laut.de-Kritik

Rollende Reime reifen in ratternder Rhythmik.

Review von

Zu gerne wüsste ich, worüber Turgay K in düster-schwermütigen Kulissen erzählt. Auch ohne die leiseste Ahnung zu haben, worum es geht, raubt mir die technisch überaus versierte Darbietung den Atem. Mit- und hingerissen von Schwällen sprudelnder Silben bedaure ich, des Türkischen nicht mächtig zu sein, wie seit den goldenen Zeiten von Cartel nicht mehr.

Weich rollende Reime, ratternde Rhythmik und ansprechende Satzmelodien greifen in teilweise wahnwitziger Geschwindigkeit widerstandslos ineinander. In "Cöl Olur Marmara" entwickelt Turgay Ks Flow eine nahezu bouncende Qualität. Neben beachtlichem Rhythmusgefühl künden die tadellos punktgenau abgefeuerten Worte von unglaublicher Routine.

Dieser Mann hat Talent, und er hat ohne jeden Zweifel geübt und geübt und geübt, bevor er die Restwelt an seinen Ergüssen teilhaben ließ. Eine gute Entscheidung: Die hohen Ansprüche, die Turgay K an sich selbst stellt, darf man getrost als erfüllt betrachten.

Angesichts solcher Sprachgewalt verwundert es nicht mehr, dass sich die Crème der deutschen Rap-Zunft auf der Gästeliste von "Rapstradamus" zum lauschigen Stelldichein versammelt. Nach hörspielartig gestaltetem Intro eröffnet Prinz Pi den Reigen. In ihm findet Turgay K einen mindestens ebenso sprachgewandten Partner, der "Anne Simdi Bak" eine Reportage vom nasskalten Asphalt der Hauptstadt beisteuert.

Reimroboter Tone erschließt dem Hörer zum stolpernden Beat von "Ölülerin Kokusu" die unfrohe Sichtweise eines Straßenkinds. Als ob der nuschelnde Frankfurter Rap-Veteran nicht bereits irrsinnige Geschwindigkeit vorgelegt hätte: Turgay K setzt tempomäßig noch einen drauf. Shiml, im Hause Selfmade für die atmosphärischen Tracks zuständig, verpasst der härteren Gangart von "Omuzlarimda Yük" eine zornig-verzweifelte Note.

Buchstäblich über kurz oder lang demonstriert Turgay K im Umgang mit seinem Instrument, dem Mikrofon, Können und Sicherheit: Während die viel zu knapp geratenen Skits ihrem Titel gerecht werden und "Rapkunst" demonstrieren, fesselt "Illusion" deutlich über fünf Minuten lang. Kein Wunder, gilt Partner Curse schließlich auch nicht gerade als der Meister der Kürze: Er war glücklicherweise noch nie um treffende Zeilen verlegen.

Mein persönliches Vergnügen schmälern einzig die Beats. Ohne Frage eignen sich Piano und schwermütige Streicher zur Ausgestaltung beklemmender Melancholie. Einzeln genossen entfalten die Tracks trotz der Abgegriffenheit dieser Kombination, gerne auch verbrämt mit dem wieder und wieder strapazierten Gewitterregen, durchaus einen gewissen Reiz.

Auf Albumlänge hätte derart düsteren Szenerien ein klein wenig Abwechslung jedoch gut getan. Anhaltendes Pisswetter vergrätzt auf Dauer das sonnigste Gemüt, und so hart das Leben sein mag: Irgendwann müsste, wenigstens kurzzeitig, die Wolkendecke aufreißen. Ganz ohne Licht verlieren sonst auch die Schatten die ersehnte Wirkung.

Trackliste

  1. 1. Rapstradamus Intro
  2. 2. Anne Simdi Bak (Versteh Jetzt Mutter) feat. Prinz Pi
  3. 3. Illusion feat. Curse
  4. 4. Omuzlarimda Yük (Can't Sleep) feat. Shiml
  5. 5. 44 Numara (True Story)
  6. 6. Ölülerin Kokusu (All Gone Die) feat. Tone
  7. 7. Cöl Olur Marmara
  8. 8. Rapkunst (Skit)
  9. 9. Hayat (Life) feat. Sookee
  10. 10. Fasikül (Die Abrechnung)
  11. 11. Adalet Ihtilalsiz (Skit)
  12. 12. Babam Icin (Für Meinen Vater)
  13. 13. Körpe Korku (Angst)
  14. 14. Rapkunst II (Skit)
  15. 15. Metamofoz
  16. 16. Rapstradamus Outro

6 Kommentare

  • Vor 16 Jahren

    Ich hab mir dass Album letzte Woche zugelegt und muss wirklich sagen dass Turgay K ein unglaublicher Rapper ist! Wenn sogar meine Mutter dass album hört, heißt dass schon was. Mir fehlen zwar etwas die türkisch kenntnisse aber allein die beats und der unglaubliche Flow haben mich absolut überzeugt. Pflichtkauf !

  • Vor 16 Jahren

    Halloooo???? Das ist ein Rapalbum... Wo sind denn jetzt Herr Merkt und all die anderen die sich sonst immer die Köpfe zu diesen Alben einschlagen??? Oder kennt keiner den Typen hier :lol:

  • Vor 16 Jahren

    die können halt auch kein türkisch. :D
    aber wer sich davon abhalten lässt, ist wirklich selber schuld.

  • Vor 16 Jahren

    Wenn ein türkisch verstehender Redakteur am Werk gewesen wäre, gäbs wohl die vollen 5. Habe selber 4.5 Mics gegeben, glücklicherweise versteh ich türkisch :)

    Hier mal meine Version:

    http://www.hiphop-jam.net/thread.php?threa…

  • Vor 16 Jahren

    nö, fünf nicht.
    dazu waren mir die beats zu schwermütig, auf dauer. piano, streicher, der ewige gewitterregen - das hatten wir schon tausendmal.

    aber vier wahrscheinlich.
    wenn mir die texte reingelaufen wären. :)

  • Vor 16 Jahren

    @Swingmaster Jazz (« Halloooo???? Das ist ein Rapalbum... Wo sind denn jetzt Herr Merkt und all die anderen die sich sonst immer die Köpfe zu diesen Alben einschlagen??? Oder kennt keiner den Typen hier :lol: »):

    guter witz, merkt, maddinsche und wie die ganzen anderen kasperköppe alle heissen, kennen doch nichtmal die relevanten ami sachen, wie sollen solche leute dann auf türkische rapper kommen?

    das album is dope. der typ hats drauf. würde mich freuen wenn jetzt auch mal andere durchstarten, wie zb musa36