laut.de-Kritik
Mehr als nur Van Morrisons Begleitband.
Review von Giuliano BenassiThem hätten in den ersten Wochen ihrer Existenz ihr Bestes gezeigt, sinnierte Van Morrison im Nachhinein. Womöglich hat er sogar Recht, beweisen lässt sich seine These jedoch nicht, da es von der Gründerzeit keine brauchbaren Zeugnisse gibt.
1964 hatte er, gerade 18 Jahre alt, für die Eröffnung eines Rhythm And Blues-Clubs im Hotel Maritime in Belfast eine Band auf die Beine gestellt, die sich ihren Namen vom Titel eines Horrorfilms von 1954 auslieh: Them (die deutsche Version hieß "Formicula"). Ihre wöchentlichen Auftritte jeden Freitag begannen am 17. April und zogen bald viele Besucher an. Die Shows waren rau. Them ließen sich vom Publikum treiben, improvisierten Stücke Morrisons oder spielten eigenwillige Coverversionen. Der spätere Hit "Gloria" konnte sich auch 20 Minuten in die Länge ziehen.
Von diesen Auftritten gibt es leider keine oder nur sehr schlechte Aufnahmen. Eine davon reichte, um Them einen Managementvertrag und einen Labeldeal mit Decca zu sichern. Bereits im Juli 1964 waren sie in London, um ihre ersten Stücke aufzunehmen, darunter "Gloria" und "Baby Please Don't Go", auf dem Jimmy Page aushalf, der damals noch als Session-Musiker tätig war. "Er stimmte seine Gitarre so weit runter, dass sie sich anhörte wie ein Bass. Man könnte meinen, dass zwei Bässe spielen, aber einer davon war in Wirklichkeit eine Gitarre. Er fügte noch einen weiteren Part hinzu, hinter den Gesang im ruhigeren Teil", erinnert sich Morrison.
Mit "Gloria" landeten Them im Dezember 1964 ihren ersten Top 10-Hit in Großbritannien. Der Beginn einer glänzenden Karriere, könnte man meinen. Die Voraussetzungen wären vorhanden gewesen. Mit ihrem Garage-Sound klangen sie wie keine andere Band. Morrison erinnerte eher an einen heiseren Hund als an einen Sänger, steckte aber soviel Leidenschaft in sein Knurren, dass es durch Mark und Bein ging. Der Bass Alan Hendersons pumpte ordentlich, die verstärkte und hart angeschlagene Gitarre Billy Harrisons klang messerscharf.
Günstig auch der Umstand, dass Them der British Invasion zugerechnet wurden. Was ihnen als Nordiren erst mal überhaupt nicht passte. Die Beatles hatten die Tür zum wichtigsten Markt der Welt weit aufgestoßen, Rolling Stones, Who und unter anderen auch Them brauchten ihnen nur zu folgen. Was sie auch taten. Ihre Single "Here Comes The Night", unter den Fittichen von US-Songwriter und Produzent Bert Berns aufgenommen, erreichte im März 1965 Platz 2 in Großbritannien und im Mai Platz 24 in den USA.
Die Zeit war reif für das erste Album "The Angry Young Them", das im Juni 1965 erschien. Wie damals üblich, waren Auswahl und Reihenfolge der Lieder in Europa anders als in den USA. Erstaunlicherweise enthielt weder die eine noch die andere Thems wahrscheinlich bestes Lied, ihre fast schon psychotisch anmutende Version der Blues-Nummer "Baby Please Don't Go" ("down to New Orleans, you know I love you so, babe please don't go"). Ein Klassiker, den später unter anderen auch AC/DC aufnahmen. 1990 verwendete David Lynch es in "Wild At Heart".
Doch auch so hatte das Album einiges zu bieten. Die europäische Version beginnt mit einer Nummer, die in den USA für Furore sorgte, "Mystic Eyes". In dem Stück geht es wild zu. " One Sunday morning / We'd went walking / Down by the old graveyard / The morning fog I looked into / Yeah those mystic eyes" lautet der kurze Text mit hypnotischer Begleitung. Dass das Stück von den 20 Minuten im Maritime auf knapp drei gekürzt wurde, ist wirklich schade.
Schon das zweite Stück lieferte den Beweis, das Morrison mit Balladen nicht konnte, wenigstens noch nicht zu diesem Zeitpunkt. Die Gitarre tritt in den Hintergrund, ein Klavier klimpert andächtig, aber Morrison klingt zu schnoddrig, um romantisch rüberzukommen. Grandios in dieser Hinsicht auch Thems Verschnitt von "I Saw Her Standing There" der Beatles, der auf diesem Album den Titel "Go On Home Baby" erhielt. "She was just seventeen, you know what I mean", hatte Paul McCartney verschmitzt gesungen. "She's so young, I know I should send her away / Leave me alone, I say, leave me alone" erwidert Morrison.
Seine Stärke und die der Band liegt klar in den schnelleren Stücken, wie auch das zu Beginn langsame (und lasche) "Little Girl" zeigt, das sich zu einem kreischenden Finale hochschaukelt. "Just A Little Bit" bietet klassischen Rhythm And Blues mit Saxophon- und Orgeleinlage, "You Just Can't Win" sorgt für eher deprimierte Blues-Stimmung.
So geht es weiter, zwischen Rhythm And Blues und Blues pendelnd, mit psychedelischen Elementen und souliger Stimme. Them verneigten sich vor ihren Vorbildern Jimmy Reed (von dem "Bright Lights, Big City" stammt) und John Lee Hooker ("Don't Look Back"). Bobby Troups abschließendes "(Get Your Kicks On) Route 66" war zur damaligen Zeit ein Standard-Stück, das auch Chuck Berry oder die Rolling Stones im Angebot hatten.
Der Höhepunkt des Albums bleibt aber sicherlich "Gloria". Die 2:40 Minuten Dauer werden dem Stück nicht gerecht, doch auch so entfalten der simple Akkord und der Mitgröhl-Text seine Wirkung. "G-L-O-R-I-A Gloria!" tönt es aus Morrison, gefolgt vom simpelsten aller Gitarrensoli. Nach wie vor herrlich.
Der Erfolg stellte sich jedoch nicht wirklich ein. Die Band hatte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Albums ihren Ruf schon weg. Nicht nur wegen des kauzigen Morrisons. Schon von Anfang an hatten es sich Them mit den Rundfunkanstalten und der Presse verscherzt, indem sie sich nur sichtlich unbemüht auf Playback-Auftritte einließen und bei Interviews schroffe und unverständliche Antworten gaben. Oder gleich ganz darauf verzichteten und einfach nur grunzten.
Auch die Chemie untereinander stimmte nicht, was ständige Mitgliederwechsel zur Folge hatte. Nach der Veröffentlichung des ersten Albums gab es sogar zwei Bands mit demselben Namen, eine um Morrison und Bassist Henderson, die andere um Gitarrist Harrison, der seine Band schließlich in The Other Them umbenannte. Es war der Beginn eines Spiels, das sich noch mehrere Jahre hinzog.
Anfang 1966 veröffentlichten die 'richtigen' Them ihr zweites Album "Them Again", auf dem Morrison schon wesentlich erfahrener klang, und begaben sich auf US-Tour. Im Juni hatten sie in Los Angeles knappe drei Wochen lang ein festes Engagement im Whiskey A Go Go am Sunset Strip, mit den Doors als Opener. Kurz danach kam es zwischen Band und Management aus finanziellen Gründen zu einem Streit. Them brachen auseinander, Morrison beschloss, unter eigenem Namen weiter zu machen.
Für alle folgte erst mal eine magere Zeit. Morrison landete mit "Brown Eyed Girl" 1967 gleich seinen größten Erfolg, doch die Bedingungen, die er mit Produzent Bert Berns ausgehandelt hatte, waren so mies, dass er selbst von den Einnahmen nichts sah. Als Berns plötzlich an einem Herzinfarkt starb, machte seine Witwe Morrison mit seiner schroffen Art indirekt dafür verantwortlich und ihm das Leben zur Hölle. Morrison tingelte durch Kneipen in der Bostoner Gegend, um sich über Wasser zu halten. Dort entstand das Material, das 1968 auf "Astral Weeks" landete, seinem bekanntesten Album.
Morrison hatte mit Them nichts mehr zu tun, die Band kam dennoch in verschiedenen Formationen um das eine oder andere Mitglied immer wieder zusammen, ohne aber auch nur entfernt an den Erfolg der ersten Singles anzuknüpfen. In Erinnerung ist sie letztlich doch als Startrampe für Van Morrison geblieben. Was nicht gerecht ist, trugen Bassist Henderson und Gitarrist Harrison wesentlich zum anfänglichen Sound der Band bei.
Wer mehr darüber erfahren will, dem sei "The Complete Them" empfohlen, eine Retrospektive auf drei CDs. Neben den neu abgemischten Songs der ersten zwei Studioalben enthält sie auch Singles und alternative Versionen oder bisher unveröffentlichte Liveaufnahmen aus der Zeit mit Morrison. Und sogar ein Vorwort von Van The Man selbst, der ungewohnt wortreich seine ersten Jahre als Profimusiker Revue passieren lässt.
In der Rubrik "Meilensteine" stellen wir Albumklassiker vor, die die Musikgeschichte oder zumindest unser Leben nachhaltig verändert haben. Unabhängig von Genre-Zuordnungen soll es sich um Platten handeln, die jeder Musikfan gehört haben muss.
1 Kommentar
manchmal ärgert es mich das ich erst auf die welt kahm als die musik geschichte der späten 50er, 60er und erst recht der 70er schon am abklingen war und ich nur noch die platten hören kann und keines der konzerte besuchen....und da bin ich sicher nicht allein