laut.de-Kritik

Zwischen Muse, Coldplay und Rufus Wainwright.

Review von

Zwischen Airplay und Kritikerlob konnten sich in den vergangenen Jahren nicht viele Künstler etablieren, Tom Odell gehört zu dieser Minderheit. So schön es ist, diese Gratwanderung zu schaffen - sie zu wiederholen gehört zu den schwierigeren Aufgaben eines jungen Künstlers.

Mehrere Ortswechsel, zwei Jahre Arbeitszeit und Unterstützung erfahrener Kollegen wie Rick Nowells, Jamie Scott oder Andy Burrows brauchte Odell, um einen Nachfolger zu entwerfen. Was nun in einem desaströsen, durchkalkulierten Versuch der Wiederholung hätte enden können, bleibt uns auf "Wrong Crowd" größtenteils erspart.

Odell und seine kreative Taskforce versuchen merklich, den Sound in unterschiedliche Richtungen auszubauen und nehmen dabei in Kauf, dass nicht jede Saat aufgeht. Ironischerweise zählt zu diesen in Mittelmäßigkeit versandenden Momenten auch die erste Single "Magnetised", die sich mit leichten Dance-Anleihen zwar wunderbar ins Radioprogramm fügt, aber ideenlos wirkt. Zumal doese Anbiederung hinsichtlich der Qualität des restlichen Materials nicht nötig gewesen wäre.

"Still Getting Used To Being On My Own" etabliert tanzbare Strukturen wesentlich ungezwungener. Schlagzeug, E-Gitarre und Barpiano fügen sich mit wirbelnden Streichern zu einer sich langsam steigernden Hymne über Trennungsschmerz, die es zum Glück vermeidet, in Schmalz abzusaufen.

Odell versteht es, der Coming-Of-Age-Lyrik mit Charisma und Understatement eine gewisse Klasse zu verleihen. Ähnliches gilt für die smooth dreckige Soul-Nummer "Concrete", die gar vage an Prince denken lasst.

Den Willen zu variieren stellt auch das erstaunlich ruppige "Daddy" unter Beweis, das mit ordentlich Verzerrung wirkliche Bedrohung zwar eher andeutet, als Gegenpol zu den barocken Streicher-Arrangements aber funktioniert. Gerade zu Beginn von "Silhouette" erinnern diese an Odells in den USA entflammte Liebe zum Film und könnten glatt einer klassischen 50er-Jahre-Romanze entstammen - bis ein platter Four-To-The-Floor-Beat den interessanten Ansatz auf Chart-Kompatibilität einstampft.

Das es besser geht, zeigt die Pianoballade "Constellation", die zwar ebenfalls mit ordentlich Herzschmerz aufwartet, aber ohne zwingend in ein übertrieben großes Finale zu münden. Noch eindrucksvoller inszeniert Odell diesen Kniff mit dem beinahe siebenminütigen "Somehow": Nach einem Einstieg im simplen Singer/Songwriter-Gewand schwingt sich der Sänger langsam mit Breitwand-Streichern auf, ohne der Versuchung zu erliegen, das Ganze mit einem Knall, Synthiefanfaren oder sonstigen Taschenspielertricks auf die Spitze zu treiben. Stattdessen verebbt das Stück langsam in einem sanften Geigenmeer.

Odell beweist trotz einiger Schwachstellen, dass er das Zeug hat, eine der Pop-Stimmen seiner Generation zu werden. In den rockigen Momenten gemahnt er an die balladesken Muse, seine sanften Piano-Momente rufen den poppigen Rufus Wainwright ins Gedächtnis, und wenn es ganz groß wird, kann er gar mit Coldplay mithalten.

Es sind die großen Namen, auf die Odell schielt. Doch angesichts seiner Möglichkeiten sollte er sich auch nicht mit weniger zufrieden geben. Der Pop-Mainstream ist schließlich zu schade, um ihn der David Guetta-Kirmes zu überlassen.

Trackliste

  1. 1. Wrong Crowd
  2. 2. Magnetised
  3. 3. Concrete
  4. 4. Constellations
  5. 5. Sparrow
  6. 6. Still Getting Used To Being On My Own
  7. 7. Silhouette
  8. 8. Jealousy
  9. 9. Daddy
  10. 10. Here I Am
  11. 11. Somehow

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