laut.de-Kritik
Jakob Dylan entstaubt seinen Bandsound.
Review von Giuliano BenassiVon den Musikerkindern seiner Generation ist Jakob Dylan derjenige, der die überzeugendste Musikerkarriere hingelegt hat. Nachdem er dem sperrigen Thema lange ausgewichen war, akzeptierte er 2005 in einem Interview mit der New York Times den Status als Sohn einer Legende und beantwortete geduldig Fragen hierzu. Auf eigenen Beinen stand er da schon längst, nachdem sich das zweite Album seiner Wallflowers, "Bringing Down The Horse" (1996) millionenfach verkauft hatte.
Seit seiner ersten Platte 1991 sind bereits drei Jahrzehnte vergangen, dennoch ist das vorliegende Album erst sein neuntes. Die Compilation "Echo In The Canyon" (2019) nicht mit eingerechnet, die als Album startete und als aufwändiges Filmprojekt endete. Der Film handelt von der musikalischen Szene im Laurel Canyon zu Beginn der 1970er Jahre. Dylan interviewt in der Doku-Hommage unter anderen Ringo Starr, David Crosby und Tom Petty, im Soundtrack singt er mit Fiona Apple, Norah Jones oder auch Josh Homme.
Im Laufe der Jahre hat sich eine klare Trennung ergeben: Die folkigen Stücke veröffentlicht Jakob Dylan unter eigenem Namen, die rockigen mit The Wallflowers. Bei denen er längst das einzige feste Mitglied ist: Für ein neues Album oder Tourneen stellt er jedes Mal eine mehr oder weniger neue Band zusammen.
Der Klang ist dabei erstaunlich stabil geblieben, irgendwo zwischen Tom Petty & The Heartbreakers und Bruce Springsteen mit E Street Band, aber ohne Bläser. Wie sie bevorzugt Dylan einfache Songstrukturen, die hängen bleiben, ohne sich dabei aufzudrängen. Seine Texte sind poetisch und reich an Bildern, ohne abgehoben zu wirken. Seine angeraute, ruhige Stimme ist von den drei womöglich die schönste.
"Wir haben nur einen Scheinwerfer, aber wir werden es nach Hause schaffen", singt er in seinem bekanntesten Stück, "One Headlight" der Wallflowers. Das Leben ist voller Unwägbarkeiten, ab und zu fällt man auf die Fresse, doch lohnt es sich, wieder aufzustehen und weiter zu machen, so die Botschaft vieler seiner Texte.
Was auch auf den Titel dieses Albums zutrifft. denn "Exit Wounds" sind Austrittswunden von Schussverletzungen. Wir alle tragen Narben, aber wenigstens ist die Kugel nicht mehr im Körper. Dass zwischen "One Headlight" und dem Opener dieses Albums 25 Jahre liegen, würde man nicht vermuten. Die Stimme klingt eine Spur rauchiger, die Begleitung countrylastiger, aber das sind nur Nuancen. Letztlich war Dylans Musik damals schon das, was sie heute noch ist: klassisches Americana.
Und so bleibt die beste Art, dieses Album zu genießen, sich zurückzulehnen und dem schönen Zusammenspiel zwischen Orgel, Klavier, Gitarren (akustisch, elektrisch, Slide - alles dabei) und JDs Stimme zu lauschen. Der sich auch diesmal am Mikrophon begleitet lässt. Bei "The Dive Bar In My Heart" könnte man meinen, dass Little Steven im Hintergrund mitsingt. Prägender ist jedoch die Stimme der Country-Sängerin Shelby Lynne, die auf mehreren Stücken zu hören ist, besonders aber in der Ballade "Darlin' Hold On".
Ein Album, das schön vor sich hinplätschert, bis "Who's That Man Walking Round My Garden" eine deutliche Tempoverschärfung bringt - ein Südstaatenrocker, der das Zeug zum Klassiker hat. Ein nettes Zwischenspiel, das Produzent Butch Walker gut hingekriegt hat, wie überhaupt den Sound des gesamten Albums. Das ganz traditionell im Studio entstanden ist.
Doch es lohnt sich auch, den Texten zu lauschen. "I hear the ocean when I wanna hear trains", beschreibt Dylan etwa das Gefühl, am falschen Ort zu sein. Das interessanteste Bild ist vermutlich aber die Absturzkneipe in seinem Herzen, die "Dive Bar In My Heart". "Ich gehe tatsächlich gern in Kneipen, um dort meine Ruhe zu haben. Am Tresen zu sitzen – allein und unangesprochen – kann eine Wohltat sein. Jeder Mensch braucht einen Ort, wo er mit sich und dem Inhalt seines Glases allein sein kann. Du musst aber nicht zwingend Bier trinken. Auch eine schöne Bibliothek kann ein solcher Ort sein." erzählt er kulturnews.de.
Jedenfalls ein Ort, zu dem dieses Album vorzüglich passt.
2 Kommentare
Ich freue mich total auf dieses neue Album. Die Wallflowers sind eine "Band", von der ich erwarte/erhoffe, dass sie ihrem Sound und Spirit treu bleibt. Ich könnte ewig in Erinnerungen an die späten 90er schwelgen, als "One Headlight" bei AFN täglich mehrere Male in den Äther geschickt wurde und uns Provinz-Zivis die langen Autofahrten in ollen Opel Asconas versüßte. Ganz ohne Autotune.
Ein echt gutes Album. Läuft in ruhigen Momenten des öfteren bei mir. War zufällig 96/97 in Amerika, wo The Wallflowers durchgestartet sind und bin seither bei der Band hängen geblieben. Ein Überhit wie 6th Avenue Heartache oder ähnliches fehlt zwar, schmälert das Hörvergnügen aber keinesfalls. Für mich eine klare Empfehlung!