laut.de-Kritik
Abtauchen in die Untiefen der Neunziger ...
Review von Kerstin KratochwillU96 hatten Anfang der Neunziger Jahre mit der technoiden trancigen Neuinterpretation des Soundtrack-Klassikers "Das Boot" einen riesigen Hit: Damals noch mit dem Produzenten Alex Christensen. Nun tauchen in dem als "Reboot" betitelten Comeback nur noch Hayo Lewerentz und Ingo Hauss auf.
Für die neuen Songs haben sie sich zahlreiche Gaststars an Bord geholt. Die Single "Angels" mit Soulsängerin Terri B! katapultiert einen zurück in die Eurodance-Zeit und weckt längst verdrängte Erinnerungen an Acts wie Snap! – die Ausrufezeichen inklusive. NDW-Star Joachim Witt steuert mit "Quo Vadis" einen bedeutungsschwangeren, wabernden Track bei, der sich im Text (natürlich) fragt "Wo geht es hin?". Dem Hörer stellt sich angesichts des triefenden Pathos' und Rammstein-Ramsches eher die ernüchternde Frage "Wann kommt die Flut?" und spült das hier wieder weg.
Mit dabei ist auch der ehemalige Kraftwerker Wolfgang Flür, der zwei Songs beisteuert: "Zukunftsmusik" ist dabei ein ziemlicher Rip-Off diverser Kraftwerk-Stücke geworden, dem Fans wohl am liebsten den Stecker ziehen würden. "Hildebrandslied" klingt dann wie ein obskurer Minimaltrack mit verschwurbeltem Mittelalter-Flair, dem man ebenfalls gerne einen Roboter aus der Zukunft auf den Hals hetzen würde. Angedroht ist hier übrigens ein komplettes Kollaborationsalbum von U96 mit Wolfgang Flür ...
Dazwischen finden sich viele stampfende Techno-Rave-Tracks der alten Schule, die Nostalgikern sicherlich Spaß machen und auf diversen Neunzigerjahre-Festivals abgefeiert werden. Diese Tatsache macht aus dem Album allerdings eine Art Karnevals-Veranstaltung, denn ohne Nineties-Verkleidung und den passenden (ironischen) Rahmen, wird von diesem "Reboot" wohl kaum jemand Notiz nehmen. Dennoch, es gibt durchaus einige Tracks, die abwechslungsreich mit diversen Techno-Stilmitteln spielen wie "Contact Machines", mit einem interessanten Downtempo-Teil in der Mitte und einem extrem treibenden Beat.
"F......Camera" mit seinen hämmernden Drums und Breakbeats hat The Prodigy-Momente, "I Say Brain" schmuggelt einen funkigen Daft-Punk-Kommentar in die Melodie und mit "Supernatural" ist sogar eine Electro-Vocoder-Ballade dabei. Damit die Party aber auch bis in die Sunrise-Morgenstunden geht, gibt es noch eine Bonus-CD mit weiteren Stücken für die unermüdlichen Retro-Tanzroboter, die den Hörer aber dann doch recht schnell ermüden. Oder Moment - ist das alles vielleicht doch ein neues Projekt von Fraktus?
3 Kommentare
Der letzte Satz bringt es auf den Punkt. Ist das überhaupt ernst gemeint?
Also ich find das Album echt nicht schlecht. Teilweise etwas "speziell", aber durchaus interessant anzuhören. Sowas hätt ich U96 gar nicht zugetraut - Besser als das Kram aus den 90ern......
Brutal!