laut.de-Kritik

Da wächst das Fernweh nach "Good Old England".

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Dank der unverkennbaren, nikotinbelegten Stimme von Stuart Staples lässt sich ein neues Tindersticks-Album ohne Anstrengung leicht wieder erkennen. Mit melodramatischen Streichern und sanften Blasorgien bereichern die Engländer unsere Sinne seit fast dreizehn Jahren. Immer wieder ist es eine bedrückende Freude, in die wunderbaren Lieder über Liebe und Einsamkeit zu tauchen.

Mit dieser DVD schleicht sich allein die Optik direkt ins Herz. Ohne viel Schnickschnack, der gewöhnlichen Plastikverpackung und überflüssigen "Extras" erscheint "Bareback – Nine Films By Martin Wallace" in einem braunen Paperback mit schlichtem, aber auffälligem Design, das uns auch während der gesamten Videovorstellung begleitet.

Die neun besten Tindersticks-Songs aus den Jahren 1993 - 2003 liegen, von der Firma Nova in anschauliche Kurzfilme verpackt, hiermit vor uns. Neben dem ausgezeichneten Emmy-Preisträger Wallace ist auch Pulp-Sänger Jarvis Cocker für einige Videos verantwortlich. Auf dieser DVD führt er beim ersten Clip "City Sickness" Regie, der mit bunten Farben durchzogen ist, aber keinesfalls in den Bonbon-Alltag von VIVA oder MTV gehört. Überhaupt sind alle neun Videos eine Kunst für sich, die man, wenn überhaupt, nur auf Sendern wie ARTE oder 3SAT vermuten würde.

Mit ein bisschen Snobismus und selbstbewusstem, smarten Auftreten versetzt uns Mister Staples auf seinen Konzerten stets in völlige Entzückung. Da verwundert es nicht, dass er und seine Band auch auf diesen neun Kunstwerken eine perfekte Figur machen, und man wie besessen der Schwarzweiß-Ästhetik anheim fällt. Der Blick in die Röhre lässt einen nicht los, egal ob die Milch auf dem Herd überkocht oder Kater Frank den Kanarienvogel Elvis durch die Wohnung jagt. In "Rented Rooms" mutieren Tindersticks zu einer glamorösen Swing-Band mit Showgirls im Hintergrund und einem unglaublichen Stuart im Dandylook ("Swing When You're Winning").

Das harmonische und gefühlvolle Duett "Sometimes It Hurts" mit der Frankokanadierin Lhasa de Sela (zu hören auf der Platte "Waiting For The Moon") erfreut sich ebenfalls kunstvoller Bilder, "typical english" eben, gaumenschmeichlerische Baked Beans auf Toast. Da wächst das Fernweh nach "Good Old England".

Es ist schwieriger langsam, als schnell zu spielen. Diese Erkenntnis gilt bei den Tindersticks nach wie vor, und neben dem hektischen Alltag, der Werbe-Klingelton-Überflutung und der schrillen Medienlandschaft im allgemeinen, ist diese Band und diese DVD Balsam für die gereizte Seele. Der abschließende Clip "The Art Of Love Making" lässt sich allerdings noch besser in Gesellschaft genießen. Hier lernt man vielleicht noch eine intime Stellung kennen, die man noch nicht ausprobiert hat.

Trackliste

  1. 1. City Sickness
  2. 2. Travelling Light
  3. 3. Bathtime
  4. 4. Rented Rooms
  5. 5. Can We Start Again?
  6. 6. Can Our Love
  7. 7. Don't Ever Get Tired
  8. 8. Sometimes it hurts
  9. 9. The Art Of Love Making

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