laut.de-Kritik
Ein Entwurf von Emo-Techno.
Review von Matthias MantheNiemand mag den Diskurs ums Genre-Phantom Emo ins neue Jahrzehnt tragen, scheint es. Die Suche auf laut.de nach dem Schlagwort liefert für 2010 jedenfalls weder neue Übergriffe auf Szenegänger in Mexiko noch Rezensionen zum Thema. Niemand? Nun, in der überschaubaren Hafenstadt Kopenhagen sitzt da noch wer "in my room" ...
Anders Trentemøller nämlich bastelt im Schlafzimmer-Refugium am Laptop seine ganz eigene Blaupause: den Entwurf von Emo-Techno. Was ich hier betontermaßen gar nicht despektierlich verstanden wissen will.
Bloß schlägt Dänemarks liebster Shoegazer nach dem unisono abgefeierten Geniestreich "The Last Resort" in eine äußerst gefühlige Kerbe - und er tut gut daran.
So wie schon der Albumname eine Liebe zum Jenseitigen transportiert, wagt sich der Kajalliebhaber aus dem mittlerweile weitgehend gerodeten Minimaltechno-Wald, den er mit dem Debüt noch selbst aufgeforstet hatte.
Anstelle einer elektronischen Aufbau-Abfahrt-Dialektik baut Trentemøller jetzt auf das große Drama innerhalb des Songformats. Er ersetzt die kristalline Soundfixierung, die das Debüt zu einem dunkelblau fließenden Mahlstrom-Faszinosum machte, durch warme, selbst eingespielte Instrumente sowie vier ausgesuchte Gastsänger/-innen.
Dabei herrscht dieselbe entrückte Atmosphäre vor, die schon seinem 2009er-Mixalbum Form gab. Zwischen allgegenwärtigen Streichern und akustischen wie elektrischen Gitarrenakkorden, aus deren Nachhall eine Melodie zauberhafter als die vorherige geboren wird, stehen jede Menge Tributbekundungen an die Teilnehmerliste von "Harbour Boat Trips".
Von allen Vokalbeiträgen sind das geisterhaft verschrobene "... Even Though You're With Another Girl" und "Tide" am nächsten dran an Emiliana Torrinis Gothpop, während "Silver Surfer, Ghost Rider Go!!!" bereits im Titel Blümchen auf der Türschwelle der Raveonettes hinterlegt. Das dänische Duo klang seit seiner hitzigen Garagerock-Attacke "Whip It On" nicht mehr so brachial-raumfüllend wie sein Verehrer hier.
Überhaupt offenbart der Blick zurück vorliegendes Werk als logischen Schritt. Oder waren die "Last Resort"-Live-Interpretationen mit Band, die featurelastigen Singles und die Soundtrack-Arbeiten für diverse skandinavische Filme zuletzt nicht Zeichen genug? Dass sich das Trentemøller-Idiom also konsequent weg vom Elektrobegriff hin zu emotional aufgeladenem, filmischem Sehnsuchtspop verschiebt (aktuell Amazon-Nr. 2 in "Dance & Electronic", Nr. 47 in "Pop" - bald eventuell schon andersrum), war zu erwarten.
Dass ihm die Veränderung mithilfe - oder trotz - eines besungenen Vollmonds ("Tide" als wunderhübsch gesangsuntermaltes Piano-Finish), psychedelischer Twanggitarre ("Sycamore Feeling"), erwähnter Streichermassen, Theremin, Mellotron und schrottigem Kassettenspieler so zweifelsfrei gelingt, macht ihn zum höchsten Statesman des Emotional Techno. Um sein Kopenhagener Landhaus reiten die Goth-"Häxan" auf Bassdrums durch die Nacht, sozusagen.
Bei allem Schwarzstift bleibt Trentemøller allerdings ganz unverwechselbar Trentemøller, meidet allzu naheliegende Klischees des Melodramatisch-Nokturnen. Dafür sorgen sein untrügliches Gespür für einnehmende, ernsthafte Soundtrack-Atmosphäre und unwiderstehlich schöne, aus dem Dunkel ins Dunkel erblühende Klangarabesken. Am Ende nur etwas zu hochkonzentrierte Hit-Ambition per Song für das ganz große Überalbum, das "Last Resort" noch war.
11 Kommentare mit 2 Antworten
limited edition is bereits bestellt. nur der emo-witz, ich weiß nicht, die paar hörproben haben mich eher an psychedelische sachen und dream pop erinnert. aber wie immer, in trentemoller I trust!
Emo-Assoziationen hat das, was ich bislang von dem Album gehört habe, bei mir nicht geweckt. Wenn ich das Ding labeln sollte, dann mit "dark 'n deep" (schönen Gruß an den Verein Deutsche Sprache). Gefällt mir.
dark 'n deep hört sich gut an. ich war schon wäre schon was geschockt, wenn die elektronische seite vollkommen durch live instrumente (damit meine ich auch orgeln etc.) ersetzt worden wäre.
Kennt jemand LORN ? Von dem kam mit Nothing Else jetzt das, was ich eigentlich vom armen Herrn Trentemöller erwartet hatte, aber der braucht ja anscheinend dringend mehr Geld. Egal! LORN trifft meinen Hörnerv ohnehin genauer
Eine der am besten formulierten Kritiken, die ich bisjetzt gelesen habe.
gutes album! Anspieltipp zur Weihnachtszeit! Dankt mir später
danke, hab 4 jahre gebraucht um reinzukommen, aber dank dir hab ich jetzt zugang gefunden..
gefällt mir mittlerweile echt gut 5/5
Zivilisierte Menschen gehen zum scheißen auf ne Toilette und genau das würde ich dir miesem hobbylosen Kack-Fake ebenfalls empfehlen.
Uninspiriertester Versuch seit der argemongo-Diebstahl-Nummer und aller Wahrscheinlichkeit noch aus derselben Urheberschaft, dafür spricht auch deine Sauklaue.
Richtige Mister X "Retourkutsche" und dass es nicht wie mehr als das wirkt und nach nichts anderem aussieht würde mir an deiner Stelle ernsthaft zu denken geben.