratzige und dennoch voluminöse Organ von Chef-Chanteuse Sam erinnert zuweilen an Kim Shattuck oder eine junge Brody Dalle. Und auch zu den einzelnen Songs finden sich ausreichend Reminiszenzen an die ganz großen Genrepaten.

Stücke wie das rotzig vorglühende "Switch" oder das nihilistisch anmutende, schroffe "Worms" (das Getier, nicht die Stadt) verströmen ordentlich 80s-US-Punk Vibes à la Black Flag oder Circle Jerks. Aufgekratzte, eher negative Grundstimmung, solides Bass/Drums Fundament und schön kantige Unwohlfühl-Riffs lassen das Herz der Genre-Fans direkt hoch schlagen.

Etwas moderner, noisiger und vor allem melodiöser kommen "Somewhere" oder das post-punkige "The Bitter Pill" um die Ecke. Irgendwo zwischen den klassischen Riot Grrrl-Truppen und weiblich gefronteten Urgesteinen wie X rumpeln die (Wahl-)Hessen eine zeitgemäße Version des Hardcore-Punks in die Welt und man wünscht sich augenblicklich mehr Material. Das fette "Government Whore" ist eine lupenreine Genre-Perle, allerdings in wenigen Augenblicken auch schon an einem vorbeigeflogen.

Genau hier liegt auch der einzig richtige Kritikpunkt, die kurze Spielzeit. The Pill haben Bock, Energie und sicherlich das Zeug mehr als eine Eintagsfliege zu sein. Ein paar Minuten mehr hätten dem guten Stück allerdings nicht geschadet und einige der im Hintergrund versteckten Melodien dürften ein klein wenig mehr aus dem Schatten treten. Allen in allem ist "Hollywood Smile" ein gelungenes Debüt und macht direkt Lust auf mehr.

Trackliste

  1. 1. Switch
  2. 2. Hollywood Smile
  3. 3. What's New
  4. 4. Worms
  5. 5. Salaryman
  6. 6. Government Whore
  7. 7. Somewhere
  8. 8. The Bitter Pill
  9. 9. Parking Lot
  10. 10. Complexe

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