26. Mai 2023
"Deutscher Hip Hop ist vom Schlager beeinflusst"
Interview geführt von Anastasia HartleibDie TRIBEZ. sind ein echtes Unikat. Als erste Hip Hop Band Deutschlands tourten die Regensburger mit Legenden der Szene durch das Land. Dann kam der Bruch. Wir trafen einen Teil der Band zum Namedropping - und Geschichten erzählen.
Wer in Deutschland wirklich organischen Hip Hop hören wollte, kam in den vergangenen zehn Jahren nicht an den TRIBEZ. vorbei. Die vierköpfige Hip Hop-Kombo aus Regensburg machte sich mit ihren Loop Sessions, zu denen Rapper eingeladen wurden, ihre Songs mit der Band zu performen, landesweit einen Namen. Es folgten Konzerte & Auftritte auf Festivalbühnen, dazu Kollaborationen mit so ziemlich allen Größen der Szene.
So aufregend der Erfolg als Backing Band sein kann: Viel Zeit für eigene Musik blieb da nicht. So schlimm die Corona-Lockdowns für die Veranstaltungsszene waren – für eine Band kann eine derartige Verschnaufpause auch ein kleiner Segen sein. Die TRIBEZ. haben die Zeit jedenfalls genutzt, um sich Gedanken über die eigene Zukunft zu machen. Das Resultat daraus heißt "Redbird" und ist das Debütalbum einer Band, die ihr Selbstbewusstsein als eigenständige Künstler gefunden haben. Doch auf dem Weg dahin ist einiges passiert. Im Interview erzählen Bassist Stefan 'Funkdogg' Pfeiffer und Gitarrist Ben Treimer von ihrer Vergangenheit, Gegenwart – und Zukunft.
Es ist eine Weile her, seit wir zuletzt was von euch gehört haben, das letzte Release war noch vor der Pandemie. Seit dem hat sich einiges verändert bei euch.
Stefan Pfeiffer: Es hat schon vor Corona Spannungen in der Band gegeben und es war teilweise schwierig einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Ben Treimer: Die Visionen darüber, wie sich die Band entwickeln soll, haben sich aufgespalten: Ein Teil der Band wollte mehr in Richtung Pop bzw. Trap-Produktionen, andere wollten eher bei dem organischen Band-Sound bleiben. Nin und Sam [Pianist Ningyuan Jiang und Drummer Sam Dick, Anm. d. Red.] haben die Band dann kurz vor Corona verlassen. Naja, und dann kam die Pandemie.
Stefan Pfeiffer: Eigentlich haben beide Seiten schon gewusst, dass die Trennung irgendwann kommt. Dann sind aber so viele Sachen passiert, unsere Kollabo mit Afrob, die Freestyle Tour mit Samy Deluxe, Roger Reckless & David P. von Main Concept. Die Band hat eigentlich nur noch durch den Erfolg zusammen gehalten. Deswegen haben Ben und ich die Pandemie eher als Chance gesehen. Wir haben die Zeit genutzt, um uns Umzustrukturieren und zu uns selbst zu finden.
Ben Treimer: Wir waren vorher ständig auf Tour. Da war es schwierig eigene Songs zu schreiben. Nach außen hin schaut sowas wie die Loop Session easy aus, aber es war schon ein ganzer Haufen Arbeit. Die Organisation, die Vorbereitungen, etc. Da war wenig Zeit für eigene Musik. Zu Beginn der Pandemie haben wir dann angefangen, unser Studio zu renovieren und uns auch mal richtig mit Recording zu beschäftigen. Das war und ist eine super Erfahrung. Wir konnten uns dadurch in einem anderen Bereich weiterentwickeln und haben ein zweites Standbein aufgebaut.
Inwiefern?
Stefan Pfeiffer: Wir hatten eine ganze Reihe Konzerte geplant, die alle abgesagt wurden in der Coronazeit. Dadurch hatten wir dann endlich die Zeit, andere, eigene Sachen zu machen. Wir haben zum Beispiel Samples für verschiedene Künstler gebaut, z.B. für Shuko und sein Barkleys Kollektiv. Wir haben auch für Mädness produziert, ziemlich viel für "Mäd Löve", und auf "Maggo Lebt" ist auch ein Song von uns drauf. Das war eine super Erfahrung, das hat auch richtig Spaß gemacht.
Ben Treimer: Und dann haben wir sozusagen noch eine zweite Band. Die keine richtige Band ist, sondern mit der wir Lo-Fi Songs produzieren. Das Projekt hat den Namen "3pmbeatz".
Stefan Pfeiffer: Also "Three People Making Beats". Wir sind zwar mittlerweile nur noch zu zweit. Aber der Name ist geblieben.
Ben Treimer: Unsere Wege mit Ralph [DJ Rufflow, u.a. Part der Demograffics, Anm. d. Red.] haben sich dann zwischenzeitlich auch noch getrennt. Ralph ist Vater geworden und der Hustle war real.
Stefan Pfeiffer: Das Projekt macht Spaß, ist aber eben nur ein Nebenprojekt. Wir wollten nicht nur produzieren, sondern auch ein künstlerisches Profil haben, als TRIBEZ. Wir waren früher immer der Meinung, ohne Rapper können wir das nicht machen. Wir haben das zwar auch in der alten Besetzung öfter diskutiert, aber ohne Rapper, ohne Sänger geht das nicht. Das war zumindest die Meinung damals.
Warum nicht?
Stefan Pfeiffer: Wir haben zu wenig an uns selbst geglaubt. Während der Corona-Zeit haben wir dann begonnen uns vermehrt mit Instrumental-Musik auseinanderzusetzen und gemerkt dass in der Instrumental-Band Szene eigentlich ordentlich was los ist. Khruangbin, Surprise Chef, Menahan Street Band, El Michels Affair. Da gibt es ganz viele Bands, die eigenständig sind und eigene Konzerte spielen. Und das war eigentlich unser Traum.
Ben Treimer: Auch aus der Erfahrung heraus, dass es mit Rappern kompliziert sein kann (lacht). Egal ob du jetzt Konzerte mit ihnen spielst oder fürs Album irgendwelche Songs machst, wenn man mit anderen zusammenarbeitet, musst du immer Kompromisse eingehen. Das ist extrem lehrreich, interessant und cool. Aber es ist auch schön, wenn man mal sein eigenes Ding machen kann.
Stefan Pfeiffer: Wir schließen die Zusammenarbeit mit anderen aber nicht prinzipiell aus. So Sachen wie die Freestyle Tour können wir uns immer noch gut vorstellen.
Nun bestehen die TRIBEZ. mittlerweile wieder aus vier Mitgliedern. Wer kam dazu?
Stefan Pfeiffer: Bens Bruder, Daniel Treimer spielt Schlagzeug. Und Tom Eibl spielt Piano. Und Flöten und Percussions. Der ist ein echter Multiinstrumentalist.
Wie habt ihr euch gefunden?
Stefan Pfeiffer: Mit Bens Bruder verstehen wir uns eigentlich blind, weil wir schon ewig zusammen spielen. Tom hab ich ebenfalls in einer anderen Konstellation kennen gelernt. Der kann mehrere Instrumente richtig gut spielen. Und das ist für so eine vier Leute Band natürlich eine Bereicherung.
Ihr habt vorher ja schon ein bisschen über die Zusammenarbeit mit anderen gesprochen. Was war die prägendste Erfahrung, die ihr mit euren Kollabos gemacht habt?
Stefan Pfeiffer: Ich würde auf jeden Fall Afrob sagen. Mit dem haben wir auch immer noch Kontakt. Der ruft aus dem nichts an und erzählt mir Stories. Wie soll ich sagen, der ist mittlerweile wie ein Kumpel.
Ben Treimer: Wie war sein Spruch immer?
Stefan Pfeiffer: Die richtig guten Musiker erkennst du daran, dass sie auch dann abliefern, wenn sie so richtig kaputt sind. Weil sie es lieben. Egal ob man von nem harten Tag nach Hause kommt oder völlig zerstört auf die Bühne muss, weil man im Tourbus nicht schlafen konnte. Da hat er auf jeden Fall recht. Und er hat auch oft bewiesen, dass er das lebt. Der geht auch auf die Bühne, wenn er eigentlich ins Bett gehört. [lacht]
Mit Afrob habt ihr eigentlich auch die intensivste Beziehung gehabt, oder?
Ben Treimer: Auf jeden Fall. Viel geprobt, viel live gespielt. Das war eine krasse Erfahrung. Das Niveau der Proben war wahnsinnig hoch. Das hat uns schon herausgefordert und extrem Spass gemacht.
Stefan Pfeiffer: Afrob ist auch sehr musikalisch. Er hat ein krasses Knowledge über Musik, über Jazz zum Beispiel. Er ist einfach ein richtiger Nerd.
Ben Treimer: Er feuert einen auch extrem an. Da gibt man dann auch gern sein Bestes bei ihm, weil er so eine krasse Energie hat.
"Jimi Hendrix hat seinen Verstärker immer volles Rohr aufgedreht. Das haben wir dann natürlich genauso gemacht"
Kommen wir nochmal auf eure Bandentwicklung zurück. Ging die Aufspaltung der Band eigentlich mit der Umbenennung einher? Ihr hießt ja früher Tribes of Jizu.
Stefan Pfeiffer: Das war vorher schon. Ein Grund für die Umbenennung war, dass wir damals mehr in die Trap Richtung experimentiert haben, da hat TRIBEZ. besser geklungen. Der zweite Grund: Alle Leute haben uns Tribez genannt, und die wenigsten konnten "Jizu" richtig aussprechen. Nachdem selbst Afrob auf dem letzten Konzert noch unseren Namen falsch ausgesprochen hat, haben wir dann irgendwann gesagt: Wenn's selbst Afrob nicht schafft, sollten wir uns nochmal Gedanken machen. [lacht] Der Punkt im Namen TRIBEZ. steht für mich aber immer noch für "of Jizu".
Wie habt ihr euch damals eigentlich zusammengefunden?
Ben Treimer: Eigentlich hat Stefan die Band gegründet.
Stefan Pfeiffer: Es sollte von Anfang an eine Hip Hop-Band sein. Es ging in anderer Besetzung und mit anderem Namen los. Dann kam Nin am Piano dazu und das hat sich dann so entwickelt. Die Loop Session haben wir dann ins Leben gerufen, weil wir's cool fanden - und weil wir Geld gebraucht haben.
Eure Konzert-Reihe ist dann ja zu einem ziemlich großen Erfolg geworden. Auch, weil es sowas in Deutschland bis dato noch nicht gegeben hat. Eine Live-Band, die Hip Hop Beats spielt.
Stefan Pfeiffer: Die Loop Session ist Segen und Fluch gleichzeitig. Du spielst jedes Mal neue Songs. Du lernst z.B. jedes Mal von Snoop Dogg einen neuen Song. Das ist natürlich wahnsinnig hilfreich als Musiker. Du lernst die Materie zu verstehen, weil du die ganze Zeit neue Songs lernst und nur so geilen Scheiß spielen darfst. Aber auf der anderen Seite musst du halt echt jedes Mal ein komplett neues Programm einstudieren. Am Anfang war das noch jeden Monat. Normalerweise erprobt sich eine Band ein Programm, und spielt damit drei Jahre.
Ben Treimer: Und dann halt nicht nur einen Song, sondern Songs für zwei bis zweieinhalb Stunden. Aber man lernt so wahnsinnig viel dabei. Vor allem, ohne viel Proben auf die Bühne zu gehen. Am Schluss war das teilweise so, dass sich jeder die Noten notiert hat und wir haben kein einziges Mal zusammen geprobt. Dann sind wir auf die Bühne und haben rausgeballert.
Stefan Pfeiffer: So haben wir sogar ein ziemlich cooles Konzert gespielt. Das war 2017 auf dem Agratamagata, mit Galv, Doz9, Pierre Sonality, Lukutz und DJ Rookie. Das war relativ kurzfristig. Wir hatten vorher nicht einmal zusammen geprobt, aber auf der Bühne war's voll geil. Mit einem der Rapper, ich weiß leider nicht mehr wer, hatten wir am Anfang sogar ein bisschen Beef, der war müde und schlecht drauf. Aber nach dem Gig war alles gut, da kam er her und hat uns alle umarmt und gesagt "Ich liebe euch". Das war so schön, weil man sich auf der Bühne kennen gelernt hat und dann einen gemeinsamen Vibe gefunden hat.
Ben Treimer: Wir haben auf alle Fälle viele schöne und lustige Dinge erlebt, in den ganzen Jahren, in denen wir unterwegs waren.
Eure Top 3?
Ben Treimer: Boah, da gibt's so viele geile Momente. Da kann ich unmöglich ein Best of draus machen.
Stefan Pfeiffer: Ich kann's schon sagen. Erstens: Dass wir in den Red Bull Studios mit Afrob aufnehmen durften. Da war die ganze Woche ein echtes Erlebnis. Wir haben Max Herre, Joy Denalane, Samy Deluxe & Ferris MC kennen gelernt, die sind echt cool. Man ist ja immer nervös und aufgeregt. Und dann gehst du dahin und die sind einfach ganz normal und nett. Und dann finden die es auch noch komplett cool was man macht.
Das war einfach ein schönes Erlebnis, auch so im Ganzen, wie da alles zusammengekommen ist. Afrob denkt manchmal ganz quer und dadurch können Sachen sehr komplex werden. Aber es hat zum Schluss einfach alles funktioniert und Sinn ergeben.
Ben Treimer: Wir haben ältere, bereits veröffentlichte Songs von Afrob neu arrangiert, haben uns neue Formteile dazu überlegt und die Songs insgesamt für Live-Band angepasst. Das war ziemlich crazy und teilweise auch ganz schön kompliziert zu spielen. Wir haben ein Album in fünf Tagen eingespielt und wurden dabei gefilmt. Dann noch Interviews und dies und jenes. Das war schon eine neue Erfahrung, dass das alles so gebündelt auf einmal kam.
Stefan Pfeiffer: Und dann der Moment, in dem wir das alles geschafft haben und jeder zufrieden war. Das war einfach ein wahnsinnig gutes Gefühl.
Was zählt noch in die Top 3?
Stefan Pfeiffer: Das Festival Unta de Bam 2016 in Hausberg. Da haben wir mit Maniac gespielt. Die Atmosphäre war einfach der Wahnsinn dort. Die Leute waren so gut drauf. Eine super Stimmung, ein schöner Sommertag und das mitten im Wald. Sowas hab ich noch nie gesehen.
Ben Treimer: Für mich war mein erstes Konzert mit der Band auch noch unglaublich schön. Das war hier in Regensburg am Bismarckplatz zum Brunnenfest. Ich war komplett neu in der Band und wir haben wochenlang mit Maniac dafür geprobt. Wir haben jeden Break im Beat spielen müssen. [lacht] Aber die Stimmung war einfach toll.
Stefan Pfeiffer: Maniac ist auf jeden Fall auch einer, der uns von Beginn an eigentlich sehr krass beeinflusst hat. Von dem haben wir viel gelernt. Maniac hat auf seinen Beats immer wahnsinnig viele Cuts. Bei den Proben haben wir schon gehofft, dass er nicht will, dass wir diese Cuts genauso spielen. Aber natürlich wollte der das so. Das war eine krasse Schule. Ein richtig guter Drill. Und Maniac hat immer gesagt: "Auswendig, Leid. Ihr wollt's doch ned des vom Bladl spuin." Und sich dann diese Cuts zu merken, das war hart. Jeder hat seine eigene Methode gehabt. Ich hab's auswendig gelernt. Wie hast du's gemacht?
Ben Treimer: Ich hab das nie auswendig gelernt.
Stefan Pfeiffer: Hast immer Noten dabei gehabt? Echt? Scheiße. [Beide lachen] Aber das war auf jeden Fall eine sehr lehrreiche Zeit. Maniac baut ja selber Beats und da war es ihm immer wichtig, dass die Sachen auch wirklich wie das Original klingen. Und das können wir auf jeden Fall. Das haben wir durch ihn gelernt.
Ferge X Fisherman, die ja auch mit Band unterwegs sind, haben mir vor gut einem Jahr erzählt, dass es wahnsinnig schwierig sei, als Band gebucht zu werden - und dann, zumindest in der direkten Zeit nach Corona, überhaupt Konzerte voll zu kriegen. Wie sind eure Erfahrungen dahingehend?
Ben Treimer: Vor gut einem Jahr war es echt krass, weil da so viele Nachholkonzerte waren. Vor allem, wenn man in Deutschland eher so nischigen Underground Sound macht. Unser Land ist soundtechnisch anders geprägt. In den USA haben Gospel und Jazz bspw. einen viel krasseren Einfluss auf die Pop-Welt. In Deutschland ist das schon eher vom Schlager beeinflusst. Wenn man sich erfolgreichen, neueren deutschen Hip Hop anhört hat das, wenn man ganz ehrlich ist, oft nur noch wenig mit Hip Hop zu tun.
Stefan Pfeiffer: Bausa oder Capital Bra, zum Beispiel. Da ist wirklich Schlager drin. Dieser soulige Hip Hop, den Ferge X Fisherman oder wir beispielsweise machen, ist in Deutschland tatsächlich sehr rar.
Ben Treimer: Deswegen glaube ich, dass es für Künstler, die in die Richtung gehen, wirklich viel schwieriger ist. Weil die Deutschen nicht so den Zugang dazu haben. Unsere Hörerschaft ist hierzulande halt relativ klein.
Nervt euch das manchmal, dass jemand wie Capital Bra riesige Hallen füllt?
Ben Treimer: Nicht unbedingt, weil es ja auch nicht unbedingt meine Musikrichtung ist.
Stefan Pfeiffer: Ja, ein bisschen. Da bin ich ehrlich. Also nicht, dass Capital Bra jetzt ausverkauft, sondern eher, dass es für andere Künstler wie uns dann so schwierig ist.
Ben Treimer: Mir ist es am Ende des Tages trotzdem lieber das zu machen, was mir auch wirklich Spaß macht. Das würde mich auf Dauer nicht glücklich machen, was zu spielen, was ich selber nicht abfeier.
Stefan Pfeiffer: Als Backing Band ist das nochmal was anderes, finde ich. Aber wir sind schon happy, wenn 100 Leute zum Konzert kommen. Das ist uns echt viel wert.
Ben Treimer: Bei mir ist es ähnlich. Die Leidenschaft für die Musik ist einfach so groß. Egal ob vor 100 oder vor 5000.
Aber von irgendwas leben, muss man ja auch, oder?
Stefan Pfeiffer: Klar. Ben arbeitet nebenbei noch als Gitarrenlehrer und ich spiele auch in anderen Bands. Dann haben wir noch unsere Streaming-Einnahmen. Das sorgt dafür, dass wir hier ein bisschen rumprobieren können. Früher hatten wir schon die Einstellung, dass wir jetzt sofort nur von den TRIBEZ. leben wollen. Aber dann ist so viel Druck auf der Sache. Dadurch geht die Leidenschaft zwar nicht verloren, wird aber ein bisschen unterdrückt.
Ben Treimer: Aber Leidenschaft war bei uns eigentlich immer da. Stefan und ich kennen uns ja mittlerweile 20 Jahre.
Wirklich? Dann erzählt doch mal einen Schwank aus eurer Jugend.
Ben Treimer: Wir haben nah beieinander gewohnt. Ich hab abends immer aus meinem Dachfenster rausgeschaut und gewartet, dass er vorbeifährt, wenn er aus der Arbeit kommt. Kaum dass ich sein Auto gesehen habe, hab ich ihn angerufen und gesagt: "Komm vorbei". Dann haben wir erstmal gepafft und den ganzen Abend durchgejammt. Unsere Vorbilder waren Jimi Hendrix und Led Zeppelin. Wir haben dann in einer Biografie gelesen: Jimi Hendrix hat seinen Verstärker immer volles Rohr aufgedreht. Das haben wir dann natürlich auch so gemacht. Meine Nachbarn haben uns dafür gehasst. Irgendwann war es schlicht nicht mehr möglich, bei mir zu Hause zu spielen. Dann haben wir uns ein Notstromaggregat gekauft, sind mit dem Teil irgendwo in die Pampa gefahren und haben da losgejammt.
Stefan Pfeiffer: Ja, das war ne ziemlich coole Zeit.
Ben Treimer: Und das macht unser Album jetzt auch nochmal besonders: Im 20. Jahr, in dem Stefan und ich uns kennen, kommt unser erstes eigenes, gemeinsam produziertes Album raus.
"Quelle Chris ist ein Kunstwerk für sich."
Lasst uns direkt mal über euer neues Album sprechen. Warum "Redbird"?
Ben Treimer: Die Story war so: John, einer unserer besten Freunde, Studiovermieter und gemeinsam mit Wun Two unser Labelboss, war in Kanada. Dort hat er Streichholzschachteln gefunden, auf denen ein roter Vogel drauf war. Wieder zu Hause meinte er, dass es doch auch ganz cool wäre, wenn man so einen Vogel auf das Albumcover packt. Dadurch haben wir dann auch zu unserer Albumvision gefunden. Der Vogel ist, genau wie wir, auf seiner Reise. Dabei passieren lustige, schöne oder auch unschöne Dinge. Unser Album besteht aus Geschichten aus unserem Leben. Wir verarbeiten, was wir erleben. Und natürlich auch, was unsere Feature-Artists erleben.
Stefan Pfeiffer: Für mich ist das Album die Transformation von der Backing Band hin zum eigenständigen Künstler. Der Vogel verkörpert für mich den Weg, wie unsere Vision davon Wirklichkeit wird.
Der Vogel hebt also gerade ab.
Stefan Pfeiffer: Genau. Er fliegt schon, aber er ist noch nicht gelandet.
Wo ihr gerade von Feature-Artists sprecht: Wie sind denn die Features zustande gekommen? Ihr habt ja auch zwei US-Rapper dabei, die hat man wahrscheinlich nicht einfach in der Kontaktliste.
Stefan Pfeiffer: J. Lamotta und WunTwo schon eher, die kamen über John. Juju Rogers kannten wir ja auch schon von der Loop Session. Auf dem Song hat er übrigens auch Trompete gespielt, die hat er uns noch mitgeschickt. Die anderen beiden haben wir tatsächlich einfach angeschrieben. Ric Wilson macht so funky, organischen Sound. Das hat von vornherein schon ganz gut gepasst. Und Quelle Chris ist einfach voll psychedelisch. Der ist ein Kunstwerk für sich.
Ihr habt für das Album ja auch einen Song mit WunTwo produziert. Wie arbeitet man als Band eigentlich mit einem Beatmaker zusammen?
Stefan Pfeiffer: Wir haben noch ein eigenständiges Projekt mit WunTwo, aus dem auch der Song fürs Album entstanden ist.
Ben Treimer: Generell läuft das so, dass er beispielsweise einen Drumloop und eine Sampleskizze hat und wir fangen dann an, einfach darüber zu jammen und Melodien drumherum zu bauen.
Also ist der Beatmaker sozusagen vollwertiges Bandmitglied.
Ben Treimer: Auf alle Fälle. Natürlich ist es ein bisschen anders, wenn der Drummer oder der Keyboarder da sitzt und man an Songs arbeitet.
Warum?
Stefan Pfeiffer: Der hat einfach einen anderen Ansatz. Jan [WunTwo, Anm. d. Red.] spielt selbst zum Beispiel kein Instrument, zumindest nicht als Vollzeit-Instrumentalist. Er ist Musiker, aber eben mit einem anderen Ansatz. Er lernt von uns und wir von ihm. Das ist inspirierend.
Ben Treimer: Wenn er da ist, ist es für mich eigentlich immer das interessanteste, einfach mit ihm abzuhängen und Musik zu hören. Man entdeckt da so viel, dass man die Woche drauf hunderte neue Dinge aufnehmen kann, weil sich dieser ganze Input in einem wieder vermischt und dann daraus was neues entsteht.
Als Instrumentalist ist man viel Zeit damit beschäftigt, sein Instrument zu üben. Der Producer/Beatmaker nutzt seine Zeit mehr, um soviel Musik wie möglich zu hören, damit er konstant neue Loops entdecken und bauen kann. Dadurch kennt der extrem viel, was ihm hilft, seinen eigenen Vibe zu formen. Das ist bei einem Instrumentalisten natürlich genauso wichtig, aber unsere Stärke liegt dann eher darin, das Instrument auf eine bestimmte Art spielen zu können. Wir sind da eher perfektionistischer. Und WunTwo sagt dann zu uns: "Genau die zwei Takte, wo ihr meint, das war nicht so gut gespielt, genau die sind der Loop. Das ist es." Da geht es nicht um Perfektion, sondern um den Moment.
Ist das was, das man sich als Instrumentalist auch hin und wieder mal vor Augen führen muss?
Ben Treimer: Definitiv. Das ist das Wichtigste eigentlich. Jemand der kein Instrument spielt, den interessiert das auch relativ wenig, wie kompliziert die Musik ist. Der Vibe, die Stimmung, ist eigentlich das, was die meisten interessiert.
Welche Einflüsse finden sich auf "Redbird" wieder?
Stefan Pfeiffer: Definitiv unsere Vergangenheit, geprägt durch Madlib oder J. Dilla. Das hört man auf manchen Songs auch ganz deutlich, zum Beispiel bei "Flippin" mit J. Lamotta, oder "My Storm Is My Calm" mit Quelle Chris. Khruangbin und Surprise Chef sind definitiv auch große Vorbilder. JJ Whitefield und seine Poets of Rhythm. Der Typ ist voll die Legende. Wir dachten alle, das ist so ein 70er Jahre Underground Ding, das jetzt erst groß geworden ist. Dabei ist das nur auf alt gemacht und der ist vielleicht zehn Jahre älter als wir, lebt in München und war auf einer Loop Session - als Fan! Da krieg ich jetzt noch Gänsehaut.
Ben Treimer: Und sonst alles, was auf dem Label Big Crown rauskommt, also so alles um El Michels Affair, bzw. Menahan Street Band. Außerdem noch Jazz, Psych Sound und R'n'B.
Habt ihr Lieblingssongs auf "Redbird"?
Stefan Pfeiffer: Ich hab zwei. Die Features würde ich jetzt eher nicht sagen, auch wenn ich die alle cool finde. Für mich wären es "Feel You So" oder "Holiday".
Ben Treimer: Da ich auf dem Album noch nicht zu 100% unsere eigene Vision sehe, sind es für mich der Ric Wilson- und der Quelle Chris-Song.
Wie meinst du das mit der eigenen Vision?
Ben Treimer: Weil sich erst mit der Zeit herauskristallisiert hat, wo wir hinwollen. Zu Beginn der Pandemie waren wir eigentlich noch darauf gepolt, für andere Rapper zu produzieren. Das wir eigene Sachen machen wollen, kam dann erst mit der Zeit.
Stefan Pfeiffer: Deswegen ist das Album auch hauptsächlich mit eigenen Songs bestückt, aber eben auch mit Featuregästen.
Ben Treimer: Mittlerweile gehen wir halt deutlich mehr in die instrumentale Richtung. Das war auf dem Album halt eher noch ein Experiment. Natürlich finde ich "Feel You So" auch extrem gut, aber wir würden den Song jetzt anders schreiben. Der Song war zum Beispiel von der Struktur her so aufgebaut, dass jemand drauf singen oder rappen könnte. Dann ist erst später die Gitarrenmelodie drauf gekommen, das würden wir jetzt anders machen.
Das hört sich ein bisschen so an, als wärt ihr eigentlich schon drei Schritte weiter.
Ben Treimer: Ja für uns ist das Album ja tatsächlich schon Vergangenheit. Wir haben das Album letztes Jahr im September, Oktober abgegeben. Ab da hast du mit der Musik nur noch wenig zu tun.
Stefan Pfeiffer: Und wir haben uns bereits weiter entwickelt. Wir haben seit dem schon wieder fünf, sechs neue Songs aufgenommen, die mega cool sind. Das heißt ja aber nicht, das die älteren Sachen uncool sind. Und jetzt stehen dann sowieso auch erst mal wieder die Konzerte an. Wir freuen uns wahnsinnig darauf, unsere eigenen Sachen live spielen zu können.
Vielen Dank für das Gespräch!
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