laut.de-Kritik
Vom weinerlichen Schmalz vereinnahmt.
Review von Kai Butterweck"Die Wochen nach der Fertigstellung eines Albums sind die allerschlimmsten. Deshalb habe ich beschlossen mich in dieser Zeit einfach wieder in die Arbeit zu stürzen und neue Songs zu schreiben", sagt Tim Bendzko. Und so purzelten dem Berliner im Juni dieses Jahres kurz nach der Veröffentlichung seines Nummer-Eins-Albums "Am Seidenen Faden" innerhalb weniger Tage zwölf erntefrische Dreiminüter aus den Ärmeln, die sich dieser Tage nun im Doppelpaket mit den bereits erfolgsverwöhnten Sommer-Tracks messen dürfen.
Dass ein derart emsiges Treiben in Freundeskreisen nicht lange unter Verschluss zu halten ist, versteht sich von selbst. Also klopften während der Aufnahmen der neuen Songs diverse Klein- und Großkaliber der Branche an die Studiotür, um den einen oder anderen musikalischen Löffel Senf dazuzugeben.
Da wäre beispielsweise Rea Garvey, der mit trippelnden Beats im Gepäck und dem Hauptverantwortlichen an der Hand im Karlsson-vom-Dach-Paket über den Dächern von Berlin schwebt und reichlich kraftspendende Geh-deinen-Weg-Phrasen gen Boden sinken lässt ("Give A Little"). Wieder unten auf der Erde, wartet bereits ein bimmelnder Gute-Laune-Wecker in Gestalt von Chima auf den momentan wohl begehrtesten Lockenkopf der Republik. Das Brothers Keepers-Mitglied dürstet nach einem Neuanfang, und so baut er im rosaroten Buddelkasten des Lebens haufenweise Brücken aus Sand, während sich chillige Hüftschwing-Rhythmen und eingestreute Klingeling-Effekte zu einer honigsüßen Pop-Glasur vereinen ("Vergiss Es").
Noch eine Spur glukosiger geht es auf "Noch Nie" zu – einem Song, der mit seinem hymnenhaften Refrain, dem durchgehenden ZDF-Fernsehgarten-Bombast und dem zarten Organ des The Voice Kids-Sternchens Aitzi nahezu alles auffährt, was das Herz eines Fahrstuhlmusik-Liebhabers begehrt. Und natürlich immer mittendrin: Tim Bendzko. Die Neighborhood-Attitüde, die dem Berliner auf seinem Debütalbum auch außerhalb der Genre-Grenzen einige Lobgesänge einbrachte, ist längst einer zielgruppengerecht geschnürten Schmalz-Pop-Hülle gewichen, in der sich abertausende Lemminge von blutleeren Plattitüden einlullen lassen.
Auch der Versuch, mit akzentuierten R'n'B-Anleihen und der kräftigen Stimmfarbe von Lary einige Kratzer auf der spiegelglatten Oberfläche zu hinterlassen geht nach hinten los ("Bei Dir Sein"). Zu plump und leblos dümpeln vier Minuten Allerweltspop vor sich her.
Wie man es besser macht, zeigt Cassandra Steen. Die ehemalige Glashaus-Frontfrau sorgt im Verbund mit erdigen Background-Strukturen als einzige für etwas wie Leben auf dem Album ("Unter Die Haut"), denn auch die fünf Soloauftritte von Tim Bendzko erreichen lediglich den Tiefgang eines Einweg-Tauchsieders. Mittlerweile vollkommen vom weinerlichen Schmalz eines Xavier Naidoo vereinnahmt, suhlt sich der Hauptstädter durch anorganische Sound-Pfützen, während sich schwülstig formatierte Durchhalteparolen und Liebesschwüre durch die Boxen zwängen. Alles wird gut. Na dann.
6 Kommentare mit 4 Antworten
Wenn die ausnahmelos unhörbare Frau Steen hier schon lobend hervorgehoben wird, verschone ich meine Ohren doch lieber.
Unter die Haut Version? Ernsthaft?
Ja. Wenn du vorher noch nicht an der Nadel gehangen hast, fängst du bei dieser CD mit dem Spritzen an.
Damit wäre zum Thema Bendzko auch alles gesagt.
Also ich finde diese Entwicklung ja ziemlich interessant. Das erste Album erhielt noch vier Sterne. Anschließend wurde Bendzko kommerziell erfolgreich und schon gehen die Bewertungen bergab. Dabei hat sich ansonsten nicht viel geändert - die Songs sind weder besser, noch schlechter geworden.
Ich bin kein Fan von ihm, aber ein paar Songs mag ich und er ist sicher nicht so schlecht, wie er in den letzten beiden Rezensionen dargestellt wird. Aber laut.de kann nur zwei Sachen: Zerreisen oder in den Himmel loben. Was dazwischen gibt es nicht wirklich. Das ist irgendwie traurig. Ich weiß nicht, ob das eine Profilierungsneurose mancher Rezensenten hier ist, aber glaubwürdig ist was anderes. War auch das letzte Mal, dass ich hier eine Rezension las, da gibt es deutlich bessere Alternativen - Alternativen die ohne persönlich zu werden, rezensieren können. Die Interviews hier sind ganz gut. Das war's aber auch schon irgendwie. Ansonsten sind immer dieselben Trolle unterwegs. Woran das wohl liegen mag?
du triffst den Nagel auf den Kopf, silenceboy ... ganz meine Meinung ...
Die dürfen nur noch Mist rezensieren, kein Wunder^^
Mist bringt auch mehr Geld ein ....
Stimmt. Die Masse wird ja auch nur noch mit Mist gefüttert. Wenn 37 Millionen meinen Justin Bieber hören zu müssen, ist klar warum Tim Benzko, Jupiter Jones und viele andere immer seichter werden.
Ich finde den jammernden Missionar ja sehr viel schlimmer.